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Elektronisches Ungeziefer

Robotik. - Forscher aus Zürich haben einen Kleinstroboter entwickelt, der Kakerlaken mit einer Reihe von Tricks davon überzeugen soll, ein Artgenosse zu sein. Zusammen mit Biologen wollen die Schweizer Ingenieure den Roboter in die Tierpopulation einschleusen, um das Verhalten der Tiere zu studieren.

Von Sabine Goldhahn | 03.01.2007
    Sie gehören zu den großen Gewinnern der Evolution. Seit 60 Millionen Jahren, zäh und genügsam, perfekt angepasst an unser System. Heizungsschächte, Kabelkanäle, Vorratskammern und Kaffeemaschinen sind ihre Rückzugsgebiete. Sie sind der Schrecken jedes Hotels oder Restaurants: Kakerlaken Aber sie haben eine Schwachstelle: Ihr Urvertrauen in andere Kakerlaken. Denn wo mehrere Tiere sind, da muss es schön warm sein, da gibt es sicher auch Futter - und genügend Schutz. Doch weit gefehlt. - Nicht alles, was so ähnlich klingt, ist auch eine andere Kakerlake. Es könnte auch ein Insbot sein, sagt Gilles Caprari von der ETH Zürich:

    " Das ist ein kleiner Mobilroboter. Der sieht nicht so aus, aber ist so fast klein wie eine Kakerlake, etwas größer vielleicht. Es braucht eine Batterie, damit diese Schachtel bewegt und autonom ist, es hat zwei Motoren mit zwei Rädern, und dann noch eine Menge von Sensoren, Abstands-Sensoren, Lichtsensoren, eine kleine Kamera da vorne, und ein Empfänger für Fernbediener, und eine Radio noch, wirklich viel drin. "

    Insbot hat das geschafft, was vor ihm noch keinem Roboter gelungen ist. Er wird von Tieren als ihresgleichen erkannt und als Gefährte akzeptiert. Das erreicht Gilles Caprari gleich mit mehreren Tricks. Die insgesamt 15 Miniroboter wurden so programmiert, dass sie sich wie eine Kakerlake bewegen. Das heißt, sie wuseln hin und her, bleiben manchmal stehen, drehen sich um, gehen weiter, bleiben wieder stehen. Das Aussehen der Roboter ist dabei Nebensache, denn Kakerlaken sehen schlecht. Dafür ist ihr Geruch umso wichtiger. Auf ihren Fühlern haben Kakerlaken nämlich winzige chemische Rezeptoren, mit denen sie bestimmte Duftstoffe wie die von ihren Artgenossen wahrnehmen. Um diesen Geruch vorzutäuschen, haben die Roboterspezialisten um Roland Siegwart zu einer unkonventionellen Methode gegriffen:

    " Wir haben ein Papier auf den Boden gelegt, wo die Kakerlaken eine gewisse Zeit drauf waren, und das Papier wurde dann genutzt, um den Roboter einzupacken, und somit ist der Geruch vom Papier auf den Roboter gekommen. "

    Die Täuschung ist perfekt. Ein Miniroboter mit demselben Geruch und denselben Bewegungen wie eine Kakerlake - das überzeugt auch die echten Tiere. Da Kakerlaken sich am liebsten an ihren Artgenossen orientieren, folgen sie den elektronischen Kollegen blindlings und scharen sich mit diesen an dunklen Plätzchen zusammen. Das ist für die Insekten, die eigentlich aus dem Unterholz des Waldes kommen, ein völlig normales Verhalten. Marcus Schmidt, Schädlingsspezialist der Stadt Zürich:

    " Sobald jemand eine Tür aufmacht, dann spüren die Schaben schon erstens den Luftzug, zweitens die Erschütterung, und wenn man dann noch das Licht anmacht, sind die Reize ganz ausgereizt, das löst dann eine Art Fluchtverhalten in die Dunkelheit an einen geschützten Ort aus. "

    In Gegenwart der Mini-Roboter passiert jedoch etwas Besonderes. Die echten Kakerlaken vertrauen den falschen so sehr, dass sie sich völlig entgegen ihrer Gewohnheit sogar an helle Orte locken lassen. Damit könnte man sie - so eine Idee der Forscher - vielleicht sogar in der Schädlingsbekämpfung einsetzen. Ganz ohne chemische Keule. Nach Ansicht von Marcus Schmidt ist das aber eine eher fragwürdige Lösung:

    " Im Prinzip weiß der Schädlingsbekämpfer, wo er den Schadenköder ausbringen muss, und wenn einer einstudiert ist, dann hat er für eine Wohnung nicht mehr als 20 Minuten bis eine halbe Stunde. Wenn jetzt einer mit diesen Robotern kommen muss und die erst einmal auspacken muss, und instand setzen muss, dann wird das wahrscheinlich sehr viel teurer kommen. "

    So sind die Kakerlaken zwar interessante Testobjekte, aber nicht das Ziel der Forschung. Roland Siegwart:

    " Ich glaube, dass die Beeinflussung von Verhalten, von kollektiven Verhalten von Tieren in verschiedenen Bereichen eventuell in Zukunft interessant sein könnte. "

    Als nächstes Testobjekt sollen jetzt Roboter-Hühner konstruiert werden, die bei ihren lebenden Artgenossen in Hühnerfarmen für Bewegung sorgen.