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Elbtalaue unter Polizeischutz

Das Biospährenreservat Elbtalaue im Wendland wird von manchen Besuchern so respektlos behandelt, dass berittene Polizisten dort auf Streife gehen. Bei der Bevölkerung löst das nicht gerade Begeisterung aus. Wildes Campen oder spontane Feuerstellen im Naturschutzgebiet sollen durch die Maßnahme verhindert werden.

Von Susanne Schrammar | 14.05.2012
    "Schönen guten Tag! Polizeireiter Müller mein Name – Sie haben hier ein Feuer an. Können Sie bitte mal kurz zu mir kommen, das ist hier nicht gestattet."

    "Tut mir leid, dass wusste ich nicht."

    Seltene Amphibien, Seeadler oder Biber in der niedersächsischen Elbtalaue stehen ab sofort nicht nur unter Natur-, sondern auch unter Polizeischutz: Damit sie im Biosphärenreservat weiterhin ungestört leben können, kontrollieren künftig vier berittene Polizisten die etwa 20 Hektar große, als einmalig geltende Naturlandschaft, sagt Hans-Jürgen Felgentreu, Leiter der Polizeiinspektion Lüchow-Dannenberg.

    "Die Kollegen sind hier auf den Feld- und auch Radwegen unterwegs. Wenn sie erkennen – in Abstimmung mit dem Biosphärenreservat – wo hier Plätze sind, die unzulässig genutzt werden, wird man das Gespräch suchen und deutlich darauf hinweisen, den warnenden Zeigefinger heben, das Ganze unterbinden. Und wenn dann Leute uneinsichtig sind, werden auch Ahndungsmaßnahmen eingeleitet und entsprechend Geldbußen umgesetzt."

    Das geschützte artenreiche Gebiet direkt hinter dem Deich und die unberührten Elbstrände unterliegen strengen gesetzlichen Regeln: Hunde müssen danach an der Leine geführt werden, motorisierte Fahrzeuge sind genauso wenig erlaubt wie das Verlassen der Wege, lautes Feiern oder Angeln. Johannes Prüter, Leiter der Reservatsverwaltung:

    "Viele Menschen halten sich an die Regeln, aber viele eben auch nicht. Sie fahren mit dem Auto kreuz und quer durch die Feuchtwiesen, wildes Feuer spielt eine Rolle, die Müllablagerungen, die in der Landschaft sind. Es entstehen wilde Zeltplätze am Elbufer, auch zum Teil in sehr sensiblen Bereichen. Über Tage und Nacht sind dann Menschen dort und es ist klar, dass in einem Schutzgebiet dieser Qualität die schützenswerten Arten dann keine Chance haben."

    Im vergangenen Jahr ist das Ganze dann ausgeufert: die ehrenamtlichen Wächter der Naturschutzverbände wurden immer öfter beschimpft und bedroht, wenn sie Regelübertreter auf die Vorschriften hinwiesen. Woanders übliche hauptamtliche Ranger gibt es in der niedersächsischen Elbtalaue bislang nicht – zu teuer, hat die niedersächsische Landesregierung bisher ab gewunken. Jetzt haben Landesumwelt- und Innenministerium beschlossen, die berittenen Polizisten bis Ende August zunächst versuchsweise einzusetzen – ähnlich wie schon in der Lüneburger Heide oder im niedersächsischen Wattenmeer bei Cuxhaven. Die Durchsetzungsfähigkeit der Polizei, sagt Landesumweltminister Stefan Birkner, FDP, sei wesentlich größer als bei den Rangern.

    "Die hat andere, auch rechtliche Möglichkeiten, um für die Einhaltung von Recht und Gesetz zu sorgen. Deshalb ist es unseres Erachtens angezeigt, jetzt mal zu probieren – wir probieren das jetzt vier Monate – wie das mit den Polizeireitern gelingt. Wir greifen auf Vorbilder zurück, wo das auch auf hohe Akzeptanz stößt, weil das ausgesprochen sympathisch ist, Polizeireiter in einer solchen Naturlandschaft zu begegnen. Meine Kinder finden das immer ganz hervorragend."

    Das sehen viele Menschen, die am Rande der niedersächsischen Elbtalaue wohnen, möglicherweise anders. Nur einen Katzensprung vom Biosphärenreservat entfernt liegt das atomare Zwischenlager Gorleben. Immer wenn in den vergangenen 15 Jahren Atommüllbehälter dorthin transportiert wurden, kamen mit den Castoren auch immer Zehntausende Polizisten ins Wendland. Nicht nur die vielen Castorgegner in der Region verbinden mit den Beamten auch Erinnerungen an Straßensperren, Kontrollen oder Repressalien. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, der es grundsätzlich zwar befürwortet, dass die Bestimmungen stärker als bislang durchgesetzt werden sollen, sieht den Einsatz der Polizeireiter im Naturschutzgebiet kritisch. Heide Filoda von der BUND-Kreisgruppe Lüchow-Dannenberg:

    "Einmal im Jahr ist hier ein massives Polizeiaufgebot, dass die Bevölkerung hier auch schon sehr entnervt ist von den Polizisten, die ja auch oft beritten auftauchen. Wir hätten es besser gefunden, wenn dort Ranger eingestellt werden."

    Der Naturschutzbund Deutschland, der in der Vergangenheit auch viele der ehrenamtlichen Wächter gestellt hat, begrüßt hingegen den Polizeieinsatz im Biosphärenreservat. Oliver Schuhmacher, Referent beim NABU für die Elbtalaue, befürchtet, dass sich kontrollierende Ranger allein nicht gegen die Naturrowdys durchsetzen könnten.

    "Über die wir jetzt sprechen, das sind leider diejenigen, die wahrscheinlich auch durch die Naturwacht belehrbar sind, sondern das ist hier im Prinzip so eine Art rechtsfreier Raum geworden in den letzten Jahren. Wir haben hohe Erwartungen daran, weil die Entwicklung nicht mehr tragbar ist."