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Elektronische Hilfe

Keine Diskussionen mehr, ob ein Ball im Tor war oder nicht. Bei den großen FIFA-Veranstaltungen bekommen die Schiedsrichter von nun an technische Hilfe. Die Torlinientechnologie ist seit dieser Woche Bestandteil des Weltfußballs. Bei der Klub-Weltmeisterschaft in Japan sind zwei Systeme im Einsatz.

Von Daniel Theweleit |
    Keine drei Jahre her, da saß Jerome Valcke auf einem Podium in Cardiff und verkündete einen endgültige Entscheidung. Das Thema technische Hilfsmittel im Fußball werde nie wieder auf die Tagesordnung kommen, sagte der Generalsekretär des Fußball Weltverbandes im März 2010. Das International Football Association Board, das über die Regeln des Spiels wacht, hatte alle Argumente für eine Torlinientechnologie fort gewischt. Es gebe keine funktionierendes System hieß es. Außerdem lebe der Fußball von seinen vielen kontroversen Diskussionen, die auch durch Fehlentscheidungen der Schiedsrichter genährt würden. Umso erstaunlicher klangen die geradezu euphorischen Worte, die Valcke in dieser Woche wählte.

    "Dies ist ein großer Tag, denn es ist das erste mal, dass die Torlinientechnik offiziell in Spielen zur Anwendung kommt. Bisher handelte es sich nur um Experimente. Man kann sagen, dies ist eine Art Revolution, denn die Einführung der Systeme heißt auch, dass die Technik beim Cofederations Cup und bei der Weltmeisterschaft eingesetzt wird."

    Von nun an sollen bei allen großen Fifa-Veranstaltungen Technologien zum Einsatz kommen, die den Schiedsrichter darüber Informieren, ob ein Ball die Linie überschritten hat oder nicht. Strittige Szenen, wie das Wembley-Tor im WM-Finale von 1966 oder eindeutige Fehlentscheidungen, wie in der Partie zwischen Deutschland und England 2010, wird es künftig nicht mehr geben. Zumindest, wenn die Technik funktioniert. Und da hat Valcke keine Zweifel.

    "Wir haben unterschiedlichste Tests unter allen möglichen Bediungen durchgeführt. An einem sonnigen Tage, bei Schneefall, bei Regen, Hitze, Kälte, Nebel. Es war ein sehr professioneller Prozess, man kann sich ja vorstellen, was für eine Verantwortung wir tragen."

    In einem Ausschreibungsverfahren wurden zehn Systeme getestet, von denen zwei die erforderliche Zertifizierung erhalten haben: das deutsche GoalRef, das mit einem Magnetfeld rund um die Tore und einem Drahtnetz in den Bällen arbeitet. Und das kamerabasierte HawkEye. Diese beiden Innovationen dürfen von nun an im Wettkampf eingesetzt werden. Theoretisch auch in der Bundesliga oder in den Europapokalwettbewerben. Bei der Klub-WM in Japan werden nun die Weichen gestellt, welche Technik den Markt vorerst dominieren wird. Denn das in den Augen der Fifa geeignetere System wird beim Confederations-Cup im kommenden Sommer zum Einsatz kommen. Und sehr wahrscheinlich auch bei der Fußball-WM in Brasilien 2014. Und dabei geht es längst nicht nur darum, ob alle Tore akkurat angezeigt wurden, erläutert René Dünkler, vom Fraunhofer-Institut, der GoalRef mitentwickelt hat.

    "Es ist einfach so, dass man in den nächsten Spielen unter Wettbewerbsbedingungen so ein System einsetzt. Dazu gehört nicht nur, dass das System eingesetzt wird, sondern dazu gehören auch die Vor und die Nachbereitungen, also, wie gut und wie schnell kann ich das Installieren, und wie gut ist der Service drumherum und so weiter,"

    Welche Rolle die Genauigkeit der Systeme am Ende für die Fifa spielt, ist hingegen unklar. In den Testverfahren wurde eine erstaunlich große Fehlertoleranz von bis zu plus-minus 3 Zentimetern definiert. Dieser seltsam ungenaue Wert hat wohl auch die Deutsche Fußball-Liga dazu bewegt, in der Saison 2013/2014 noch auf die technische Hilfsmittel zu verzichten. Zumal das von den Deutschen favorisierte GoalRef-System in der Kategorie Genauigkeit scheinbar nicht mit dem HawkEye mithalten kann.
    "Es ist natürlich klar, dass jedes System eine Spezifikation hat. Diese Spezifikation wurde von der Fifa letztendlich rausgegeben. Und sich in dieser Toleranz sich verhalten muss. Also es handelt sich meist um ein bis zwei Zentimeter. Aber meines Erachtens auch mit einer hohen Genauigkeit dem menschlichen Auge gegenüber und auch anderen Systemen."

    sagt Ingenieur Dünkler, dessen Produkt technisch einfacher, und mit derzeit rund 300.000 Euro pro ausgestattetem Stadion auch günstiger ist als die Konkurrenz aus England. Eine Arena mit dem HawkEye auszurüsten erfordert eine Investition von rund 430.000 Euro. Summen, die zeigen, was für ein großes Geschäft die Torlinientechnik ist. Schließlich ist davon auszugehen, dass weltweit alle Stadien, in denen bedeutende Spiele stattfinden, mit der Technik ausgerüstet werden. Für eine Forschungseinrichtung wie das Fraunhofer Institut, ist das nicht zu bewältigen, sagt Ingenieur Dünkler.

    "Also, das wird längerfristig sicher nicht das Fraunhofer Institut machen, sondern da wird es in irgend einer Art eine Ausgründung geben oder eine Zusammenarbeit mit Partnern geben. Das ist jetzt gerade der Übergang dann sicherlich."

    Ganz grundsätzlich können aber auch noch andere Unternehmen, wie die Firma Cairos, die mit ihrem Chip im Ball auf der Strecke geblieben war, das Fifa-Zertifikat erwerben und ins Geschäft einsteigen. Cairos hat schon Pläne angekündigt, die eigene Technik für eine Pauschale von 2500 Euro pro Spiel anzubieten. Wer der Marktführer in diesem Millionengeschäft werden wird, dürfte sich trotzdem schon in Japan entscheiden, denn dort werden die Weichen für die WM 2014 gestellt. Und so ein Weltturnier ist ganz bestimmt der beste Werbung für die Torlinientechnikanbieter.