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El Dorado und Glücksritter

Die Kontinente sind der Weltwirtschaft nicht mehr genug. Angesichts des sprunghaft wachsenden Bedarfs an Kupfer, Zink, Kobalt oder Gold schaut die Industrie nun begehrlich auf die unerschlossene Tiefsee. Vor allem an den berühmten Black Smokern – den heißen vulkanischen Quellen am Meeresboden, an denen eine vielfältigste Lebenswelt fernab der Sonne existiert – wittern die neuen Glücksritter ihre Chance.

Von Dagmar Röhrlich | 23.03.2008
    "Im Februar 1977 tauchten wir mit Alvin vor den Galapagos-Inseln. Es war der 13. Februar, ich weiß es noch wie heute: Wir fuhren nach Norden, und nach 150, 200 Metern entdeckten wir draußen vor dem Fenster eine Krabbe. Der Pilot sagte: Da draußen sind noch mehr. Plötzlich wurde das Wasser milchig, und die Temperaturanzeige piepte. Sie war sehr empfindlich eingestellt und gab sofort Alarm, als es wärmer wurde. In diesem Moment sagte der Pilot, dass da draußen viele Krabben wären, sehr große Krabben, jede zwanzig, dreißig Zentimeter lang. Und sehr exotische Röhrenwürmer, die wie Plastikschläuche aussahen, die rote Federn an ihrem Kopf hatten, strahlend rote Federn."

    Nach nicht einmal einer Stunde Tauchfahrt sahen Jack Corliss und die Besatzung der Alvin als erste Menschen einen Black Smoker: haushohe Schlote, aus denen heißes, mineralbeladenes Wasser wie schwarzer Rauch quoll. In dieser höllischen Landschaft waren Mikroben so zahlreich, dass sie das Wasser trübten, und Tiere lebten dicht an dicht. Corliss:

    "”Dort unten, in zweieinhalb Kilometern Meerestiefe, war es pechschwarz und deshalb war klar, dass die unglaublich hohe Produktivität an diesen heißen Vulkanquellen auf Mikroben basierte und dass die von der chemischen Energie aus den Vulkanquellen angetrieben werden musste.""

    Es war der Tag seines Lebens. Jack Corliss lehrte damals an der Oregon State University und bewies mit seiner Entdeckung, dass keineswegs alles Leben von der Sonne abhing! Sechs Jahre später sollte Corliss gemeinsam mit Kollegen noch weitergehen und vorschlagen, dass die Wiege des Lebens selbst an einer solchen Vulkanquelle am Meeresgrund gestanden haben könnte. Die Black Smoker waren eine wissenschaftliche Sensation, von der sich niemand hätte träumen lassen, dass sich an ihr einmal Aktionärsträume entzünden würden.

    "El Dorado und Glücksritter
    Goldrausch in der Tiefsee
    Von Dagmar Röhrlich

    "They look lovely. They actually are very astonishing things. They look like a forest of chimneys that are belching out black smoke.""

    Mehr als 30 Jahre ist die Entdeckung der Black Smoker her, trotzdem gerät der Geologe und Geschäftsmann Simon McDonald ins Schwärmen, wenn er von ihnen erzählt: von diesem "Wald aus schwarz rauchenden Kaminen". Er leitet die britische Firma Neptune-Minerals, deren Firmenzentrale sich in einem historischen Sandsteingebäude mitten im Hafenviertel von Sydney befindet. In den Büros arbeiten 16 Mitarbeiter an der Zukunft des Bergbaus. Davon jedenfalls ist ihr Chef überzeugt. McDonald:

    "Als ich mich einmal mit einem meiner früheren Arbeitgeber getroffen hatte, schlug er mir vor, eine eigene Firma zu gründen. Da ich zuvor viele Jahre als Geologe in Papua Neuguinea gearbeitet hatte, wusste ich, dass sich dort eine Firma namens Nautilus um eine besondere Lizenz bewarb. Sie wollten in den Hoheitsgewässern vor Papua Neuguinea nach Black Smokern suchen, die so reich an Kupfer, Gold und Silber sein sollten, dass sich ihr Abbau lohnen würde. Weil es diese Black Smoker auch vor der Küste Neuseelands gab, dachte ich mir, es wäre eine gute Idee, dort zu suchen. So hat alles angefangen."

    Simon McDonald möchte mit seiner Firma Neptune-Minerals die Ära des Tiefseebergbaus einläuten:

    "”Es ist faszinierend etwas zu tun, das noch niemand zuvor getan hat und einen ganz neuen Industriezweig zu gründen, der auf der Arbeit der Meeresforscher seit den 70er Jahren aufbauen.""

    Das Geld, das seine Firma für die Lagerstättenjagd ausgibt, stammt von der London-Stock-Exchange. Seine Kapitalgeber überzeugte, dass einige reiche Lagerstätten an Land vor langer Zeit an heißen, untermeerischen Quellen entstanden sind. Etwa der gigantische Kupfer- und Zink-Tagebau Kidd Creek im Norden von Ontario. Warum sollte sich in der Tiefsee kein zweites Kidd Creek verbergen? McDonald:

    "”Im Moment gibt es nur zwei Firmen auf der Welt, die sich mit dem Bergbau an Black Smokern beschäftigen, Nautilus-Minerals und uns, Neptune-Minerals. Es ist sehr aufregend, sich an ein kommerzielles Projekt zu wagen, das nie zuvor versucht worden ist.""

    Für beide Firmengründer sind Black Smoker das Dorado in der Tiefsee. McDonald:


    "”Wir haben inzwischen Explorationslizenzen für die Gewässer um Neuseeland, aber auch in Papua Neuguinea, Vanuatu und Mikronesien.""

    Es herrscht Goldgräberstimmung. Am Meeresgrund liegen gewaltige Vorräte an Gold, Silber, Platin, Mangan, Kobalt, Molybdän, Kupfer, Gallium, Tellur oder Indium. Die ganze Palette der Edelmetalle, Halbleiter und Stahlveredler und was die moderne Industrie sonst so alles braucht. Die Rohstoffmärkte boomen, und in Zeiten von Bankenkrisen und Terrorangst ist Gold begehrter denn je: Goldminen an Land stecken rund 180 Dollar pro Feinunze in Förderung und Produktion – und bekommen am Spot Markt mehr als 800 Dollar heraus. Vergleichbar gut sieht es für Kupfer, Zink und andere Metalle aus, auch die Stahlpreise sind durch die hohe Nachfrage aus Fernost in schwindelnde Höhen geklettert. Deshalb werden überall neue, reiche Lagerstätten gesucht. Ein guter Zeitpunkt für Neptune-Minerals und Nautilus-Minerals, die Plattentektonik fürs Geschäft zu nutzen. Schließlich wachsen die Black Smoker da, wo sie den Meeresboden dehnt und Vulkanismus ins Spiel bringt

    "Wo der Tiefseeboden aufreißt, presst der immense Druck Meerwasser in den Untergrund, wo es dann in der Nähe einer Magmenkammer auf etwa 350 Grad Celsius aufgeheizt wird. Es wird nicht nur sehr, sehr heiß, sondern auch sehr korrosiv. Beim Aufstieg löst es Minerale aus dem Gestein und sprudelt schließlich – mit Metallen und Schwefelwasserstoff beladen – als heiße Quelle am Ozeangrund aus. Genau da entstehen die Black Smoker: Sobald die im heißen Wasser gelösten Verbindungen auf das eiskalte Tiefseewasser treffen, fallen sie als schwarze Metallsulfide aus und bauen massive Schlote auf."

    Aus den Schloten quellen Metallflöckchen, wie einst der Rauch aus Liverpools Schornsteinen, erklärt Tony Koslow von der Scripps Institution of Oceanography im kalifornischen La Jolla. Sie geben eine düstere Kulisse ab für eine bizarre Welt: Röhrenwürmer leben hier, Riesenmuscheln und Shrimps, Schnecken, die ihren Körper mit einem Eisenpanzer schützen und vor allem Mikroben, die den Schwefelwasserstoff nutzen, um Kohlendioxid in Biomasse umzuwandeln. Diese chemische Energie aus dem Vulkanismus treibt das Ökosystem an. Koslow:

    "”In den Black Smokern können die Gehalte an Metallen wie Gold, Silber, Zink oder Kupfer sehr, sehr hoch liegen, und vor allem, wenn sie reich an Gold und Silber sind, wecken sie das Interesse der Unternehmen.""

    Damit eine Lagerstätte entsteht, muss das erzbeladene Wasser lange genug strömen. Es braucht Zeit, um genügend Sulfiderze anzureichern:

    "Wenn ein solches Rohstoffvorkommen entsteht, dann bilden sich zunächst einmal solche Schornsteine. Mit der Zeit werden Höhen erreicht, die dazu führen, dass diese Schornsteine kollabieren, zusammenbrechen."

    Am Meeresboden sammelt sich ein Schuttberg an, den die metallbeladenen Lösungen durchdringen und mehr und mehr mit Erzen imprägnieren, während obenauf neue Kamine wachsen. Black Smoker sind Erzfabriken, die rund um die Uhr zentnerweise Metallsulfide ausspucken, beschreibt Peter Herzig, Direktor des Meeresforschungsinstituts IFM-Geomar in Kiel. Für den Bergbau sind aber nicht die Schlote interessant, sondern nur der Hügel aus Schwefelerzen darunter. Herzig:

    "Wir haben Vorkommen untersucht, im Atlantischen Ozean, die haben Durchmesser von mehreren 100 Metern und eine Mächtigkeit von bis zu 150 Metern. Das sind große, wahrnehmbare, hoch konzentrierte Erzvorkommen, die zu zwei Dritteln unterhalb des Meeresbodens liegen, so trichterartig setzen sie sich nach oben fort, und die haben am Meeresboden eine gewölbte Form, meistens dann mit einigen Dutzend Black Smokern im Zentrum."

    In Papua Neuguinea, Neuseeland, Vanuatu, den Tonga-Inseln oder Mikronesien, aber auch im Tyrrhenischen Meer zwischen Neapel und Sizilien – überall dort könnten Black-Smoker-Vorkommen liegen, die reich genug sind, dass sich der Abbau lohnt. Genau darauf setzen Nautilus Minerals und Neptune-Minerals – und hoffen auf das große Geld.

    Die Black Smoker lösen nicht den ersten Goldrausch in der Tiefsee aus. Der begann 1965, mitten im Kalten Krieg, als die Preise für Kupfer, Nickel und Kobalt in die Höhe schossen. Die Schätzungen über die Vorräte, die in Form von Manganknollen im Schlamm der Tiefsee warten sollten, waren astronomisch. Fernab der Kontinente schien in den Tiefseebecken über Jahrmillionen hinweg ein unerschöpflicher Vorrat an Buntmetallen herangewachsen zu sein. An diesen unscheinbaren, schwarz-braunen Knollen, die wie Ackersteine im Meeresschlamm steckten, entzündeten sich Gewinnphantasien – und eine Spekulationswelle spülte zur Erkundung der Lagerstätten und Entwicklung der Technologie mehr als 650 Millionen US-Dollar in die Kassen von Konsortien. Aber damals steckte die Fördertechnik für große Wassertiefen in den Kinderschuhen, die Navigation erfolgte im Grunde nach den Sternen und die beiden Ölkrisen ließen die abgelegenen Meeresgebiete, in denen die Knollen wuchsen, als unattraktiv erscheinen. Als dann auch noch neue, große Lagerstätten an Land entdeckt wurden, brachen die Preise zusammen, und das Rennen um den Tiefseebergbau war beendet, bevor es richtig begonnen hatte.

    Seit Jahren zeigen die Rohstoffpreise einen mehr oder weniger steten Aufwärtstrend. Da werden angesichts der aufstrebenden Marktwirtschaften in Fernost die Pläne zur Förderung von Manganknollen aus der Schublade geholt. Tony Koslow:

    "”Bergbau ist wie Poker um sehr hohe Einsätze. Es gibt sechs oder sieben Konsortien, die um den Tisch sitzen und viel Geld ausgeben, um ihre Claims aktiv zu halten, denn sie müssen 250.000 Dollar für ihren Claim bezahlen und dann noch die Millionenausgaben für Forschung und Erkundung. Alle Beteiligten wissen, dass es nur einen Sieger geben wird: denjenigen, der im richtigen Moment mit dem Abbau beginnt. Er wird genug fördern, um alle Ansprüche zu befriedigen. Weil nur einer gewinnen wird, gibt es immens viel Geheimhaltung in diesem Geschäft. Falls ein Konsortium bald mit der Förderung beginnen will, teilt es uns das jedenfalls nicht mit.""

    Auch Deutschland sitzt am Pokertisch, nachdem es sich 2006 für 15 Jahre im Manganknollengürtel zwischen Mexiko und Hawaii zwei Claims gesichert hat – jeder von der Größe Bayerns. Mit dabei sind außerdem Frankreich, Indien, Japan, Russland, China, Korea und das Konsortium Interoceanmetal, zu dem sich Polen, Bulgarien, Tschechien, Russland und die Slowakei zusammengetan haben.
    Das Eintrittsgeld zum Millionenspiel kassiert die UN-Meeresbodenbehörde. Ihre Gründung ist eine Spätfolge des Manganknollen-Hypes. Koslow:

    "Die in der Gruppe-77 organisierten Staaten der Dritten Welt wehrten sich dagegen, dass die Lagerstätten jenseits der nationalen Wirtschaftszonen einfach so von den Industrienationen ausgebeutet werden sollten. Die Gruppe argumentierte, die Bodenschätze in den internationalen Gewässern seien ein Erbe der gesamten Menschheit, und deshalb verwaltet die Internationale Meeresbodenbehörde sie heute im Auftrag der UN."

    Sie soll sich "um die gerechte und nachhaltige Nutzung des Tiefseebodens kümmern", erklärt Tony Koslow, der zu den wissenschaftlichen Beratern der Meeresbodenbehörde gehört. Wer einen Claim reserviert, muss einen gleich großen dazunehmen, der ebenfalls erkundet und als zukünftige Rohstoffquelle für die Menschheit bewahrt wird. Wer fördert, wird Lizenzgebühren an die Behörde zahlen, die teilweise an die Entwicklungsländer fließen sollen. Im Moment redet von Förderung zwar niemand, aber prinzipiell soll sie kein Problem sein, wie 1978 ein Abbauversuch im Zentralpazifik gezeigt hat.
    "Man hat damals einen so genannten pilot mining test gemacht und hat die Knollen in einem Verfahren gewonnen, das man Airlift-Verfahren nennt. Das ist quasi ein Staubsaugerprinzip, in dem ein Kollektor über den Meeresboden geführt wird, der Knolle und Sediment zum Bergbauschiff fördert, über eine Steigleitung","

    beschreibt Peter Herzig vom IFM Geomar. Damit die Produktion profitabel läuft, müsste täglich mindestens ein Quadratkilometer Tiefseeboden angesaugt werden. Das aber wirbelt gigantische Wolken von Tonpartikeln und Schwermetallen auf, die von starken Tiefenströmungen über gigantische Flächen verfrachtet werden. Zu dieser ersten Wolke in der Tiefsee käme eine zweite, die entsteht, wenn der Schlamm vom Bergbauschiff zurück ins Meer fließt. Auch diese Wolke würde über Tausende von Kilometern verdriftet und nähme dem Phytoplankton das Sonnenlicht. Herzig:

    ""Man kann sich jetzt überlegen, wo das kleinere Desaster sich abspielen würde, wenn man diese Sedimentfracht dann unterhalb der Oberfläche wieder einleitet, oder – wie manche Kollegen sagen – in 2000 Metern Wassertiefe oder auch in 4000 Metern Wassertiefe. All’ das ist nicht umweltverträglich, weder wegen der Sedimente von oben, noch wegen der, die durch den Bergbau aufgewirbelt werden."

    Koslow: "”Die Manganknollen wachsen weit weg von den Kontinenten, in Gebieten, in denen seit Jahrmillionen extrem wenig Sediment ankommt. Die Tiefsee ist im Grunde ja ungestört. Deshalb fürchten wir, dass die Schlammwolken die Ökosysteme sehr stark stören würden, und dabei wissen wir kaum etwas über die Lebewesen der Tiefsee, deren Vielfalt aber anscheinend riesig ist.""

    1989 hatten Wissenschaftler an Bord des Forschungsschiffs "Sonne" vor der Küste Südamerikas einen Versuch zum "Leben nach dem Bergbau" durchgeführt. Das Ergebnis: Die meisten Bewohner am Meeresgrund starben durch Pflug und Sedimentwolke: Borstenwürmer verendeten, ebenso Muscheln, Krebse, Seegurken, Schwämme oder Anemonen. Erst Jahre danach erholte sich das Experimentiergebiet wieder – dabei hatte das Forschungsschiff nur einen Bruchteil der Fläche unter den "Pflug" genommen, die bei der Förderung betroffen wäre. Herzig:

    "Ich denke, das Ganze ist mit einem ökologischen Ansatz nicht vereinbar. Ich gehöre sicherlich nicht zu denjenigen, die nur den Meeresschutz in den Vordergrund stellen, ich gehöre zu denjenigen, die letztendlich sagen, es muss zu einer ausgewogenen Balance zwischen Meeresschutz und Meeresnutzung kommen, aber ich glaube bei den Manganknollen müsste man sich schon auf die Seite der Meeresschützer begeben und sagen, das könnte ein ökologisches Desaster bedeuten."

    Ob der Manganknollenbergbau wegen der weiten Entfernungen zu den Märkten und der geringen Erzgehalte der Knollen jemals rentabel wird, sei dahin gestellt. Aber um von den Ereignissen nicht überrascht zu werden, ließ die Meeresbodenbehörde ein Schutzkonzept entwickeln. Tony Koslow:

    "”Die Claims sind gigantisch, sie liegen – glaube ich – im Bereich von 75.000 Quadratkilometern. Produktionsschwankungen einberechnet, würden pro Jahr 300 bis 500 Quadratkilometer umgepflügt – plus die mindestens doppelt so große Fläche, die durch die Sedimentwolken zugedeckt werden wird: Um die Natur zu bewahren, planen wir für die Abbaugebiete ein System von Schutzzonen. Unsere Simulationsrechungen haben ergeben, dass diese Gebiete von Pufferzonen umgeben sein müssten, damit sie nicht von den Sedimentwolken beeinträchtigt werden.""

    Es wäre ein Abbau nach dem Schachbrettprinzip, bei dem eine Parzelle abgebaut wird, die nächste nicht. Allerdings können die Biologen nur hoffen, dass die Artenvielfalt in den geschützten Zonen genauso hoch ist wie in den abgebauten, und dass sie von ihren Refugien aus die zerstörten Gebiete wieder neu besiedeln. 25 Jahre sind vergangen, seit Jack Corliss den ersten Black Smoker im Meer vor den Galapagos-Inseln entdeckt hat. Viele Forscher haben das Gebiet seitdem untersucht und festgestellt, dass die Lebenswelt am Black Smoker sich verändert, wenn die Schlote altern. Sie haben beobachtet, wie die Röhrenwürmer seltener und seltener wurden und dafür die Muscheln den Lebensraum übernahmen. Irgendwann erlischt das vulkanische Feuer, das sie antreibt – sie sterben. Black Smoker leben nicht lange.

    Der Manganknollenbergbau in internationalen Gewässern ist derzeit nicht die erste Wahl für die Geber von Risikokapitel. Die liebäugeln eher mit den Plänen von Neptune-Minerals und Nautilus-Minerals. Die interessantesten Black Smoker liegen innerhalb der 200-Meilen-Zone. Hier greift nationales Recht. Für die Firmen ist es einfacher, sich mit einer Regierung auseinanderzusetzen als mit der UN-Meeresbodenbehörde. Die will jedoch auch für den Abbau der Black-Smoker-Lagerstätten länderübergreifende Richtlinien zum Umweltschutz durchsetzen, und um die gibt es Streit. Der Grund: Die beim Manganknollenabbau gewonnenen Regeln sollen einfach für die Sulfiderz-Förderung an den Black Smokern modifiziert werden:

    "Das Problem dabei ist, dass Manganknollenbergbau riesige Areale betrifft, während Massivsulfidvorkommen von vielleicht 50 oder 100 Metern Durchmesser ganz anders auch begutachtet werden müssen."

    Da der Abbau nicht ganze Meeresbecken in Mitleidenschaft zieht, sondern die Auswirkungen nur die Förderzone betreffen, halten beispielsweise China und Russland die Vorgaben für übertrieben. Die Verhandlungen treten auf der Stelle, erklärt Sven Pedersen vom IFM Geomar in Kiel. Die Frage ist, ob sie noch rechtzeitig abgeschlossen werden können, ehe die ersten Abbaulizenzen vergeben werden. Tatsächlich fürchten Umweltschützer auch um die Lebensgemeinschaften an den heißen Vulkanquellen. Nirgends auf der Welt gibt es vielfältigere Ökosysteme, und wer weiß, was sie für die Tiefsee bedeuten. Doch Neptune-Minerals-Chef Simon McDonald und seine Kollegen ficht das nicht an:

    "”Wir als Firma wollen gar nicht die aktiven Systeme abbauen, und zwar aus zwei Gründen. Der eine ist, dass wir die Ökosysteme nicht zerstören wollen, der andere, dass wir das schon aus Eigeninteresse vermeiden wollen, denn das Wasser aus einem Black Smoker hat 300, 400 Grad und ist extrem sauer. Solche Bedingungen überstehen Maschinen nicht lange. Deshalb wollen wir erloschene Systeme suchen, an denen keine Tiere mehr leben und das nicht mehr ist als ein kaltes Stück Meeresboden.""

    Doch die Sache mit den erloschenen Black Smokern hat einen Haken: Während Tauchroboter mit empfindlichen Temperatursensoren an Bord den Meeresboden vollautomatisch nach aktiven Systemen absuchen, sind die toten kalt, nicht mehr als ein Hügel am Meeresboden. Wer sie aufspüren will, muss einen ungeheuer großen und teuren Aufwand betreiben. Und wenn er einen Erzhügel gefunden hat, heißt dass noch lange nicht, dass sich der Aufwand auch lohnt. Denn nicht jeder Black Smoker hat das Zeug zu einer Lagerstätte. Sven Pedersen:

    "Meines Erachtens gibt es zum einen nicht genug Informationen, um wirklich abschätzen zu können, ob genügend Massivsulfide an den jeweiligen Sites vorhanden sind, zum anderen sind die meisten Vorkommen, die wir vom Meeresboden kennen, einfach zu klein, da würde sich ein Abbau nicht lohnen. Wir kennen im Moment etwa 180 Vorkommen am Meeresboden, und ich denke, davon sind etwa zehn, wenn überhaupt, von einem wirtschaftlichen Interesse. Von diesen zehnen sind einige noch in sehr, sehr großen Wassertiefen, tiefer als drei Kilometer, oder zigtausende Seemeilen von Land entfernt, also es gibt nur sehr wenige Sites, die wir im Moment kennen, die wirtschaftlich von Interesse sind."

    Ökonomisch abbaubar wären Vorkommen, die Gehalte von fünf bis zehn Prozent beim Kupfer, von 20 bis 30 Prozent beim Zink und bis zu 15 Gramm pro Tonne Gold aufweisen. An manchen Black Smokern wurden solche Werte gemessen – an der Oberfläche. Wie es weiter unten aussieht, ist eine andere Frage. Pedersen:

    "Man muss sehr, sehr vorsichtig sein, denn bei unseren Untersuchungen am Meeresboden sind wir immer darauf angewiesen, mit Tauchrobotern, Kameras und fernsehgesteuerten Greifern Proben zu nehmen. Die nehmen wir nur an der Oberfläche, wir wissen also nicht, was drunter ist."

    Die Goldsucher in der Tiefsee lassen sich davon nicht abschrecken. Vielmehr wollen sie in Schiffe investieren, um wie Nomaden von Lagerstätte zu Lagerstätte zu ziehen. Herzig:

    "Ich denke vielleicht, ein größeres Abbaugebiet wird ein Bergbauschiff vielleicht ein Dreivierteljahr beschäftigen, und dann würde man zum nächsten Vorkommen fahren. Die Gebiete sind nicht sehr groß, das sind vielleicht 200 oder 300 m Durchmesser, und dann würde man das nächste Vorkommen vielleicht einige Kilometer zum Teil entfernt finden. Hier hat man eben auch wieder die Attraktivität, dass man sein Bergwerk sozusagen mitnehmen kann von Lagerstätte zu Lagerstätte, und könnte tatsächlich diese mehr oder weniger mit großen Abständen perlschnurartig an den mittelozeanischen Rücken aufgereihten Vorkommen gewinnen. Wenn man das dann wollte."Pedersen:"Bereiche im Südwest-Pazifik sind wirtschaftlich interessanter, weil die Vorkommen reicher sind, nicht unbedingt größer von den Tonnagen, aber reicher an den Bunt- und Edelmetallen, die wir haben wollen. Sie liegen in deutlich niedrigeren Wassertiefen vor aufgrund des geologischen Umfeldes, das macht es natürlich einfacher, die Erze zu fördern, und sie liegen in den Hoheitsgewässern einzelner politischer Staaten, auch das macht es einfacher, das durchzusetzen. Der Südwest-Pazifik ist der Raum, auf den sich das erst einmal konzentrieren wird. Selbst wenn man einzelne große Lagerstätten im Atlantik finde würde, bei über 3000 Metern Wassertiefe, 5000 Seemeilen bis zum nächsten Hafen, wird das wirtschaftliche Interesse sehr gering sein."

    Im tiefblauen Meer vor der Küste Papua-Neuguineas führt ein schwerer Tauchroboter Untersuchungen für Nautilus-Minerals durch. Eine Roboterklaue bricht Stücke von Kupfererz ab - sie leuchten wie der Himmel bei Sonnenuntergang - und die Maschine sortiert sie ferngesteuert in Probenschubladen ein. 2010 soll hier der erste kommerzielle Tiefseebergbau beginnen. Dafür hat die Firma eine der ganz großen Bergbaufirmen ins Boot benommen: Placer Dome. Der fünftgrößte Goldförderer der Welt erhält für sein finanzielles Engagement einen Wechsel auf die Zukunft: 75 Prozent aller entdeckten Goldvorkommen sollen an Placer Dome fallen, der Rest ist für Nautilus-Minerals. 1,5 Millionen Tonnen Erz bietet die erste Lagerstätte, das steht fest – aber das ist nur ein Bruchteil dessen, was nötig wäre, um Schwarze Zahlen zu schreiben. Alles andere muss erst noch gefunden werden. Sven Pedersen:

    "Es gibt keine Technologien, die man direkt einsetzen könnte, man kann aber bestehende Technologien adaptieren. Die Firma Nautilus ist im Moment in der Lage durch die Zusammenarbeit mit mehreren Industriefirmen, vorhandene Landtechnologien anzupassen. Ob das alles funktioniert, wird man sehen. Die versuchen ja im Moment den Bergbau bis 2010 hinzubekommen, wobei sie noch keine Meeresbergbaulizenz haben."

    Die Sulfidlagerstätten der Black Smoker sollen ferngesteuert abgebaut werden. Rotierende Schneidköpfen werden sie aus dem Ozeanboden herausfräsen, und tennisballgroße Brocken zur Förderplattform an der Meeresoberfläche gesaugt. Da soll das Erz für die Schmelze an Land verladen werden. Peter Herzig:

    "Die Bergbau- und Explorationsindustrie ist eine Industrie, die eigentlich gar nicht wahrnehmbar ist, weil in Mitteleuropa wir gar keine Bergbau betreiben. Wir konsumieren nur die Metalle und denken, dass sie irgendwo vielleicht vom Himmel fallen. Das tun sie nicht, man muss sie suchen, man muss sie finden. Und momentan wird von der internationalen Explorations- und Bergbauindustrie ein wahnsinniges Geld verdient. Es ist noch nie so lukrativ gewesen, Rohstoffe abzubauen, wie in den letzten zwei Jahren."

    Je höher die Rohstoffpreise klettern, umso eher wird der Tiefseebergbau ein Geschäft. Ersetzen wird er den Bergbau an Land nicht, schätzt Peter Herzig.

    "Es wird immer Landbergbau geben, und wir haben hervorragende Landlagerstätten, aber es wird in bestimmten Nischensituationen der Tiefseebergbau kommen. Davon bin ich überzeugt und Nischensituation heißt, landnah, heißt hohe Konzentrationen und nicht zu hohe Wassertiefen."

    Die Meere sind die letzte Grenze des Menschen. Doch stimmen die Rahmenbedingungen, wird der Bergbau auch in die Tiefsee vordringen – vielleicht schneller als gedacht.


    Hinweis: Die Sendung ist der zweite Teil einer dreiteiligen Reihe über die Tiefsee.
    Hier finden Sie den ersten Teil: Fernab der Sonne. Bizarre Lebensgemeinschaften in der Tiefsee
    Der dritte Teil wird morgen, 16:30 Uhr, gesendet: Das Meer und der Müll. Treibgut in der Tiefsee