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Elbe Flugzeugwerke
DDR-Luftfahrtpionier hält sich über den Wolken

In der DDR gab es ein ehrgeiziges, aber kurzlebiges Luftfahrtprogramm. Anfang der sechziger Jahre war Schluss damit. Die Elbe Flugzeugwerke in Dresden haben sich aber halten können. Der ehemals Volkseigene Betrieb ist heute Weltmarktführer bei der Umrüstung von Airbus-Passagierfliegern zu Frachtmaschinen.

Von Alexandra Gerlach | 01.02.2019
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    Aus Passagierfliegern werden Frachtflugzeuge (Elbe Flugzeugwerke)
    Die Führung beginnt an historischem Ort, in der gewaltigen, 35 Meter hohen Mittelhalle der Flugzeugwerft am Dresdner Flughafen. Es ist hell und licht zwischen den zwei eingerüsteten und aufgebockten Maschinen. Korletten, große Spezial-Regale mit fein säuberlich nummerierten und abgelegten Einzelteilen stehen neben den Maschinen. Arbeitsanweisungen entnehmen die Mechaniker einem Schultafel-großen Holzklemmbrett mit zahlreichen Fächern. Weiße Zettel enthalten konkrete Aufträge, die Gelben dokumentieren, was die Spezialisten noch an weiterem Reparaturbedarf entdeckt haben.
    Mit der Iljuschin fing es an
    Eine Etage höher, auf einem stählernen Podest lagern Triebwerks-Verkleidungen in Einzelteilen. Andreas Müller setzt sein Basecap auf, zeigt in die Halle und geht voran:
    "Da passen drei Flugzeuge rein, vom Typ 300 und 5 Flugzeuge vom Typ A 320", erklärt er. Andreas Müller ist 56 Jahre alt und fast 40 Jahre im Betrieb. Bis zum Mauerfall hat er hier Militärmaschinen der NVA und anderer sozialistischer Bruderstaaten gewartet. Zuvor wurde ab 1955 in den neu gegründeten Flugzeugwerken Dresden die russische Iljuschin 14 P in Lizenz und dann die in der DDR entwickelte "Baade 152", das erste Düsenflugzeug Deutschlands, gebaut. Für die DDR-Staatsführung ein Projekt von höchster Bedeutung und Priorität, wie ein Werbefilm aus den 50ern zeigt:
    "Moderne Bauart, große Leistung und höchste Sicherheit kennzeichnen diese Maschine…."
    In den 50er Jahren war Dresden mit rund 21.000 Mitarbeitern der wichtigste Standort der DDR-Luftfahrtindustrie. Mittendrin war Testpilot Gerhard Güttel. Mit leuchtenden Augen erinnert sich der 95-jährige an den Geist dieser Zeit:
    "Und wie es losging, da war eine Aufbruchstimmung, da hat keiner an Feierabend gedacht, da hat jeder, dort waren alle Feuer und Flamme und das hat sich bis heute gehalten".
    Nach dem Jungfernflug das Unglück
    Auf den erfolgreichen Jungfernflug 1958 folgte ein tödlicher Absturz und dann 1961 das Aus für das Projekt, das bis zuletzt nicht genügend Auftraggeber fand. Testpilot Gerhard Güttel erinnert sich:
    "Eine Riesenenttäuschung. Enttäuschung ist auch falsch. Man war einfach erschüttert!"
    Doch die Basis war gelegt. Heute sind rund 7.000 Mitarbeiter in knapp 160 Unternehmen und Forschungseinrichtungen in der sächsischen Luft- und Raumfahrtindustrie beschäftigt. Fast alle haben ihre Wurzeln in der Luftfahrt-Pionierphase der jungen DDR. So auch die Elbe Flugzeugwerke.
    Umrüsten und Ausstatten – damit ging es weiter
    In den 90er Jahren spezialisierte sich das Unternehmen, das heute zu 55 Prozent der ST Aerospace aus Singapur und zu 45 Prozent zum Airbus-Konzern gehört, auf die Umrüstung von Airbus-Passagierflugzeugen in Fracht- und Tankflugzeuge. Hinzu kamen die Wartung und Teilefertigung. Teilweise seien die Elbe Flugzeugwerke weltweit führend, sagt Geschäftsführer Dr. Andreas Sperl, der seit 2007 die Geschicke des Unternehmens lenkt:
    "Wir sind, was den Innenausbau von Flugzeugen angeht, der exklusive Zulieferant von allen Flugzeugfußböden für Airbus, wir haben hier eine Technologie entwickelt, die einzigartig ist aus der Welt, die bisher auch noch keiner nachmachen konnte".
    Ausgedienten Linien-oder Ferienfliegern wird hier eine zweite Lebenszeit gegeben. Der Transformationsprozess beginnt mit der völligen Entkleidung und Zerlegung der Maschine. 72 Tage dauert so ein Umbau. Jeder Tag Verzug sei daher teuer, betont der erfahrene Mechaniker Andreas Müller, der für die Einhaltung der Termine zuständig ist, zeigt auf einen eingerüsteten und aufgebockten Airbus:
    "So, das ist der letzte A 300/600. Der Flieger kommt hier an, wird ausgeräumt, und dann beginnen wir die Struktur, die Zelle, aufzuschneiden. Es steht eigentlich nur noch das Skelett da von dem Flieger und die Außenhaut".
    Angstfrei und mit ruhiger Hand
    Dort, wo einst die kleine Passagiertür war, ragt jetzt eine große Frachtluke nach oben. Zwei neue Rahmenschalen umfangen den Rumpf des Flugzeuges an dieser Stelle und geben ihm größere Stabilität. Auch im Frachtraum wurde der Boden verstärkt und mit kleinen integrierten Rollen sowie Ankerpunkten versehen, für das Rangieren und Befestigen der Container, die demnächst befördert werden. Absolute Präzisionsarbeit ist hier gefordert, betont Andreas Müller, der Mechaniker:
    "Also der dort schneidet, der sollte keine zittrigen Hände haben und auch keine Angst vor dem Material."
    Zweites wichtiges Standbein neben der Umrüstung ist die Wartung der Maschinen. Im Schnitt alle sechs Jahre wird ein umfangreicher Check-up für die großen Flieger fällig, auch für den Airbus A 380, den größten aller Airbusse. Es gibt Aufträge aus aller Welt, wie Geschäftsführer Andreas Sperl stolz erzählt, zuletzt kam die australische Quantas dazu. Allen Unwägbarkeiten der Weltwirtschaftsentwicklung zum Trotz sieht Spe rl daher gute Perspektiven für seine Geschäftsfelder:
    "Unser Name ist weltweit bekannt und anerkannt und wir sehen doch einen zunehmenden Bedarf auch an Frachtflugzeugen, vor allem bedingt durch den steigenden E-Commerce".
    1.800 Mitarbeiter, darunter 90 Auszubildende beschäftigt das Unternehmen derzeit an zwei Standorten im Freistaat Sachsen. Das Umsatzvolumen liegt bei gut 300 Millionen Euro und die Zeichen stehen auf Erweiterung. Eine neue Halle mit einer Spannweite von 200 Metern ist im Bau.