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Elitz: Finanzpolitiker bestimmen die Kultur

Michael Köhler: Bund und Länder erfüllen in ausgewählten Fällen von Landes- oder gesamtstaatlicher Bedeutung Aufgaben der Kulturförderung, ansonsten ist das wesentlich Aufgabe der Kommunen. Der Unterhalt aber von so genannten Mehrspartenhäusern, Bibliotheken, Musikschulen und weiteren Einrichtungen ist kostspielig, kaum noch zu bewältigen. Wie muss das Verhältnis von Staat, Stifter und Steuerzahler eigentlich künftig aussehen, wenn wir uns weiterhin eine Kulturnation und nicht eine Kultursparnation nennen wollen? Zusammen mit dem Deutschlandradio führt die Freie Universität Berlin am 10. und 11. Juni dazu eine Tagung in Berlin durch und mit Ernst Elitz, Intendant des Deutschlandradio und Mitveranstalter, habe ich darüber gesprochen und ihn gefragt: Zusammen mit Kulturpolitikern, Intendanten und Stiftern denken Sie über eine Neuordnung des skizzierten Verhältnisses nach. Was macht das Ganze eigentlich so dringlich?

Moderation: Michael Köhler |
    Ernst Elitz: Wir sind in einer ökonomischen Situation und auch in einem Umbruch der Kulturpolitik, der viele fragen lässt: können wir uns Kultur überhaupt noch leisten oder wer ist noch bereit, etwas für Kultur auszugeben? Und das betrifft natürlich nicht nur den Kulturkonsumenten, sondern auch die Politik, die Finanzpolitik und diejenigen, die im Moment das große Wort führen, die Entscheidungen treffen, das sind in den Städten die Kulturdezernenten und das ist auf Landes- und Bundesebene der Finanzminister. Also die Kultur ist dort gelandet, wo sie eigentlich nicht so richtig hingehört: In die Hände der Finanzminister und Finanzpolitiker. Nun muss auch die Kultur sehen, wie sie sich finanzieren kann, sie lebt ja nicht in einem Wolkenkuckucksheim und aus diesem Grunde bringen wir bei dieser Tagung sowohl die Verantwortlichen für die Kultur in den Städten und Ländern zusammen mit den Politikern, aber eben auch den großen Stiftungen, die für die Kultur, sei es für Ausstellungen, sei es für die Unterstützung von Theatern und Ballettgruppen in Deutschland heute ein ganz entscheidender Schrittmacher geworden sind.

    Köhler: Die Präsidenten der Mittlerorganisationen, beispielsweise der auswärtigen Kulturpolitik hatten ja in einer gemeinsamen Stellungnahme schon mal auf das damalige Koch-Steinbrück-Papier zum Subventionsabbau geantwortet und gesagt, dass Gelder für Kultur und Wissenschaft keine Subventionen sondern Investitionen sind. Das scheint aber bei Politik und auch beim Bürger vielleicht nicht ganz angekommen zu sein. Sie sprachen gerade davon, die Kultur muss sehen, wie sie sich finanziert. Was meinen Sie, wird es auf lange Sicht wieder zu einer Einführung vom Kulturgroschen kommen?

    Elitz: Es wird sicher keine Einführung vom Kulturgroschen geben. Es wird einerseits ein stärkeres bürgerschaftliches Engagement geben müssen und dazu gehört natürlich auch ein Engagement der Wirtschaft und der Unternehmen, denn auch das Geld, was die Unternehmen verdienen, kommt ja letztendlich vom Bürger und nicht aus den privaten Erbschaften der Wirtschaftsmanager, das Geld wird ja beim Kunden, beim Bürger verdient. So sind auch die Unternehmer in einer viel stärkeren Pflicht, etwas zurückzugeben, nämlich in die Kultur; und einige tun das ja auch. Aber auf der anderen Seite wird durch die Definition der Kultur als eine Grundgesetzaufgabe auch in den Kommunen und Ländern eine andere Ebene für die Kulturfinanzierung geschaffen. Wenn in unseren Länderverfassungen und im Grundgesetz steht, Kultur ist eine gesamtstaatliche Aufgaben - und dafür setzt sich ja auch die Enquete-Kommission Kultur des deutschen Bundestages ein -, dann kann man das nicht einfach so wegwischen, wenn es um finanzielle Entscheidungen in den Kommunen geht und die Vorsitzende der Enquete-Kommission Kultur Gitta Connemann wird auf dieser Tagung auch sprechen.

    Köhler: Die Frage ist: Ist denn bürgerschaftliches Engagement oder Engagement überhaupt einklagbar? Ich erinnere mich an einen Vortrag des früheren Kulturstaatsministers Julian Nida-Rümelin vom Bundesverband der Stiftung und er sprach geradezu von einer Art Ethik oder Pflicht zum Engagement der Wirtschaft. Ist das einklagbar oder nur ein moralischer Appell?

    Elitz: Es ist einerseits ein moralischer Appell. Es wird auch nicht einklagbar, wenn die Kultur im Grundgesetz steht, aber dann muss man bei den politischen Entscheidungen eine ganz andere Rücksicht darauf nehmen, als wenn Kultur unter ferner liefen läuft. Was im Grundgesetz steht ist nun mal als eine gesellschaftliche und gesellschaftspolitische Investition anerkannt und dann kann man das nicht einfach auf den Subventionierungstatbestand wegschieben. Aber gegenüber den Unternehmen ist es nicht juristisch einklagbar, aber moralisch, denn die Gesellschaft braucht neben der Produktion von Verbrauchsgütern, neben Service und Finanzservice, auch Kultur. Eine Nation, Bildung, überhaupt Politik und Entscheidung kann sich ja nur entwickeln, wenn es etwas mehr gibt, als nur das reine Fachwissen, wenn es Verantwortlichkeit gibt, einen weiteren Horizont. Und nur die Länder, die einen weiteren Horizont haben, gebildete Bürger haben, die in Bildung investieren, die ihre Sprache wertschätzen, die ein anderes Angebot machen, als nur das, was der Bankschalter hat, nur solche Nationen werden sich künftig in der Weltgesellschaft behaupten können und deswegen ist es für die Unternehmen eine ganz wichtige Aufgabe, auch in Kultur zu investieren, auch in das Umfeld, in dem sie arbeiten und Geschäfte machen.