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Elektronischer Co-Pilot

Technik. - Überschwemmungskatastrophen wie die in Großbritannien und Südostasien bedeuten für Hubschrauber-Piloten häufig Dauereinsatz. Denn ihre Fähigkeit, Außenlasten wie Sandsäcke und Hilfsgüter aus der Luft punktgenau dort absetzen zu können, wo sie gerade am nötigsten gebraucht werden, macht sie zu gefragten Krisenhelfern. Um den gestressten Piloten die Arbeit zu erleichtern, haben Braunschweiger Forscher jetzt eine Art elektronischen Copiloten entwickelt, mit dem selbst ungeübte Flieger ihre Außenlast sicher ans Ziel bringen.

Von Ralf Krauter |
    Einen Hubschrauber zu fliegen – das ist vergleichbar damit, auf einem Einrad sitzend mit sieben Keulen zu jonglieren. Ständig müssen dosierte Steuerbefehle gegeben werden, und zwar gleichzeitig mit beiden Händen und Füßen. Eine zusätzliche Außenlast, die an einem Seil unter dem Helikopter pendelt, macht das Ganze noch anstrengender, erklärt Dr. Christoph Kessler, vom Institut für Flugsystemtechnik des deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt in Braunschweig.

    "Es gibt Aussagen, die da heißen, dass nahezu jede Außenlast unter einem Hubschrauber instabil werden kann, wenn der Pilot sich nicht richtig verhält. Bei kommerziellen Firmen, die Außenlast-Transporte anbieten - beispielsweise um Antennenspitzen auf irgendwelche Masten zu setzen oder in den Alpen irgendwelche höheren Lagen zu versorgen - werden in aller Regel sehr erfahrene Piloten eingesetzt. Leider sind die in aller Regel nicht in unbegrenzter Anzahl verfügbar."

    Gemeinsam mit seinen Kollegen hat Christoph Kessler deshalb einen elektronischen Helfer entwickelt, der es selbst ungeübten Piloten erlaubt, Sandsäcke und Hilfsgüter sicher ans Ziel zu bugsieren. Das Assistenz-System besteht aus drei Teilen. Ein etwa eimergroßer Sensor, der ins Lastseil eingehängt wird, misst die Pendelbewegungen der Außenlast relativ zum Hubschrauber. Ein zweiter Sensor misst die Bewegungen des Hubschraubers selbst. Aus beiden Signalen berechnet ein Computer dann die Informationen, die der Pilot braucht, um seine Maschine samt Außenlast stabil in der Luft zu halten. Um zu demonstrieren, wie hilfreich das ist, zeigt Christoph Kessler Videoaufnahmen eines Testflugs. Kessler:

    "Was Sie hier sehen, ist der Sensor am Seil. Das ist der Versuchshubschrauber Bo 105, den das DLR zu Zwecken der Flugerprobung betreibt. Der startet jetzt gerade und nimmt eine sehr, sehr leichte Außenlast auf. Die hat circa 50 Kilogramm Gewicht und ist aerodynamisch ein Problemfall. Sie ist speziell ausgelegt worden für diese Zwecke, das heißt, sie fängt sehr leicht an zu schwingen."

    Die Außenlast am Seil hat die Form einer Gasflasche, wie sie in Chemielabors zum Einsatz kommen. Zu Beginn des Versuchs versetzt der Testpilot sie absichtlich so stark in Schwingung, dass sie alle paar Sekunden im linken oder rechten Cockpit-Fenster sichtbar wird. Kessler:

    "Sie sehen hier jetzt gerade die Last pendeln. Und jetzt sehen Sie plötzlich, dass der Hubschrauber anfängt zu wackeln, das heißt, der Pilot steuert etwas. Und er braucht zwei Sekunden und die Last hängt wieder ganz stabil unter dem Hubschrauber und hatte vorher Pendelausschläge von 60 Grad nach rechts und nach links, das heißt, man konnte sie durchs Fenster sehen. Und das ist eine so gefährliche Situation, dass der ungeübte Pilot sie mit Sicherheit abgeworfen hätte."

    Mit dem Außenlast-Assistenten kann er das Pendeln seiner hängenden Fracht nun bereits im Keim ersticken. Welche Steuerbefehle dazu nötig sind, erkennt der Pilot auf dem Display eines Taschencomputers, den er sich ans Bein geschnallt hat. Seine Anzeige ähnelt jenem künstlichen Horizont, den Piloten normalerweise benutzen, um ihre Maschine gerade zu halten. Zeigt das Display eine Schräglage an, steuert der Pilot deshalb intuitiv richtig gegen und bringt dadurch die Außenlast wieder ins Lot. Kessler:

    "Denken Sie doch einfach nur die ganzen Rettungseinsätze der Bundeswehr im Rahmen der Oder-Überflutung. Ich weiß nicht, ob sie noch die Bilder im Kopf haben, wie häufig die Bundeswehr-Piloten da Sandsäcke hin und her geflogen haben. Und hier sind die Bundeswehr-Piloten, weil sie viele, viele Stunden am Tag fliegen mussten, an die physischen Leistungsgrenzen herangekommen. Und unser System kann ihnen sehr gut helfen, das in den Griff zu bekommen, da sie sich nicht so sehr konzentrieren müssen."

    Kein Wunder, dass die Bundeswehr interessiert ist. Bei der wehrtechnischen Dienststelle in Manching laufen derzeit Flugversuche, bei denen Piloten die Einsatzreife des elektronischen Helfers testen.