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Elektromotorräder
Leise, umweltfreundlich, alltagstauglich

Elektromotorräder sind leise und sie stinken nicht. Doch sind sie auch alltagstauglich und liefern den Fahrspaß, den Motorradfreaks erwarten? Unser Reporter hat eines der ersten vollwertigen Elektro-Motorräder eine Woche lang getestet.

Von Melih Serter |
    Bei strahlendem Sonnenschein mit dem Motorrad zur Arbeit zu fahren, ist schon was Feines. 160 Kilometer sind es hin und zurück nach Köln - kein Problem für ein klassisches Motorrad mit Benzinmotor. Mit einem Elektromotor sieht das schon anders aus. Wo der US-Hersteller verspricht, dass die volle Akkuladung für 200 Kilometer reicht, ist der Importeur Hans Eder, der besonders leistungsstarke Elektromotorräder in Europa vertreibt, zurückhaltender.
    "Bei einer schönen Fahrweise, wie man sie auf liebsten auf so einem Motorrad erlebt, zwischen 90 und 130 sind Sie ungefähr bei einer Reichweite von 140 - 150 Kilometern."
    Also wird es ohne zwischendurch Nachladen kaum reichen. Aber das Ladegerät ist eingebaut und auf dem Soziussitz gibt es eine Tasche mit dem Kabel, das in jede Steckdose passt. Die ersten Meter mit dem E-Motorrad sind gewöhnungsbedürftig. Nicht nur, weil man die Maschine im Stand nicht hört.
    Vollgas kostet Akkuladung
    Die Fahrt nach Köln führt erst einmal mit 100 über die Landstraße - dann 140 auf der Autobahn. Kurzzeitig auch mal Vollgas - knapp 180 steht auf dem Tacho. Zu hören ist nur ein leises Summen des 6-Gang-Getriebes. Die schnelle Fahrweise macht sich allerdings im Verbrauch bemerkbar. Schon nach 40 Kilometern zeigt die Akkuladung nur noch 60 Prozent an. Heißt also, am Ziel angekommen benötigt das Motorrad auf jeden Fall eine Steckdose:
    "Hallo, ich hab eine kleine Frage. Ich hab ein Elektromotorrad. Kann ich ein bisschen Strom haben?"
    "Ja, möglich. Ja - können sie hinten anschließen."
    Wenn der Akku ganz leer ist, brauchen die sieben Lithium-Ionen-Blöcke etwa dreieinhalb Stunden zum Aufladen. Dabei läuft ständig ein Lüfter mit, damit das Ladegerät nicht überhitzt.
    Trotz der Ladezeit können sich auch altgediente Biker mit dem Elektroantrieb anfreunden -zumindest im Stadtverkehr.
    "So für den Alltag ist das Ding ja auch von der Fahrdynamik toll. Gerade jetzt hier Stadt, Ampel, usw.. - Wenn man das Motorrad braucht, um zur Arbeit zu fahren; und das möglichst preisgünstig, dann denke ich, macht es einen Sinn."
    Brammo, BMW, KTM, Peugeot, Zero, Lightning, ja sogar Harley Davidson - Immer mehr Motorradhersteller bieten inzwischen Elektro-Antriebe in ihrem Sortiment an. Für die Umwelt sehr sinnvoll, sagt Gerd Lottsiepen, Sprecher des Verkehrsclub Deutschland (VCD). Ganz besonders die Abgas- und Lärmbelästigungen in den Innenstädten würden sich durch Elektro-Motorräder drastisch reduzieren.
    "Also im Vergleich zu einem modernen PKW stößt ein Motorrad ohne Katalysator 100 Mal mehr gesundheitsschädigende Abgase aus. Beim Lärm ist es so, dass Motorräder oft das lauteste Ereignis ist. Motorräder müssen leise werden und E-Motorräder sind natürlich leise."
    Allerdings wird ein Elektro-Motorrad nur dann ökologisch sinnvoll, wenn man regelmäßig damit fährt, meint Gerd Lottsiepen.
    "Die Batterieproduktion ist extrem energieaufwendig. Man braucht auch seltene Stoffe, die erst einmal geborgen werden müssen. Also ein Elektromotorrad darf nicht nur ein Spielzeug sein, was nur zwei bis drei Mal im Jahr ausfährt. Sondern es muss schon viel genutzt werden."
    Schlecht wahrnehmbar
    In Punkto Sicherheit und Geräusche müssten sich die Hersteller aber noch etwas einfallen lassen. Zu leise Elektrofahrzeuge seien nämlich auch gefährlich, sagt Gerd Lottsiepen. Kinder, ältere oder sehbehinderte Menschen sollten die schnellen Motorräder schon irgendwie wahrnehmen können.
    Während europäische und chinesische Hersteller ihren Fokus auf Elektro-Roller setzen, bauen Kanadier und US-Hersteller eher schwere Maschinen. Mit denen können sich Bikerfahrer auch in typischen Bikerkneipen blicken lassen, ohne ausgelacht zu werden, glaubt der Chopperfahrer Mario.
    "...und ich würde sagen, dass jeder sich die Augen verglotzen würde. Es sind nicht alle dafür, weil das halt eben kein Geräusch macht, aber 80 Prozent wäre sehr interessiert."
    Und tatsächlich: Wer mit einem Elektro-Motorrad an Bikertreffpunkten vorfährt, wird innerhalb weniger Minuten in ein Gespräch verwickelt. Viele Motorradfahrer sind erst einmal skeptisch. Ein E-Motorrad kann doch niemals einen Benziner ersetzen, ist der meistgehörte Satz. Motorradfahrer Michael darf sich vom Gegenteil überzeugen.
    "Beschleunigungswerte super, interessant - ich würd die jetzt mal bei 80 bis 90 PS einschätzen. Schön ist anfahren ohne Kupplung. Find ich toll, das hat was."
    Neben Motorradfahrern zeigen aber auch Anwohner Interesse an dem E-Motorrad. Eine junge Mutter mit Kinderwagen ist begeistert von dem lärmlosen Bike.
    "Als Anwohner einer Straße, auf der Autos und Motorräder fahren, hört man das ja alles, und es ist sehr angenehm, wenn die Fahrzeuge nicht so laut sind."
    Noch sind die Preise wegen der teuren Akkus stolz. Für ein E-Roller oder Motorrad muss der Fahrer gut das Doppelte hinlegen wie für ein leistungsmäßig vergleichbares herkömmliches Modell. Dafür aber kostet jeder gefahrene Kilometer mit dem E-Motorrad nur drei Cent und es gibt fünf Jahre Garantie auf die teuren Akkus.