Der 59 Jahre alte Schweizer, Peter Rudin, weiß wovon er spricht. 14 Jahre Lehrlingszeit benötigte der ehemalige Manager bevor er den Gang an die Börse wagte. Im August dieses Jahres soll sein Unternehmen UPAQ als Aktiengesellschaft an den Start gehen - sein Geschäft: der elektronische Handel. Sein Ziel: Erlöse im dreistelligen Millionenbereich. Vom Kleinunternehmer zum Mittelständler: Peter Rudin hat mit dem Internet ein Sprungbrett für seine späte Unternehmerkarriere gefunden. Der einstige Initiator des größten Schweizer Internetanbieters - Blue Window - will nun mit dem Unternehmen UPAQ einen digitalen Dokumenten- und Briefdienst aus der Taufe heben. Große Pläne brauchen großes Geld - 30 Millionen Schweizer Franken Risikokapital hat Rudin in den vergangenen neun Monaten eingesammelt - für europäische Verhältnisse eine beträchtliche Summe und ein großer Vertrauensvorschuss für eine Unternehmensgründung - den sogenannten Start-Up.
Immer mehr Unternehmen drängen in das Internet und suchen nach neuen Geschäftsmöglichkeiten. Das weltweite Computernetz - das Internet - sorgt für einen Paradigmen-Wechsel in der Wirtschaft. Der Schlüssel zum Erfolg lautet: E-Commerce, der elektronische Handel. Mit der neuen Technik können mehr Informationen zu geringeren Kosten verarbeitet werden. Eine bislang teure Infrastruktur wird nun für jeden Wirtschaftsteilnehmer zu akzeptablen Preisen zugänglich, zumindest in den Industrieländern. Diese Entwicklung ist in den Ansätzen mit der Erfindung des Telefons und Telefax vergleichbar. So prognostizieren Experten, dass die digitale Revolution das Ende der Industriegesellschaft einleitet und sprechen bereits von der bevorstehenden Internet-Ökonomie. Die Digitalisierung schafft neue Rahmenbedingungen für die Unternehmen. So können die Betriebe durch die Vernetzung ihrer Computer die Automatisierung vorantreiben und ihre Produktivität steigern.
E-Commerce bezeichnet dabei die elektronischen Geschäftsbeziehungen zwischen Firmen und ihren Lieferanten - oder zum Verbraucher. Im Idealfall könnten alle Geschäftsprozesse, von der Beschaffung über die Produktion bis zu Marketing und Logistik über das Internet abgewickelt werde. Der elektronische Handel verändert somit die bisherigen Markt- und Unternehmensstrukturen. Sogenannte Wertschöpfungsketten werden aufgebrochen. Die Transaktionskosten sinken. Kunden bestellen nicht mehr beim Einzelhandel, Hersteller überspringen in der Handelskette den Großhandel und liefern zeitgenau - just-in-Time - an den Verbraucher. So fertigt zum Beispiel der US-Computerhersteller Dell nicht mehr auf Lager, sondern lässt nur nach individueller Bestellung produzieren - direkt vom Werk. Lagerkosten und die damit verbundene Kapitalbindung fallen nicht an.
Sinken durch das durch das Internet die Kosten ? Die Unternehmer und Fachautoren Thomas Siebel und Pat House geben zu bedenken, dass durch die Individualisierung der Nachfrage die traditionelle Massenproduktion keinen Bestand mehr haben wird. Homogene Märkte und eine stabile Nachfrage dürften bald der Vergangenheit angehören, vermuten die Experten. Damit werden auch die Kostenvorteile der Massenproduktion geschmälert. Dennoch: Der Gesamtnutzen des elektronischen Handels scheint zu überwiegen. Nach Schätzungen der OECD könnte der elektronische Handel die gesamtwirtschaftlichen Kosten in den Industrieländern um einen halben bis zu ¾ -Prozentpunkte senken. Einige Branchen dürften überproportional von den Eigenschaften des E-Commerce profitieren. So rechnet die OECD, dass die Kosten für den Vertrieb für Software um 97 Prozent sinken, Bankdienstleistungen könnten bis zu 89 Prozent günstiger erbracht werden und der Verkauf von Flugtickets bis zu 87 Prozent.
In der Industrie könnte der Einkauf über das Internet zum strategischen Erfolgsfaktor avancieren. Die drei weltgrößten Automobilkonzerne DaimlerChrysler, Ford und General Motors wollen ihren Einkauf im Internet bündeln und einen weltweiten Ersatzteilmarkt etablieren. Die Unternehmen geben im Jahr etwa 200 Milliarden Dollar für Zulieferteile aus und wollen die Kosten senken. Laut einer Studie der Investmentbank Goldman-Sachs seien Einsparungen von 500 bis Tausend Dollar je Fahrzeug möglich. Die Zuliefererbetriebe gehen schweren Zeiten entgegen, die europäische Konkurrenz der Automobilhersteller hat bereits reagiert. Hendrik Emmerich von der Investmentbank Helaba Trust.
Hendrik Emmerich: "Sicherlich wird dort ein sehr großer Wettbewerbsdruck erfolgen. VW hat ja kurze Zeit später bereits bekanntgegeben, dass es zusätzlich eine eigenständige Internetplattform für den Einkauf von Teilen schaffen möchte. Sicherlich auch in Anspielung an das gemeinsame Portal von Daimler/Chrysler mit General Motors und Ford. Bereits beigetreten sind diesem Portal, die Hersteller mit Renault und Nissan und es wird auch erwartet, dass einige japanische Produzenten dieser Plattform beitreten, weil sie eben große Produktivitätsfortschritte im Einkauf mit erheblichen Kosteneinsparungen ermöglicht."
Doch es sind nicht nur die klassischen Industrie-Unternehmen, die sich die Vorteile des E-Commerce zu Nutze machen wollen. Die Finanzwirtschaft, die Werbebranche und die Medienkonzerne finden mit dem Internet einen neuen Vertriebsweg. Das Bankkonto per Computer erspart die Filiale, zielgruppenorientierte Werbung vermeidet Streuverluste und Musik auf Abruf in Form von Dateien verdrängt die Compact-Disk - CDs und Schallplatten. In der Medienbranche diktieren mittlerweile die Neueinsteiger das Tempo. Anfang des Jahres gab der Internetdienst AOL den Plan bekannt, den weltgrößten Medienkonzern Time Warner im Rahmen eines Aktientausch zu übernehmen. Die Fusion hat einen Marktwert von 665 Milliarden Mark. Die Kleinen jagen die Großen. Nach Ansicht des Medienbeauftragen Nordrhein Westfalen, Helmut Thoma, war die Ankündigung der Fusion ein Paukenschlag ins neue Jahrtausend.
Helmut Thoma: "Damit ist eigentlich ausgedrückt, dass das Internet nicht nur erwachsen, sondern eine ungeheure Kraft geworden ist. Denn das größte Medienunternehmen der Welt ist jetzt geschluckt worden von einem Unternehmen, dass praktisch vor 1990 noch nicht einmal bestanden hat und 91 an die Börse gegangen ist. Das zeigt, welche gewaltige Entwicklung diese Entwicklung genommen hat.
Eine Entwicklung, die Anlass zur Sorge gebe, meint Tim Berners-Lee. Der Mathematiker ist der Erfinder des grafikorientierten Computernetzes - des World Wide Web - und hat die Grundlage für die heutigen kommerziellen Anwendungen im Internet geschaffen. Tim Berners-Lee glaubt, dass Großfusionen wie die von AOL und Time Warner die Unabhängigkeit des Internet gefährden könnten und fordert eine Trennung von Inhalt und Technik. Die Wettbewerbshüter können hingegen bislang keine marktrelevanten Verstöße beim elektronischen Handel ausmachen. Im vergangenen Jahr ließ das Bundeskartellamt noch wissen, dass die Behörde trotz des Konzentrationsprozesses auf dem Markt für Internet-Serviceleistungen keine Wettbewerbsverzerrungen erkenne könne. Die Folgen des elektronischen Handels im Internet - des E-Commerce - und dessen Wirkungen auf den Wettbewerb seien nicht absehbar. Möglicherweise stünden vielen Branchen vor einer völligen Neuordnung ihrer Vertriebsstrukturen.
Der elektronische Handel kennt keine geographischen und nationalen Grenzen. Im Internet verwischen die bisherigen Strukturen der regionalen Märkte. Es gibt nur noch den virtuellen Marktplatz - weltweit. In diesem Umfeld fällt es den Kartellwächtern schwer, die Marktkonzentration zu messen. Denn eine Frage bleibt vorerst unbeantwortet: Was ist der relevante Markt und wer sind die zukünftigen Konkurrenten eines Unternehmens ?
So rechnen die Marktforscher von "Forrester Research", dass der Umsatz des Elektronischen Handels im Jahre 2004 allein in Deutschland bereits 406 Milliarden EURO ausmachen wird. Das wären 6,7 Prozent des Gesamthandelsaufkommens.
Den größten Anteil an diesem Wachstum würden die Unternehmen demnach selbst haben. Der Geschäftsverkehr zwischen Lieferanten und Produzenten - der sogenannte "b to b" oder "business-to-business" -Bereich - werde in vier Jahren 87 Prozent des gesamten europäischen E-Commerce ausmachen. Für Europa wären das 1,3 Billionen Euro Umsatz- so lautet die optimistische Prognose. Tendenz steigend.
Die Informations- und Kommunikationsbranche boomt. Nach Angaben von EITO - des "European Information Technology Observatory" - konnte diese Branche 1999 in Westeuropa um über 12 Prozent wachsen. Die Verknüpfung der verschiedenen Informationstechnologien sorgt dabei für einen Wachstumsschub und ermöglicht den Grenzanbietern den Marktzugang. Prof. Michael Dowling von der Universität Regensburg.
Michael Dowling: "Die Firmen, die bisher erfolgreich waren, haben erkannt wie kann man aus einer Barriere einen Eintrittsweg machen. Im Mobilfunkbereich - Mobilfunk plus Internet - sagen auch die amerikanischen Experten, dass Europa das Gebiet der Zukunft sein wird. Durch GSM, durch einen einheitlichen Standard ist Europa jetzt viel weiter als die USA, wo über Jahre für verschiedene Standards gekämpft wurde."
Die Markteintrittsbarrieren sinken. Gerade kleinere Unternehmen können Dienstleistungen anbieten, die bislang kapitalkräftigen Großunternehmen vorbehalten waren. Dieser Wachstumsschub lockt vor allem junge Unternehmen ins Netz - die e-companies, die elektronischen Unternehmen, die ohne großen Verwaltungsapparat, Gebäude und Personal auskommen. Prof. Arnold Picot von der Universität München
Arnold Picot: "Die daraus hervorgehenden - und zum großen Teil sehr schnell wachsenden E-Companies - bringen vielfach radikale Änderungen der herkömmlichen Unternehmensphilosophien, Wertschöpfungsketten und Spielregeln mit sich. Digitalisierung und Internet scheinen zum Rückrat einer neuen Gründungsökonomie - zumindest in den Telekommunikations-, Informations- und Medienbranche - einschließlich ihrer Anwenderbranchen - zu werden. Es ist daher nicht übertrieben, von einer neuen Gründerzeit zu sprechen."
Die Unternehmensgründer stoßen mit ihren Kreditwünschen in der Finanzwelt auf einen zweigeteilten Markt. Auf der einen Seite sind die Banken: Innovative Geschäftsideen finden bei den Kreditinstituten wenig Gefallen. Ohne Sicherheiten vergeben die Finanzinstitute keine Kredite. Allein auf die vagen Aussagen des Geschäftsplanes wollen die Banken sich in aller Regel nicht verlassen.
Auf der anderen Seite treten die sogenannten Wagniskapitalgesellschaften auf den Plan. So verzeichnet der "Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften" eine lebhafte Nachfrage nach Risikokapital. Im vergangenen Jahr haben die Mitgliedsfirmen des Verbandes 5,2 Milliarden Mark in 1406 Unternehmen investiert. Bis zu 3,1 Millionen Mark fließen durchschnittlich in einen Start-Up - eine Neugründung. Oliver Bormann von der Risikokapitalgesellschaft bmp.
Oliver Bormann: "Ich glaube, wir haben die größte Geldwanderung der Geschichte der Menschheit. Das ist eine völlig neue Allokation der Ressourcen. Wenn diese Unternehmen nicht so teuer bewertet werden, würden nicht so unendlich viel Geld in diese Industrie, in die New Economy, fließen. Und damit würden wir nicht so schnell vorankommen, wie wir da heute tun. Das ist auch ein riesengroßer Pluspunkt und der überwiegt auch eine wenig die negative Seite - Die Jungunternehmer, die noch nie eine Pleite erlebt haben, die nicht wissen wie schwer Business ist und die Denken, dass sie einfach mit einem "Me-Too" Produkt irgendwie Millionär werden."
Dabei versuchen etablierte Konzerne auf den fahrenden Zug der Gründergeneration aufzuspringen. Sie finanzieren Jungunternehmer aus der eigenen Tasche. So zählt der Chiphersteller Intel zu den größten Risiko-Kapital-Gebern in den USA, immer auf der Suche nach neuen Ideen. Der Konzern unterstützt junge Firmen, die sich mit Produkten und Software rund um den Computer beschäftigen. Das Wagniskapital von Intel beträgt 4,8 Milliarden Dollar. 275 Firmen werden von dem Marktführer unterstützt. Ein Trend, der sich auch in Deutschland durchsetzt. Die Deutsche Telekom AG oder Bertelsmann gehen auf Einkaufstour und beteiligen sich an Unternehmensgründungen - und das nicht ohne eigenes Interesse.
So hat die Deutsche Telekom AG im Oktober 1997 eigens die Wagniskapitalgesellschaft "T-Venture" gegründet. Das Startkapital: 300 Millionen Mark. Das Geld floss in 34 Beteiligungen, davon 14 in Deutschland und 13 in die USA. Der erste Fonds in Höhe von 100 Millionen Mark brachte der Telekom-Tochter einen satten Gewinn von 150 Prozent - vor Steuern. Doch die Telekom interessiert sich vor allem für die neuen Produkte der Unternehmensgründer. T-Venture-Geschäftsführer Thomas Kühr:
Thomas Kühr: "Um Venture-Capital erfolgreich zu machen, braucht man tiefe Taschen. Das ist auch eine amerikanische Erfahrung. Wir versuchen die Telekom und die Business-Units der Telekom als Partner ins Boot zu bringen. Mit anderen Worten: Wenn wir eine Firma finden, von der wir glauben, dass sie Wachstumschancen hat und dass sie ein Produkt hat, das die Telekom interessieren könnte, dieses Produkt abzunehmen als Kunde, dann versuchen wir diese Verbindung so schnell wie möglich herzustellen."
Im Falle einer Minderheitsbeteiligung können die Gründer weiterhin ihre eigenen Ziele verfolgen. Doch allzu schnell werden die Jungunternehmer vom Kapitalgeber in die Enge getrieben, warnt Eberhard Färber, Gesellschafter der IXOS Software AG.
Eberhard Färber: "Es ist oft nicht die wirkliche Wahrheit. Wenn sich Entrepreneure - das ist für mich im Plural, das ist für mich ein Team - auch ein bisschen Erfahrung darunter mischen, dann können sie erfolgreich selbständige Unternehmen bleiben. Und müssen nicht ein Mehrheits-Abhängigkeitsverhältnis geraten. Weil - es ist selbstverständlich noch so in Deutschland, dass diese Machtausübung, die mit 25, 1 Prozent ganz deutlich formuliert wird, als notwendig angesehen wird. Sie ist nicht notwendig. Was uns noch fehlt, ist noch eine vernünftige Entrepreneur-Kultur."
Bertelsmann gibt sich hingegen mit 25,1 Prozent - mit einer Minderheitsbeteiligung - nicht zufrieden. Der Gütersloher Medienkonzern, der das elektronische Mediengeschäft mit Nachdruck ausbaut, sucht in aller Regel auch die Mehrheit am Kapital, so auch 1997 als Bertelsmann die Internet-Preisvergleichsagentur "Dealpilot" übernahm. Gegründet von den beiden Studenten Christoph Janz und Cristopher Münchhoff wird das virtuelle Unternehmen mittlerweile von einer professionellen Managerin aus dem Hause Bertelsmann geführt. Vorstandsvorsitzende Elisabeth Schick zu den Gründen:
Elisabeth Schick: "Die zwei Gründer, die mit einem sehr kleinen Team gearbeitet haben - aus der Studentenbude herausgearbeitet haben, haben einfach gemerkt: den nächsten Schritt können sie einfach so nicht mehr machen. Und was wir in den vergangenen vier Monaten gemacht haben: wir haben zwei Büros gegründet - eins in Heidelberg, eins in New York. Ich habe zwei Teams zusammengestellt - eins für Europa, eins für die USA und das heißt: wir gehen einen riesen Schritt nach vorne, den die beiden alleine nicht hätten gehen können - wo sie einfach auch Erfahrung und Unterstützung brauchten. Ich würde sagen, wir ergänzen uns sehr gut. Ich habe keine Ahnung, wie das Betriebssystem Linux funktioniert. Das machen die Freaks. Aber wie gründe ich ein Office, welche administrativen Dinge muss ich berücksichtigen und ich denke, diese Ergänzung von Erfahrung und auch von Marketingerfahrung mit der Begeisterung in so einer Start-Up-Firma, das zusammen zu bringen, das beste von beiden Welten, das führt auch dazu, dass wie ein klasse Verhältnis haben."
Die beiden Gründer Janz und Münchhoff glauben, mit Bertelsmann den richtigen Partner gefunden zu haben. Die Allianz ist mehr als eine Zweck-Ehe. Für Bertelsmann ist die Beteiligung ein Baustein in der strategischen Ausrichtung "E-Commerce", für die Unternehmensgründer ein Ausweg aus der unsicheren Finanzierung. Denn die Gefahr ist groß, dass unerfahrene Gründer in das juristische Räderwerk der Beteiligungsgesellschaften geraten. Die Venture-Capital-Gesellschaften wollen das Risiko begrenzen und in schwierigen Phasen notfalls in das Management eingreifen. Im schlimmsten Fall steht der Unternehmensgründer vor der Tür der eigenen Firma. Vor allem amerikanische Beteiligungsgesellschaften sichern sich über detaillierte Verträge ab. Peter Rudin von der Gesellschaft UPAQ.
Peter Rudin: "Wir haben einen Kulturschock hinter uns. Nämlich als wir von einem amerikanischen Venture-Kapital-Geber - wir hatten zwei zum Glück, die miteinander konkurrierten - einen amerikanischen Shareholder-Agreement auf dem Tisch bekamen. Siebzig Seiten ! Sechs Anwälte haben versucht dieses Silicon Valley Produkt in einen schweizerischen Zustand zu bewegen. Das war unmöglich. Und dann ging uns ja langsam Geld aus."
Eine bittere Erfahrung, die in den siebziger Jahren einen Existenzgründer in das wirtschaftliche Aus getrieben hätte. Eberhard Färber, heute Gesellschafter der IXOS Software AG, musste vor 20 Jahren sein erstes Unternehmen aus Geldmangel verkaufen. Es wuchs zu schnell und die Finanzierung stand auf wackeligen Beinen. Heute habe sich die Situation grundlegend geändert, sagt Färber. Der Neue Markt an der Frankfurter Börse erlaube den Kapitalbeteiligungsgesellschaften den Ausstieg aus ihren Investments. Die sogenannte Exit- Strategie war den Unternehmern lange Zeit in Deutschland verwehrt, bestätigt Thomas Haffa, Geschäftsführer der EM.TV & Merchandising AG
Thomas Haffa: "Über viele Jahre hinweg haben mir meine amerikanischen Geschäftsfreunde gesagt "You have to go public. You have to take your company public." Nur wie konnten es nicht. Es gab in Deutschland einfach nicht den Markt dafür. Die Amerikaner, die Engländer waren es gewohnt zu tun mit der Nasdaq in Amerika und konnte ihre Unternehmen wesentlich schneller und erfolgreicher entwickeln als wir es konnten."
Der Neue Markt an der Frankfurter Wertpapierbörse wirke dabei wie ein Ventil für den Innovationsstau. Doch der Börsengang ist in aller Regel mit zahlreichen Fragezeichen versehen.
Denn der Erfolg lässt sich bei einigen Unternehmen auf sich warten: Zahlreiche Börsenneulinge schreiben tiefrote Zahlen und es ist ungewiss, ob sie je Gewinne erwirtschaften werden. Die Folge ist, dass die Kapitalgeber immer kritischer werden. Die Anfangseuphorie gilt nicht mehr uneingeschränkt, auch im Internet ist nicht mehr alles nur Gold, was glänzt.
Nach Ansicht von Oliver Bormann, Chef der Venture- Capital Gesellschaft "bmp", hat sich eine riesige Spekulation entwickelt. Die aktuelle Marktblase werde platzen, wenn die ersten Unternehmen an der Börse scheitern und einige Kapitalgeber hohe Millionenbeträge in zweifelhaften Geschäftsideen verloren haben.
Oliver Bormann: "Wir haben einen Hype zur Zeit - also auch am Markt. Das sind Preise, die pervers und übertrieben sind. Und ich glaube, so entwickelt sich die Branche nicht weiter. Es gibt leider im Markt genug Leute, die diese Preise bezahlen, auch wenn es keinen Sinn macht."
Das Forschungsinstitut Gartner Group rechnet sogar damit, dass drei Viertel aller e-Business-Projekte fehlschlagen werden. Der Grund: schlechte Planung und unrealistischen Erwartungen an die neuen Technologien. Derart pessimistische Prognosen sind zur Zeit nicht gefragt. Die Massenverbreitung des Internet hat einen wahren Goldrausch ausgelöst und die Erwartungen in die Internet-Ökonomie sind groß. Rationalisierung und Wachstum sind die beiden Richtgrößen, an denen sich die Akteure orientieren. Das rasante Tempo im Internet hat den Pulsschlag der "alten Ökonomie" deutlich erhöht - aber so warnt der Schweizer Unternehmer, Peter Rudin, auch in dieser neuen Welt werde man nicht über Nacht zum wahren Unternehmer !
Peter Rudin: "Ich befürchte, dass die, die dieses Wachstum zu schnell vollziehen, dass die später einen psychischen Absturz haben. Und wenn ich manchmal die Gesichtsausdrücke dieser jungen Amerikaner sehe - am Fernsehen - diese pride kids, wenn dann wieder von der Börse gesprochen wird, mache ich mir manchmal um diese Leute Sorge, weil, dass verkraften sie einfach so nicht. Von 20 auf 24 Jahren plötzlich Unternehmer zu sein mit Hunderten von Millionen und zwei hundert Mitarbeitern und nie ein Privatleben."
Immer mehr Unternehmen drängen in das Internet und suchen nach neuen Geschäftsmöglichkeiten. Das weltweite Computernetz - das Internet - sorgt für einen Paradigmen-Wechsel in der Wirtschaft. Der Schlüssel zum Erfolg lautet: E-Commerce, der elektronische Handel. Mit der neuen Technik können mehr Informationen zu geringeren Kosten verarbeitet werden. Eine bislang teure Infrastruktur wird nun für jeden Wirtschaftsteilnehmer zu akzeptablen Preisen zugänglich, zumindest in den Industrieländern. Diese Entwicklung ist in den Ansätzen mit der Erfindung des Telefons und Telefax vergleichbar. So prognostizieren Experten, dass die digitale Revolution das Ende der Industriegesellschaft einleitet und sprechen bereits von der bevorstehenden Internet-Ökonomie. Die Digitalisierung schafft neue Rahmenbedingungen für die Unternehmen. So können die Betriebe durch die Vernetzung ihrer Computer die Automatisierung vorantreiben und ihre Produktivität steigern.
E-Commerce bezeichnet dabei die elektronischen Geschäftsbeziehungen zwischen Firmen und ihren Lieferanten - oder zum Verbraucher. Im Idealfall könnten alle Geschäftsprozesse, von der Beschaffung über die Produktion bis zu Marketing und Logistik über das Internet abgewickelt werde. Der elektronische Handel verändert somit die bisherigen Markt- und Unternehmensstrukturen. Sogenannte Wertschöpfungsketten werden aufgebrochen. Die Transaktionskosten sinken. Kunden bestellen nicht mehr beim Einzelhandel, Hersteller überspringen in der Handelskette den Großhandel und liefern zeitgenau - just-in-Time - an den Verbraucher. So fertigt zum Beispiel der US-Computerhersteller Dell nicht mehr auf Lager, sondern lässt nur nach individueller Bestellung produzieren - direkt vom Werk. Lagerkosten und die damit verbundene Kapitalbindung fallen nicht an.
Sinken durch das durch das Internet die Kosten ? Die Unternehmer und Fachautoren Thomas Siebel und Pat House geben zu bedenken, dass durch die Individualisierung der Nachfrage die traditionelle Massenproduktion keinen Bestand mehr haben wird. Homogene Märkte und eine stabile Nachfrage dürften bald der Vergangenheit angehören, vermuten die Experten. Damit werden auch die Kostenvorteile der Massenproduktion geschmälert. Dennoch: Der Gesamtnutzen des elektronischen Handels scheint zu überwiegen. Nach Schätzungen der OECD könnte der elektronische Handel die gesamtwirtschaftlichen Kosten in den Industrieländern um einen halben bis zu ¾ -Prozentpunkte senken. Einige Branchen dürften überproportional von den Eigenschaften des E-Commerce profitieren. So rechnet die OECD, dass die Kosten für den Vertrieb für Software um 97 Prozent sinken, Bankdienstleistungen könnten bis zu 89 Prozent günstiger erbracht werden und der Verkauf von Flugtickets bis zu 87 Prozent.
In der Industrie könnte der Einkauf über das Internet zum strategischen Erfolgsfaktor avancieren. Die drei weltgrößten Automobilkonzerne DaimlerChrysler, Ford und General Motors wollen ihren Einkauf im Internet bündeln und einen weltweiten Ersatzteilmarkt etablieren. Die Unternehmen geben im Jahr etwa 200 Milliarden Dollar für Zulieferteile aus und wollen die Kosten senken. Laut einer Studie der Investmentbank Goldman-Sachs seien Einsparungen von 500 bis Tausend Dollar je Fahrzeug möglich. Die Zuliefererbetriebe gehen schweren Zeiten entgegen, die europäische Konkurrenz der Automobilhersteller hat bereits reagiert. Hendrik Emmerich von der Investmentbank Helaba Trust.
Hendrik Emmerich: "Sicherlich wird dort ein sehr großer Wettbewerbsdruck erfolgen. VW hat ja kurze Zeit später bereits bekanntgegeben, dass es zusätzlich eine eigenständige Internetplattform für den Einkauf von Teilen schaffen möchte. Sicherlich auch in Anspielung an das gemeinsame Portal von Daimler/Chrysler mit General Motors und Ford. Bereits beigetreten sind diesem Portal, die Hersteller mit Renault und Nissan und es wird auch erwartet, dass einige japanische Produzenten dieser Plattform beitreten, weil sie eben große Produktivitätsfortschritte im Einkauf mit erheblichen Kosteneinsparungen ermöglicht."
Doch es sind nicht nur die klassischen Industrie-Unternehmen, die sich die Vorteile des E-Commerce zu Nutze machen wollen. Die Finanzwirtschaft, die Werbebranche und die Medienkonzerne finden mit dem Internet einen neuen Vertriebsweg. Das Bankkonto per Computer erspart die Filiale, zielgruppenorientierte Werbung vermeidet Streuverluste und Musik auf Abruf in Form von Dateien verdrängt die Compact-Disk - CDs und Schallplatten. In der Medienbranche diktieren mittlerweile die Neueinsteiger das Tempo. Anfang des Jahres gab der Internetdienst AOL den Plan bekannt, den weltgrößten Medienkonzern Time Warner im Rahmen eines Aktientausch zu übernehmen. Die Fusion hat einen Marktwert von 665 Milliarden Mark. Die Kleinen jagen die Großen. Nach Ansicht des Medienbeauftragen Nordrhein Westfalen, Helmut Thoma, war die Ankündigung der Fusion ein Paukenschlag ins neue Jahrtausend.
Helmut Thoma: "Damit ist eigentlich ausgedrückt, dass das Internet nicht nur erwachsen, sondern eine ungeheure Kraft geworden ist. Denn das größte Medienunternehmen der Welt ist jetzt geschluckt worden von einem Unternehmen, dass praktisch vor 1990 noch nicht einmal bestanden hat und 91 an die Börse gegangen ist. Das zeigt, welche gewaltige Entwicklung diese Entwicklung genommen hat.
Eine Entwicklung, die Anlass zur Sorge gebe, meint Tim Berners-Lee. Der Mathematiker ist der Erfinder des grafikorientierten Computernetzes - des World Wide Web - und hat die Grundlage für die heutigen kommerziellen Anwendungen im Internet geschaffen. Tim Berners-Lee glaubt, dass Großfusionen wie die von AOL und Time Warner die Unabhängigkeit des Internet gefährden könnten und fordert eine Trennung von Inhalt und Technik. Die Wettbewerbshüter können hingegen bislang keine marktrelevanten Verstöße beim elektronischen Handel ausmachen. Im vergangenen Jahr ließ das Bundeskartellamt noch wissen, dass die Behörde trotz des Konzentrationsprozesses auf dem Markt für Internet-Serviceleistungen keine Wettbewerbsverzerrungen erkenne könne. Die Folgen des elektronischen Handels im Internet - des E-Commerce - und dessen Wirkungen auf den Wettbewerb seien nicht absehbar. Möglicherweise stünden vielen Branchen vor einer völligen Neuordnung ihrer Vertriebsstrukturen.
Der elektronische Handel kennt keine geographischen und nationalen Grenzen. Im Internet verwischen die bisherigen Strukturen der regionalen Märkte. Es gibt nur noch den virtuellen Marktplatz - weltweit. In diesem Umfeld fällt es den Kartellwächtern schwer, die Marktkonzentration zu messen. Denn eine Frage bleibt vorerst unbeantwortet: Was ist der relevante Markt und wer sind die zukünftigen Konkurrenten eines Unternehmens ?
So rechnen die Marktforscher von "Forrester Research", dass der Umsatz des Elektronischen Handels im Jahre 2004 allein in Deutschland bereits 406 Milliarden EURO ausmachen wird. Das wären 6,7 Prozent des Gesamthandelsaufkommens.
Den größten Anteil an diesem Wachstum würden die Unternehmen demnach selbst haben. Der Geschäftsverkehr zwischen Lieferanten und Produzenten - der sogenannte "b to b" oder "business-to-business" -Bereich - werde in vier Jahren 87 Prozent des gesamten europäischen E-Commerce ausmachen. Für Europa wären das 1,3 Billionen Euro Umsatz- so lautet die optimistische Prognose. Tendenz steigend.
Die Informations- und Kommunikationsbranche boomt. Nach Angaben von EITO - des "European Information Technology Observatory" - konnte diese Branche 1999 in Westeuropa um über 12 Prozent wachsen. Die Verknüpfung der verschiedenen Informationstechnologien sorgt dabei für einen Wachstumsschub und ermöglicht den Grenzanbietern den Marktzugang. Prof. Michael Dowling von der Universität Regensburg.
Michael Dowling: "Die Firmen, die bisher erfolgreich waren, haben erkannt wie kann man aus einer Barriere einen Eintrittsweg machen. Im Mobilfunkbereich - Mobilfunk plus Internet - sagen auch die amerikanischen Experten, dass Europa das Gebiet der Zukunft sein wird. Durch GSM, durch einen einheitlichen Standard ist Europa jetzt viel weiter als die USA, wo über Jahre für verschiedene Standards gekämpft wurde."
Die Markteintrittsbarrieren sinken. Gerade kleinere Unternehmen können Dienstleistungen anbieten, die bislang kapitalkräftigen Großunternehmen vorbehalten waren. Dieser Wachstumsschub lockt vor allem junge Unternehmen ins Netz - die e-companies, die elektronischen Unternehmen, die ohne großen Verwaltungsapparat, Gebäude und Personal auskommen. Prof. Arnold Picot von der Universität München
Arnold Picot: "Die daraus hervorgehenden - und zum großen Teil sehr schnell wachsenden E-Companies - bringen vielfach radikale Änderungen der herkömmlichen Unternehmensphilosophien, Wertschöpfungsketten und Spielregeln mit sich. Digitalisierung und Internet scheinen zum Rückrat einer neuen Gründungsökonomie - zumindest in den Telekommunikations-, Informations- und Medienbranche - einschließlich ihrer Anwenderbranchen - zu werden. Es ist daher nicht übertrieben, von einer neuen Gründerzeit zu sprechen."
Die Unternehmensgründer stoßen mit ihren Kreditwünschen in der Finanzwelt auf einen zweigeteilten Markt. Auf der einen Seite sind die Banken: Innovative Geschäftsideen finden bei den Kreditinstituten wenig Gefallen. Ohne Sicherheiten vergeben die Finanzinstitute keine Kredite. Allein auf die vagen Aussagen des Geschäftsplanes wollen die Banken sich in aller Regel nicht verlassen.
Auf der anderen Seite treten die sogenannten Wagniskapitalgesellschaften auf den Plan. So verzeichnet der "Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften" eine lebhafte Nachfrage nach Risikokapital. Im vergangenen Jahr haben die Mitgliedsfirmen des Verbandes 5,2 Milliarden Mark in 1406 Unternehmen investiert. Bis zu 3,1 Millionen Mark fließen durchschnittlich in einen Start-Up - eine Neugründung. Oliver Bormann von der Risikokapitalgesellschaft bmp.
Oliver Bormann: "Ich glaube, wir haben die größte Geldwanderung der Geschichte der Menschheit. Das ist eine völlig neue Allokation der Ressourcen. Wenn diese Unternehmen nicht so teuer bewertet werden, würden nicht so unendlich viel Geld in diese Industrie, in die New Economy, fließen. Und damit würden wir nicht so schnell vorankommen, wie wir da heute tun. Das ist auch ein riesengroßer Pluspunkt und der überwiegt auch eine wenig die negative Seite - Die Jungunternehmer, die noch nie eine Pleite erlebt haben, die nicht wissen wie schwer Business ist und die Denken, dass sie einfach mit einem "Me-Too" Produkt irgendwie Millionär werden."
Dabei versuchen etablierte Konzerne auf den fahrenden Zug der Gründergeneration aufzuspringen. Sie finanzieren Jungunternehmer aus der eigenen Tasche. So zählt der Chiphersteller Intel zu den größten Risiko-Kapital-Gebern in den USA, immer auf der Suche nach neuen Ideen. Der Konzern unterstützt junge Firmen, die sich mit Produkten und Software rund um den Computer beschäftigen. Das Wagniskapital von Intel beträgt 4,8 Milliarden Dollar. 275 Firmen werden von dem Marktführer unterstützt. Ein Trend, der sich auch in Deutschland durchsetzt. Die Deutsche Telekom AG oder Bertelsmann gehen auf Einkaufstour und beteiligen sich an Unternehmensgründungen - und das nicht ohne eigenes Interesse.
So hat die Deutsche Telekom AG im Oktober 1997 eigens die Wagniskapitalgesellschaft "T-Venture" gegründet. Das Startkapital: 300 Millionen Mark. Das Geld floss in 34 Beteiligungen, davon 14 in Deutschland und 13 in die USA. Der erste Fonds in Höhe von 100 Millionen Mark brachte der Telekom-Tochter einen satten Gewinn von 150 Prozent - vor Steuern. Doch die Telekom interessiert sich vor allem für die neuen Produkte der Unternehmensgründer. T-Venture-Geschäftsführer Thomas Kühr:
Thomas Kühr: "Um Venture-Capital erfolgreich zu machen, braucht man tiefe Taschen. Das ist auch eine amerikanische Erfahrung. Wir versuchen die Telekom und die Business-Units der Telekom als Partner ins Boot zu bringen. Mit anderen Worten: Wenn wir eine Firma finden, von der wir glauben, dass sie Wachstumschancen hat und dass sie ein Produkt hat, das die Telekom interessieren könnte, dieses Produkt abzunehmen als Kunde, dann versuchen wir diese Verbindung so schnell wie möglich herzustellen."
Im Falle einer Minderheitsbeteiligung können die Gründer weiterhin ihre eigenen Ziele verfolgen. Doch allzu schnell werden die Jungunternehmer vom Kapitalgeber in die Enge getrieben, warnt Eberhard Färber, Gesellschafter der IXOS Software AG.
Eberhard Färber: "Es ist oft nicht die wirkliche Wahrheit. Wenn sich Entrepreneure - das ist für mich im Plural, das ist für mich ein Team - auch ein bisschen Erfahrung darunter mischen, dann können sie erfolgreich selbständige Unternehmen bleiben. Und müssen nicht ein Mehrheits-Abhängigkeitsverhältnis geraten. Weil - es ist selbstverständlich noch so in Deutschland, dass diese Machtausübung, die mit 25, 1 Prozent ganz deutlich formuliert wird, als notwendig angesehen wird. Sie ist nicht notwendig. Was uns noch fehlt, ist noch eine vernünftige Entrepreneur-Kultur."
Bertelsmann gibt sich hingegen mit 25,1 Prozent - mit einer Minderheitsbeteiligung - nicht zufrieden. Der Gütersloher Medienkonzern, der das elektronische Mediengeschäft mit Nachdruck ausbaut, sucht in aller Regel auch die Mehrheit am Kapital, so auch 1997 als Bertelsmann die Internet-Preisvergleichsagentur "Dealpilot" übernahm. Gegründet von den beiden Studenten Christoph Janz und Cristopher Münchhoff wird das virtuelle Unternehmen mittlerweile von einer professionellen Managerin aus dem Hause Bertelsmann geführt. Vorstandsvorsitzende Elisabeth Schick zu den Gründen:
Elisabeth Schick: "Die zwei Gründer, die mit einem sehr kleinen Team gearbeitet haben - aus der Studentenbude herausgearbeitet haben, haben einfach gemerkt: den nächsten Schritt können sie einfach so nicht mehr machen. Und was wir in den vergangenen vier Monaten gemacht haben: wir haben zwei Büros gegründet - eins in Heidelberg, eins in New York. Ich habe zwei Teams zusammengestellt - eins für Europa, eins für die USA und das heißt: wir gehen einen riesen Schritt nach vorne, den die beiden alleine nicht hätten gehen können - wo sie einfach auch Erfahrung und Unterstützung brauchten. Ich würde sagen, wir ergänzen uns sehr gut. Ich habe keine Ahnung, wie das Betriebssystem Linux funktioniert. Das machen die Freaks. Aber wie gründe ich ein Office, welche administrativen Dinge muss ich berücksichtigen und ich denke, diese Ergänzung von Erfahrung und auch von Marketingerfahrung mit der Begeisterung in so einer Start-Up-Firma, das zusammen zu bringen, das beste von beiden Welten, das führt auch dazu, dass wie ein klasse Verhältnis haben."
Die beiden Gründer Janz und Münchhoff glauben, mit Bertelsmann den richtigen Partner gefunden zu haben. Die Allianz ist mehr als eine Zweck-Ehe. Für Bertelsmann ist die Beteiligung ein Baustein in der strategischen Ausrichtung "E-Commerce", für die Unternehmensgründer ein Ausweg aus der unsicheren Finanzierung. Denn die Gefahr ist groß, dass unerfahrene Gründer in das juristische Räderwerk der Beteiligungsgesellschaften geraten. Die Venture-Capital-Gesellschaften wollen das Risiko begrenzen und in schwierigen Phasen notfalls in das Management eingreifen. Im schlimmsten Fall steht der Unternehmensgründer vor der Tür der eigenen Firma. Vor allem amerikanische Beteiligungsgesellschaften sichern sich über detaillierte Verträge ab. Peter Rudin von der Gesellschaft UPAQ.
Peter Rudin: "Wir haben einen Kulturschock hinter uns. Nämlich als wir von einem amerikanischen Venture-Kapital-Geber - wir hatten zwei zum Glück, die miteinander konkurrierten - einen amerikanischen Shareholder-Agreement auf dem Tisch bekamen. Siebzig Seiten ! Sechs Anwälte haben versucht dieses Silicon Valley Produkt in einen schweizerischen Zustand zu bewegen. Das war unmöglich. Und dann ging uns ja langsam Geld aus."
Eine bittere Erfahrung, die in den siebziger Jahren einen Existenzgründer in das wirtschaftliche Aus getrieben hätte. Eberhard Färber, heute Gesellschafter der IXOS Software AG, musste vor 20 Jahren sein erstes Unternehmen aus Geldmangel verkaufen. Es wuchs zu schnell und die Finanzierung stand auf wackeligen Beinen. Heute habe sich die Situation grundlegend geändert, sagt Färber. Der Neue Markt an der Frankfurter Börse erlaube den Kapitalbeteiligungsgesellschaften den Ausstieg aus ihren Investments. Die sogenannte Exit- Strategie war den Unternehmern lange Zeit in Deutschland verwehrt, bestätigt Thomas Haffa, Geschäftsführer der EM.TV & Merchandising AG
Thomas Haffa: "Über viele Jahre hinweg haben mir meine amerikanischen Geschäftsfreunde gesagt "You have to go public. You have to take your company public." Nur wie konnten es nicht. Es gab in Deutschland einfach nicht den Markt dafür. Die Amerikaner, die Engländer waren es gewohnt zu tun mit der Nasdaq in Amerika und konnte ihre Unternehmen wesentlich schneller und erfolgreicher entwickeln als wir es konnten."
Der Neue Markt an der Frankfurter Wertpapierbörse wirke dabei wie ein Ventil für den Innovationsstau. Doch der Börsengang ist in aller Regel mit zahlreichen Fragezeichen versehen.
Denn der Erfolg lässt sich bei einigen Unternehmen auf sich warten: Zahlreiche Börsenneulinge schreiben tiefrote Zahlen und es ist ungewiss, ob sie je Gewinne erwirtschaften werden. Die Folge ist, dass die Kapitalgeber immer kritischer werden. Die Anfangseuphorie gilt nicht mehr uneingeschränkt, auch im Internet ist nicht mehr alles nur Gold, was glänzt.
Nach Ansicht von Oliver Bormann, Chef der Venture- Capital Gesellschaft "bmp", hat sich eine riesige Spekulation entwickelt. Die aktuelle Marktblase werde platzen, wenn die ersten Unternehmen an der Börse scheitern und einige Kapitalgeber hohe Millionenbeträge in zweifelhaften Geschäftsideen verloren haben.
Oliver Bormann: "Wir haben einen Hype zur Zeit - also auch am Markt. Das sind Preise, die pervers und übertrieben sind. Und ich glaube, so entwickelt sich die Branche nicht weiter. Es gibt leider im Markt genug Leute, die diese Preise bezahlen, auch wenn es keinen Sinn macht."
Das Forschungsinstitut Gartner Group rechnet sogar damit, dass drei Viertel aller e-Business-Projekte fehlschlagen werden. Der Grund: schlechte Planung und unrealistischen Erwartungen an die neuen Technologien. Derart pessimistische Prognosen sind zur Zeit nicht gefragt. Die Massenverbreitung des Internet hat einen wahren Goldrausch ausgelöst und die Erwartungen in die Internet-Ökonomie sind groß. Rationalisierung und Wachstum sind die beiden Richtgrößen, an denen sich die Akteure orientieren. Das rasante Tempo im Internet hat den Pulsschlag der "alten Ökonomie" deutlich erhöht - aber so warnt der Schweizer Unternehmer, Peter Rudin, auch in dieser neuen Welt werde man nicht über Nacht zum wahren Unternehmer !
Peter Rudin: "Ich befürchte, dass die, die dieses Wachstum zu schnell vollziehen, dass die später einen psychischen Absturz haben. Und wenn ich manchmal die Gesichtsausdrücke dieser jungen Amerikaner sehe - am Fernsehen - diese pride kids, wenn dann wieder von der Börse gesprochen wird, mache ich mir manchmal um diese Leute Sorge, weil, dass verkraften sie einfach so nicht. Von 20 auf 24 Jahren plötzlich Unternehmer zu sein mit Hunderten von Millionen und zwei hundert Mitarbeitern und nie ein Privatleben."