Archiv


Ellsworth Kellys Pflanzenbilder

Der amerikanische Maler und Bildhauer Ellsworth Kelly ist bekannt für seine geometrischen und bunten Bilder sowie Skulpturen. Seinen Durchbruch als abstrakter Künstler hatte er in den 40er-Jahren. Doch er malt auch Pflanzenbilder.

Von Sacha Verna |
    Man bringt Ellsworth Kelly eher mit abstrakten Formen und großformatigen monochromen Leinwänden in Verbindung als mit zarten Weinblättern und mit totemartigen Stahlskulpturen, nicht mit filigranen Bohnenstangen. Doch der 89-jährige amerikanische Künstler widmet sich seit dem Beginn seiner Karriere vor über 60 Jahren mit Hingabe dem Zeichnen von Pflanzen:

    "Zeichnungen stünden am Anfang von allem für ihn", sagt Marla Prather:

    "Die Skizzen für seine Bilder, die Porträts von Freunden oder eben das, was er Pflanzenporträts nennt. Er liebt die Natur. Als Kind hat er Vögel beobachtet. Er hat Pflanzen gezeichnet, seit er in den späten 1940er-Jahren in der Schule in Boston figurativ zeichnen lernte."

    Die Kuratorin Marla Prather hat die Retrospektive auf Ellsworth Kellys Pflanzenzeichungen im Metropolitan Museum organisiert. 75 Arbeiten sind in der Ausstellung versammelt, vom Zweig einer Bitteresche aus dem Jahr 1948, als Kelly an der Académie des Beaux-Arts in Paris studierte, bis zur Zeichnung einer Mohnblüte, die vor zwei Jahren in Upstate New York entstand, wo Kelly heute ein Studio besitzt.

    Ellsworth Kelly beschäftige sich in seinen Bildern und seinen Zeichnungen mit denselben Themen, sagt Marla Prather:

    "Positiver und negativer Raum, Form versus Hintergrund, Umriss, sich überlagernde Konturen, die mit den sich überlagernden Konturen seiner mehrteiligen Bilder zu tun haben. Doch wissen Sie: Er zögerte lange, seine Zeichnungen zu zeigen. Er wollte Karriere als abstrakter Künstler machen und fürchtete, die Pflanzenzeichnungen würden die Leute verwirren."

    Ein halbes Dutzend Orangen, ein paar Sonnenblumen, ein Büschel Seegras: eine einfache Linie aus Bleistift oder Tinte auf einem Stück Papier, das mit seiner Form der Anordnung und dem Umriss des Gezeichneten entspricht.

    Ellsworth Kellys Pflanzenzeichnungen würden oft mit jenen von Henri Matisse verglichen, sagt Marla Prather. Tatsächlich fand 2002 eine Ausstellung von beiden im Centre Pompidou statt. Doch seien da auch die Unterschiede deutlich geworden:

    "Matisses Pflanzenzeichungen sind illustrativer, offener. Jene Ellsworths sind in sich geschlossen. Man erkennt, wie anders als das von Matisse das Verhältnis von Ellsworths Zeichnungen zu seinen Bildern ist."

    Ellsworth Kellys botanische Schriftzeichen haben sich im Lauf der Jahre kaum verändert. Der Spaziergang durch seine Magnolien und Maisstengel und Bananenblätter ist ein durchaus gefälliges Erlebnis. Aber auch ein bisschen langweilig. Die Zeichnungen wirken wie Duftspray. Bald merkt man: Die Rosen blühen anderswo.