Marcel ist frustriert. Seine Hände können die Akkordfolge des Rocksongs noch nicht hintereinander greifen. Wieder und wieder motiviert Malte Gregorzewski den 15-Jährigen, es noch einmal zu versuchen. Er sitzt neben den Schülern, lässig hat er ein Bein übers Knie gelegt und zupft die Dreiklänge selbst auf seiner Gitarre. Der 26-Jährige ist Stipendiat der Initiative "Teach First", zu Deutsch übersetzt: Unterrichtet zuerst. Er arbeitet seit drei Monaten an der Heinz-Brandt-Hauptschule in Berlin Weißensee, gibt Englischunterricht, hilft den Schülern der neunten Klasse bei Bewerbungsschreiben, leitet eine Badminton- und eine Gitarrenarbeitsgruppe. An diesem Nachmittag bietet er zum ersten Mal Nachhilfe im Gitarrenunterricht an. Vier Schüler sind gekommen. Einer hat sich eine E-Gitarre geschnappt und übt unter Kopfhörern. Wie schwer es wirklich ist, Schüler an einer Hauptschule zum Lernen zu motivieren, hat Malte Gregorzewski nicht gewusst.
"Diese freiwillige Gitarren-AG, die Idee von mir war, dass ich einfach einen Raum zur Verfügung stelle und sie dort eigenständig üben. Ich habe heute festgestellt, dass einige nicht in der Lage sind, sich allein hinzusetzten und zu sagen, ich nehme mir heute vor, in der nächsten Stunde das und das zu üben. Sie brauchen diese Anleitung. Und ich möchte sie mit diesem Vorhaben ein Stück weit unabhängiger machen von äußeren Einflüssen. Ich möchte sie packen und durch die Lust, die sie entwickeln, fördern. Das heißt, eine Eigenmotivation soll entstehen. Das ist für mich ganz zentral, denn das wird später auch entscheidend sein, ob man sich selbstständig dazu motivieren kann, eine Aufgabe zu erledigen."
Malte Gregorzewski ist ein sogenannter Fellow, Stipendiat von "Teach First Deutschland"; einer von 66. In einem Crashkurs im Sommer wurden den Hochschulabsolventen die Feinheiten der Pädagogik beigebracht, schließlich hat keiner von ihnen je zuvor vor einer Schulkasse gestanden. Wie auch die anderen Fellows darf Malte Gregorzewski keine Noten verteilen. Denn ein Ersatzlehrer ist er nicht. Vielmehr unterstützen die Uniabsolventen die Lehrkräfte. Fast immer sind sie zu zweit mit einem Lehrer im Unterricht oder sie stoßen eigene Projekte an - je nachdem, was sie von der Uni mitbringen.
"Ich würde die Schule gern auf eine Onlineplattform stellen. Das ist bislang überhaupt nicht zur Diskussion gestellt worden. Die Schulleitung ist sehr offen, ich soll ein Konzept erarbeiten. Das würde die Schule auf die Höhe der Zeit bringen, zum Beispiel: Vertretungspläne sieht man schon am Abend vorher. Man kann Projektarbeiten online stellen, gemeinsam an einem Projekt arbeiten. Der virtuelle Raum bietet die Möglichkeit, schnell zu arbeiten, effizient zu arbeiten, die Kommunikation unter den Schülern zu verbessern, aber auch die Kommunikation zwischen Schülern und Lehrern."
Malte Gregorzweski hat an der Freien Universität Volkswirtschaftslehre und Politik studiert und mit Bestnoten abgeschlossen. Das Angebot, an einem Forschungsprojekt im Australischen Brisbane mitzuarbeiten, hat er erst einmal ausgeschlagen.
"Ich habe von dem Projekt 'Teach First Deutschland' erfahren, auf einer Jobmesse Ende März dieses Jahres. Da standen sehr viele Unternehmen, McKinsey, PWC und eben auch 'Teach First Deutschland'. Ich bin dann gleich hin und habe mich mit denen unterhalten. Und ich habe mir gedacht, was will ich jetzt nach meinem Studium machen. Ich kann anfangen zu arbeiten, irgendwo Geld verdienen und mir ein schönes Leben machen. Oder ich kann auch sagen, dass mir bestimmte Sachen in Deutschland nicht egal sind."
Chancenungleichheit ist ihm beispielsweise nicht egal und deshalb hat ihn das Konzept von "Teach First Deutschland" überzeugt.
"Ich bin mir dessen bewusst, dass meine Ausbildung so nur möglich war, weil ich privilegierte Bildungschancen hatte. Da bin ich sehr dankbar und ich weiß, dass das die Ausnahme ist. Und ich finde, die Menschen, die ähnliche Privilegien genossen haben wie ich, sollten darüber nachdenken, ob sie nicht auch aus Dankbarkeit für andere einsetzen nach ihrem Studium."
Für so manch einen mag sich das nach Sozialromantik anhören. Malte Gregorzewski nennt es Verantwortung. Mehr als 700 Eliteabsolventen haben sich dieses Jahr für das Programm beworben. Für den nächsten Durchgang liegen jetzt schon 900 Bewerbungen vor. Das Programm ist also beliebt und zwar nicht nur, weil die Fellows anderen helfen wollen, sondern, weil sie auch selbst etwas davon haben. Das Projekt dient schließlich auch der Karriere der Fellows, die nach dem Einsatz an den Brennpunktschulen für Krisensituationen jeglicher Art gewappnet sein sollen. Die Kritik, dass sich die Eliteabsolventen mit dem Programm vor allem ihren Lebenslauf vergolden lassen wollen, hält Malte Gregorzweski für abwegig.
"Ich mache 'Teach First Deutschland' nicht, weil ich mir ein Sternchen in meinen Lebenslauf packen will. Auf gar keinen Fall. Die Menschen, die das vorhaben, werden das Bewerbungsgespräch auch nicht überstehen, die wird man rausfiltern."
Und auch das Gehalt motiviert nicht zu dem Schritt, bei "Teach First Deutschland" mitzumachen. 1700 Euro brutto verdient Malte Gregorzweski an der Hauptschule in Berlin. Die Währung, in der er bezahlt wird, ist eine andere: Dankbarkeit, Neugier, Lust auf Herausforderungen beispielsweise. Die Lehrerverbände murren trotzdem. Sie sind nicht begeistert davon, dass die Bildungseinrichtungen zum Experimentierfeld für die Elite werden. Zum Teil haben die Gewerkschaftsvertreter in Berlin die Zusammenarbeit von "Teach First Deutschland" Fellows und Schulen auch erfolgreich verhindert. Die Schulleiterin der Heinz-Brandt-Hauptschule allerdings schätzt ihren Fellow.
Die freiwillige Gitarrenstunde ist vorbei. Wenn die vier Jungen aus der neunten Klasse in der nächsten Woche wiederkommen, ist Malte Gregorzewski seinem Ziel, die Schüler zu eigenem Engagement zu motivieren, ein Stückchen näher gekommen.
"Okay, schönen Feierabend wünsche ich euch!"
Der nächste "Teach First Deutschland"-Bewerbungsstichtag ist der 31. Januar 2010 Interessenten können sich unter www.teachfirst.de informieren.
"Diese freiwillige Gitarren-AG, die Idee von mir war, dass ich einfach einen Raum zur Verfügung stelle und sie dort eigenständig üben. Ich habe heute festgestellt, dass einige nicht in der Lage sind, sich allein hinzusetzten und zu sagen, ich nehme mir heute vor, in der nächsten Stunde das und das zu üben. Sie brauchen diese Anleitung. Und ich möchte sie mit diesem Vorhaben ein Stück weit unabhängiger machen von äußeren Einflüssen. Ich möchte sie packen und durch die Lust, die sie entwickeln, fördern. Das heißt, eine Eigenmotivation soll entstehen. Das ist für mich ganz zentral, denn das wird später auch entscheidend sein, ob man sich selbstständig dazu motivieren kann, eine Aufgabe zu erledigen."
Malte Gregorzewski ist ein sogenannter Fellow, Stipendiat von "Teach First Deutschland"; einer von 66. In einem Crashkurs im Sommer wurden den Hochschulabsolventen die Feinheiten der Pädagogik beigebracht, schließlich hat keiner von ihnen je zuvor vor einer Schulkasse gestanden. Wie auch die anderen Fellows darf Malte Gregorzewski keine Noten verteilen. Denn ein Ersatzlehrer ist er nicht. Vielmehr unterstützen die Uniabsolventen die Lehrkräfte. Fast immer sind sie zu zweit mit einem Lehrer im Unterricht oder sie stoßen eigene Projekte an - je nachdem, was sie von der Uni mitbringen.
"Ich würde die Schule gern auf eine Onlineplattform stellen. Das ist bislang überhaupt nicht zur Diskussion gestellt worden. Die Schulleitung ist sehr offen, ich soll ein Konzept erarbeiten. Das würde die Schule auf die Höhe der Zeit bringen, zum Beispiel: Vertretungspläne sieht man schon am Abend vorher. Man kann Projektarbeiten online stellen, gemeinsam an einem Projekt arbeiten. Der virtuelle Raum bietet die Möglichkeit, schnell zu arbeiten, effizient zu arbeiten, die Kommunikation unter den Schülern zu verbessern, aber auch die Kommunikation zwischen Schülern und Lehrern."
Malte Gregorzweski hat an der Freien Universität Volkswirtschaftslehre und Politik studiert und mit Bestnoten abgeschlossen. Das Angebot, an einem Forschungsprojekt im Australischen Brisbane mitzuarbeiten, hat er erst einmal ausgeschlagen.
"Ich habe von dem Projekt 'Teach First Deutschland' erfahren, auf einer Jobmesse Ende März dieses Jahres. Da standen sehr viele Unternehmen, McKinsey, PWC und eben auch 'Teach First Deutschland'. Ich bin dann gleich hin und habe mich mit denen unterhalten. Und ich habe mir gedacht, was will ich jetzt nach meinem Studium machen. Ich kann anfangen zu arbeiten, irgendwo Geld verdienen und mir ein schönes Leben machen. Oder ich kann auch sagen, dass mir bestimmte Sachen in Deutschland nicht egal sind."
Chancenungleichheit ist ihm beispielsweise nicht egal und deshalb hat ihn das Konzept von "Teach First Deutschland" überzeugt.
"Ich bin mir dessen bewusst, dass meine Ausbildung so nur möglich war, weil ich privilegierte Bildungschancen hatte. Da bin ich sehr dankbar und ich weiß, dass das die Ausnahme ist. Und ich finde, die Menschen, die ähnliche Privilegien genossen haben wie ich, sollten darüber nachdenken, ob sie nicht auch aus Dankbarkeit für andere einsetzen nach ihrem Studium."
Für so manch einen mag sich das nach Sozialromantik anhören. Malte Gregorzewski nennt es Verantwortung. Mehr als 700 Eliteabsolventen haben sich dieses Jahr für das Programm beworben. Für den nächsten Durchgang liegen jetzt schon 900 Bewerbungen vor. Das Programm ist also beliebt und zwar nicht nur, weil die Fellows anderen helfen wollen, sondern, weil sie auch selbst etwas davon haben. Das Projekt dient schließlich auch der Karriere der Fellows, die nach dem Einsatz an den Brennpunktschulen für Krisensituationen jeglicher Art gewappnet sein sollen. Die Kritik, dass sich die Eliteabsolventen mit dem Programm vor allem ihren Lebenslauf vergolden lassen wollen, hält Malte Gregorzweski für abwegig.
"Ich mache 'Teach First Deutschland' nicht, weil ich mir ein Sternchen in meinen Lebenslauf packen will. Auf gar keinen Fall. Die Menschen, die das vorhaben, werden das Bewerbungsgespräch auch nicht überstehen, die wird man rausfiltern."
Und auch das Gehalt motiviert nicht zu dem Schritt, bei "Teach First Deutschland" mitzumachen. 1700 Euro brutto verdient Malte Gregorzweski an der Hauptschule in Berlin. Die Währung, in der er bezahlt wird, ist eine andere: Dankbarkeit, Neugier, Lust auf Herausforderungen beispielsweise. Die Lehrerverbände murren trotzdem. Sie sind nicht begeistert davon, dass die Bildungseinrichtungen zum Experimentierfeld für die Elite werden. Zum Teil haben die Gewerkschaftsvertreter in Berlin die Zusammenarbeit von "Teach First Deutschland" Fellows und Schulen auch erfolgreich verhindert. Die Schulleiterin der Heinz-Brandt-Hauptschule allerdings schätzt ihren Fellow.
Die freiwillige Gitarrenstunde ist vorbei. Wenn die vier Jungen aus der neunten Klasse in der nächsten Woche wiederkommen, ist Malte Gregorzewski seinem Ziel, die Schüler zu eigenem Engagement zu motivieren, ein Stückchen näher gekommen.
"Okay, schönen Feierabend wünsche ich euch!"
Der nächste "Teach First Deutschland"-Bewerbungsstichtag ist der 31. Januar 2010 Interessenten können sich unter www.teachfirst.de informieren.