Freitag, 19. April 2024

Archiv

Elektrizitätsversorgung
Krim nach Anschlägen weitgehend ohne Strom

1,9 Millionen Menschen sind weitgehend ohne Strom, nachdem zwei Hochspannungsleitungen in der Nacht zu Freitag zerstört worden waren. Jetzt hat Russland für die annektierte Krim-Halbinsel den Notstand ausgerufen. Noch ist unklar, wer für den Stromausfall verantwortlich ist.

Von Florian Kellermann | 22.11.2015
    Auf der Halbinsel Krim sind in der Nacht zum Sonntag (22.11.2015) überall die Lichter ausgegangen.
    Auf der Halbinsel Krim sind in der Nacht zum Sonntag (22.11.2015) überall die Lichter ausgegangen. (dpa / picture alliance / Hannibal Hanschke)
    Kurz nach Mitternacht Ortszeit gingen auf der Krim die Lichter aus. Zunächst war die gesamte Halbinsel mit ihren knapp zwei Millionen Bewohnern ohne Strom.
    Die Reporterin des staatlichen russischen Fernsehsenders Rossija24, Olga Armjakowa, beschrieb die Situation so:
    "Wie immer am Freitagabend waren die Bars und Diskotheken gut besucht, aber nach dem Stromausfall fiel die Stimmung natürlich schnell in den Keller. Die Leute haben nach Taxis gerufen, um nach Hause zu kommen. Wir sind auf den höchsten Punkt von Simferopol gefahren und haben gesehen, dass die ganze Stadt dunkel war."
    "Wir haben alles unter Kontrolle"
    Wichtige Objekte wie Krankenhäuser wurden sofort über Dieselgeneratoren notversorgt. Die Haushalte bekamen erst gegen Morgen wieder teilweise Strom, der mit mobilen Gasturbinen erzeugt wird. In Sewastopol etwa erhalten die Haushalte in verschiedenen Stadtteile heute jeweils für drei Stunden Strom.
    Trotz des ausgerufenen Notstandes beruhigten die Behörden die Bevölkerung, so Michail Schermetew, Vize-Premier der von Russland eingesetzten Krimregierung.
    "Wir haben alles unter Kontrolle, machen Sie sich keine Sorgen. Wir tun unser Möglichstes, damit das Leben der Menschen nur minimal eingeschränkt wird."
    Die Krim ist weiterhin zu einem großen Teil von Energielieferungen aus der Ukraine abhängig, obwohl Russland bereits kurz nach der Annexion vor anderthalb Jahren versprochen hatte, auf der Halbinsel eigene Kraftwerke zu bauen.
    Suche nach den Verantwortlichen
    Noch ist unklar, wer für den Stromausfall verantwortlich ist. Bewohner an der Nordgrenze der Halbinsel hatten in der Nacht auf dem ukrainischen Festland Explosionen gehört: Bisher Unbekannte sprengten im Bezirk Cherson Starkstrommasten und nahmen damit zwei Hochspannungsleitungen außer Betrieb.
    Vermutlich geht die Aktion auf das Konto der Gruppe, die seit September versucht, die Halbinsel von der Ukraine abzuschneiden. Sie setzt sich aus Krimtataren und der nationalistischen Organisation "Rechter Sektor" zusammen. Diese Gruppe blockiert seit zwei Monaten Zufahrtsstraßen und verhindert so die Lieferung von ukrainischen Lebensmitteln.
    Vor wenigen Tagen verübte diese Gruppe einen ersten Anschlag auf Strommasten, der ukrainischen Lieferungen auf die Krim einschränkte. Russland stellte daraufhin als Antwort die Kohlelieferungen in die Ukraine ein. Die Ukraine erzeugt etwa die Hälfte ihres Stroms aus Kohle. Doch seit dem Konflikt im Donezbecken kann sie sich nicht mehr selbst ausreichend mit dem Rohstoff versorgen.
    Die ukrainische Regierung hat sich zur Lebensmittelblockade der Krim nicht positioniert. Sie lässt die Aktivisten gewähren. Anders bei den Anschlägen auf Stromleitungen: Eine Einheit der Nationalgarde umstellte gestern eine Gruppe von Krimtataren, die die Reparatur der zuerst beschädigten Masten verhindern wollte. Dabei kam es zu einem Handgemenge, sieben Menschen wurden verletzt. Die ukrainischen Behörden haben bisher keine Angaben gemacht, wann sie die Stromlieferungen auf die Krim wieder gewährleisten können.
    Hintergrund:
    Die Krim ist bei der Stromversorgung praktisch vollständig auf die Ukraine angewiesen. Eine Verbindung nach Russland gibt es nicht. Laut Aussagen des Vizeministerpräsidenten der Krim kann die Halbinsel gerade einmal ein Drittel ihres Strombedarfs durch Dieselgeneratoren und Wind- und Solarkraft decken. Russland will auf der Krim zwei Gaskraftwerke bauen, um die Halbinsel autark von der ukrainischen Stromversorgung zu machen. Sie sind bisher aber nur in Planung.