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Ekhof-Festival Gotha
"Der Bürger als Edelmann"

Conrad Ekhof leitete in den 1770er Jahren das Hoftheater auf Schloß Friedenstein in Gotha. Dieses Theater existiert bis heute - das dortige Ekhof-Festival nutzt die historische Bühnenmaschinerie. Neben Schauspielkunst ist also Muskelkraft gefragt.

Von Claus Fischer |
    Auf der Bühne des Ekhof-Theaters proben Schauspieler am 01.07.2015 in Gotha (Thüringen) eine Szene der Komödie "Der Impresario von Smyrna" von Carlo Goldoni.
    Auf der Bühne des Ekhof-Theaters proben Schauspieler eine Szene. (picture alliance / dpa / Martin Schutt)
    Monsieur Jourdain, ein Pariser Bürger, hat Geld gemacht, viel Geld. Nun möchte er seinen gesellschaftlichen Rang verbessern, sprich in die vornehmen Kreise des Adels aufgenommen werden. Dafür hat er sich einen Tanzmeister engagiert, der ihm gutes Benehmen beibringen soll.
    "Natürlich ist er ein Parvenü, er ist sehr eitel. Aber so der tiefe Kern dieses Wissensdrangs ist eigentlich doch etwas sehr Positives," findet Carola Moritz, die "Le Bourgeois Gentilhomme" für das diesjährige Ekhof-Festival in Gotha inszeniert hat.
    "Es gibt von Jerome Savary einen sehr schönen Satz." Jemand der wissensbegierig ist, kann nicht durch und durch lächerlich sein."
    Molieres Klassiker hat man für die Saison 2016 ganz bewusst gewählt, betont Marco Karthe von der Stiftung Schloss Friedenstein in Gotha.
    "Die Stücke des Ekhof-Festivals richten sich immer nach dem Hauptjahresthema unserer Ausstellung. Und das ist in diesem Jahr "Die Ernestiner – eine Dynastie prägt Europa", die Thüringer Landesausstellung."
    Keimzelle des britischen Königshauses
    Was Monsieur Jourdain auf der Bühne nicht so richtig schafft, nämlich den gesellschaftlichen Aufstieg, das ist den Ernestinern gelungen. Nicht durch militärische Macht, sondern durch eine geschickte Heiratspolitik stieg das kleine Herzogtum Sachsen-Coburg-Gotha zu einer europäischen Zentralmacht auf, wurde unter anderem zur Keimzelle des heutigen britischen Königshauses. Unter der Ägide des Hoftheaterdirektors und Goethe-Freundes Conrad Ekhof wurde Molières und Lullys Ballettkomödie natürlich auch in Gotha gespielt.
    "Wir können das ja noch relativ gut über unsere Archivalien nachvollziehen. Diese Aufführungen waren vor allem zwischen 1775 und 79."
    Das Ekhof-Festival knüpft also an alte Traditionen an, indem man das Stück mit historischer Bühnenmaschinerie spielt. Das ist nur noch in wenigen europäischen Theatern möglich, so etwa im schwedischen Barockschloss Drottningholm. Im Gothaer Ekhof-Theater, so betont Marco Karthe von der Stiftung Schloss Friedenstein, funktioniert es aber am besten. Denn:
    "Es ist das einzige Theater, das noch eine originale Bühnenmaschine aus dem 17. Jahrhundert funktionstüchtig hat. In Drottningholm gibt es auch noch Maschinen und Maschinenteile, aber es ist nicht mehr komplett funktionstüchtig."
    Zum Einsatz kommt zum Beispiel eine Windmaschine. Eine große hölzerne Trommel mit aufgespanntem Tuch. Gedreht wird sie natürlich von Hand.
    Theaterdonner
    Den sprichwörtlichen Theaterdonner erzeugt man mittels eines langen Rohres aus Holz. In dessen oberes Ende werden größere Steine geworfen, die dann laut hörbar nach unten kullern. Für solche Aktionen ist unter anderem der Bühnenarbeiter Felix Wolter zuständig.
    "Wir gehen jetzt mal nach unten in die Unterbühne, wo während des Stücks die Kulissen verwandelt werden. Der niedrigste Punkt beträgt 1,60 Meter. Also für größer gewachsene Leute wird das dann eine kleine Herausforderung für den Rücken."
    Die Maschinerie ist beeindruckend. Mehrere Stangen aus Holz, hintereinander aufgereiht. Dazu eine Reihe von Zahnrädern, in die diverse Seile eingespannt sind.
    "Da werden die verschiedenen Kulissen eingebunden. Und auf Klingelzeichen vom Bühnenmeister wird gedreht – und dadurch fährt das eine Bühnenbild rein – und das andere, was für die nächste Szene gebraucht wird, fährt raus."
    Sechs kräftige Männer kurbeln die Maschinerie an
    Für die komplette Verwandlung einer Szenerie braucht man unter der Bühne sechs kräftige Männer, die die Maschinerie durch Kurbeln in Bewegung setzen. Im günstigsten Fall dauert die Aktion fünf bis sieben Sekunden. Dazu erklingt – so hat Molière es bereits in seinem Textbuch vorgesehen – Musik von Jean Baptiste Lully.
    "Sehr tänzerische und prächtige Musik",
    betont Torsten Mann, der musikalische Leiter der Gothaer Produktion. Sein Barockorchester "Les Musiciens Fideles" besteht aus fünf Musikern, alles Absolventen der Frankfurter Musikhochschule, die gerade so in den winzigen Graben passen. Molière und Lully hatten bei der Uraufführung von "Le Bourgeois Gentilhomme" auf Schloss Chambord an der Loire lediglich einen Musiker mehr zur Verfügung. Man kommt also dem Original ziemlich nahe.
    "Es ist einfach ein großes Vergnügen in diesem Theater, es klingt hier sehr gut!"
    Authentisches Barock-Gefühl
    Während die Schauspieler zwar in historischen Kostümen, aber doch im Gestus der heutigen Zeit agieren, sorgt die Musik für das authentische Barock-Gefühl. Und das wird durch die Tänzer auch optisch verstärkt.
    "Es gibt in diesem Stück tatsächlich mehrere Tänze, die original überliefert sind", betont Choreographin Jutta Voss von der Universität der Künste Berlin.
    "Im barocken Tanz benutzt man ja tatsächlich ziemlich stark auch die Arme. Einer der barocken Tanzmeister hat gesagt: Tanzen kann man mit den Füßen, schön tanzen kann man nur mit den Händen. Das heißt, es gibt Bewegungen von Armen, die so ungefähr bis Augenhöhe gehen und mit stark gerundeten Armen etwas offensiv nach vorne in den Raum reingehen.
    Drei Sparten - eine Einheit
    Drei Sparten, nämlich Schauspiel, Musik und Tanz zu einer Einheit zu verschmelzen – das ist keine leichte Aufgabe für Regisseurin Carola Moritz.
    "Wundersamerweise fügt dieses Theater es hier zusammen. Es ergänzt sich, inspiriert sich gegenseitig und bereichert sich!"
    Die Personenführung von Carola Moritz überzeugt absolut. Man merkt dem Schauspielensemble die Freude am Spiel an. Besonders hervorzuheben Irmtraud Hetz und Gregor Eckert in der Rolle von Madame und Monsieur Jourdain. Bezüge zur heutigen Zeit kann man ebenfalls ausmachen, zum Beispiel, wenn ein türkischer Sultan beim höfischen Fest erscheint und sich über ein in seinen Augen viel zu schlichtes Zeremoniell beschwert.
    Molières und Lullys Ballettkomödie "Der Bürger als Edelmann" ist ein Gesamtkunstwerk, das man in Deutschland so authentisch wohl nur im Gothaer Ekhof-Theater erleben kann.