Mittwoch, 24. April 2024

Archiv


Elmar Brok warnt vor "Eruptionen" an der CDU-Basis

Das verbale Aufeinanderschlagen zwischen FDP und CSU muss beendet werden, sagt CDU-Vorstandsmitglied Elmar Brok. Die Zukunftsfähigkeit der Koalition drohe zu scheitern, warnt Brok - und droht mit einem Aufstand der CDU-Basis.

15.06.2010
    Dirk Müller: "Gurkentruppe", "Rumpelstilzchen", "Wildsau", das ist die verbale Kommunikationsebene in der schwarz-gelben Koalition. Endzeitstimmung nach nur acht Monaten. Zumindest die meisten Journalisten landauf, landab sehen die Regierung als gescheitert, auch die Konservativen, auch die Liberalen unter ihnen. Ein frustrierter Verteidigungsminister, der mit Rücktritt geliebäugelt hat, eine angeschlagene Arbeitsministerin, die Bundespräsidentin werden wollte, ein demontierter Gesundheitsminister, dessen Vorschläge nicht einmal einen Tag Bestand hatten. Ein Sparpaket, das zerredet wird, eine Strategie für Opel, die aus Widersprüchen besteht, eine Steuerreform, von der nur Hoteliers profitieren, eine Wehrpflicht-Debatte, in der jeder etwas anderes sagt. Eine Kanzlerin, die nicht führt, ein Außenminister und Parteichef, der wohl auch nicht mehr führt, so die Kritik. Niemand aus der Führungsspitze der Union war bereit zu einem Interview mit dem Deutschlandfunk heute Morgen. Dagegen wagt sich der Europaabgeordnete Elmar Brok, Mitglied im CDU-Bundesvorstand, aus der Deckung. Guten Morgen nach Straßburg.

    Elmar Brok: Guten Morgen, Herr Müller.

    Müller: Herr Brok, verstehen Sie, was da los ist in Berlin?

    Brok: Nein, ich verstehe es auch nicht und hier muss ganz deutlich gesagt werden, dass die Basis der CDU mit großem Unverständnis nach Berlin schaut und sagt, jetzt muss man sich endlich zusammenraufen. Es kann doch nicht sein, dass man so viel Unvernunft zeigt, wie man in den letzten Wochen in Berlin gezeigt hat.

    Müller: Fehlt der Regierung die Kompetenz?

    Brok: Nein! Ich meine, wir sehen hier Minister, die erfolgreiche Arbeit in der Vergangenheit gemacht haben. Wir wissen auch, dass in bestimmten Grundzügen gute Arbeit geleistet worden ist. Wir sind trotz Wirtschaftskrise heute in der Situation, dass wir weniger Arbeitslose haben als 2005, dass wir einen Aufschwung haben. Aber das macht es eigentlich noch unverständlicher, dass man hier nicht die Ruhe bewahrt, in Ruhe sich zusammensetzt und Konzeptionen erarbeitet, die unser Land voranbringen.

    Müller: Wenn Kompetenz vorhanden ist, woran liegt es dann?

    Brok: Es muss an menschlichen Problemen liegen. Es muss, glaube ich, gesehen werden, dass manche nicht verstanden haben, dass in einer Koalition nicht das gegenseitige Auftrumpfen voranbringt, sondern dass der gemeinsame Erfolg voranbringt. Das ist wie im Gemeinschaftssport, das ist wie im Fußball. Zum Schluss ist nicht das Einzelgenie der Sieger, sondern derjenige, der in der Lage ist, mannschaftlich zusammenzuarbeiten.

    Müller: Vergisst die Kanzlerin zu führen?

    Brok: Es müssen Leute bereit sein, sich führen zu lassen, und wenn man nur den Schlagzeilen nacheilt, indem man solche Kraftausdrücke benutzt, dann hat jeder, der die Führung hat, Schwierigkeiten, sie wahrzunehmen.

    Müller: Und die Leute, die sich nicht führen lassen, sind immer noch richtig im Kabinett?

    Brok: Nein, denn wir müssen schlicht und einfach sehen, dass da Stimmungen in der Partei wachsen, die sagen, jetzt ist Schluss, und ich glaube, dass für niemanden, der in der Führung ist, die gegenwärtige Veranstaltung für die eigene Karriere eine weitere Werbung ist.

    Müller: Haben Sie denn schon mal in Berlin angerufen und gefordert, endlich Schluss zu machen mit dem Theater?

    Brok: Das haben wir schon deutlich zum Ausdruck gebracht. Ja, das ist geschehen und das werden wir auch weitermachen und ich glaube, dass viele sagen, bis zur Bundespräsidentenwahl ist hier eine Zeit, in der man sich zusammenraufen kann. Wenn das nicht funktioniert und hier noch Dinge mehr schief gehen, dann fürchte ich, dass es hier an der Basis zu Eruptionen kommen wird.

    Müller: Welche Erklärung haben Sie denn neben dem menschlichen Faktor?

    Brok: Ich kann es mir nicht erklären, denn erklären kann man Dinge nur, die mit Vernunft zu tun haben, und all dieses Verhalten, das ja ständig Maßnahmen gegen die eigenen Interessen sind, sind einfach von der Vernunft her nicht zu erklären und ich glaube auch, dass man das nicht mehr erklären kann mit Publizitätssucht, dass man einzeln vorangehen will, und es ist sicherlich auch notwendig, dass das Aufeinanderschlagen der beiden kleineren Partner in der Koalition beendet wird.

    Müller: Also reden wir über Eitelkeiten?

    Brok: Es spielt hier alles Menschliche in diesem Spiel mit.

    Müller: Die kleinen Partner, die sind besonders schwierig, sagen Sie?

    Brok: Ja. Wenn man sieht, wie die Kraftausdrücke hin- und hergehen, sind das ja selten Vertreter der CDU dabei gewesen, sondern zumeist Vertreter der kleinen Partner, die aufeinander losgehen. Da gibt es eine uralte Liebe zwischen den beiden, das wissen wir, aber ich glaube, das darf nicht der Grund sein, dass man sich selbst so schädigt, dass daran auch die Zukunftsfähigkeit scheitert.

    Müller: Also, Herr Brok, schadet auch die Schwesterpartei der Koalition?

    Brok: Ich glaube, dass keiner hier einen Grund hat, zurzeit zu sagen, dass er eine gute Leistung gebracht hat. Das gilt auch für die Schwesterpartei.

    Müller: Wen haben Sie denn da im Auge? Wer ist der Störenfried?

    Brok: Na ja, da will ich jetzt nicht selbst in diese Rubrik hineingehen, indem ich Einzelaufzählungen mache. Ich rufe hier zum Mannschaftssport auf und das müssen sich die Parteivorsitzenden sagen lassen, das müssen aber auch Landesminister sich sagen lassen.

    Müller: Die Kanzlerin, Horst Seehofer, Guido Westerwelle sind häufig zusammengekommen im Kanzleramt, jeden Monat, und haben hinterher gesagt, jetzt ist wieder alles in Butter. Warum hat das nicht funktioniert?

    Brok: Weil ganz offensichtlich ihre Mitspieler das anders machen, aus welchen Gründen auch immer. Wenn ich das Zusammenspiel Rösler-Söder in der Gesundheitspolitik gesehen habe, dann muss man einfach sagen, so geht's nicht – vom Stil her.

    Müller: Bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk CDU-Vorstandsmitglied Elmar Brok. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören nach Straßburg.

    Brok: Ich danke auch.

    <u>Links auf dradio.de zum Zustand der schwarz-gelben Koalition:</u>

    DLF: FDP-Generalsekretär fordert, "gewisse Überspitzungen" einzustellen
    Christian Lindner über die Zusammenarbeit von Schwarz-Gelb (DLF)


    Kein Ergebnis in NRW, Streit in Berlin -
    Schwarz-Gelb in der Krise

    DLF: Politisches Burn-out
    Schwarz-Gelb nach sieben Monaten


    DKultur: "So können wir nicht weitermachen"
    CDU-Bundestagsabgeordneter Bosbach ruft schwarz-gelbe Koalition im Bund zu mehr Einigkeit auf