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Elternsein lernen

In Deutschland ist der Bildungserfolg von Kindern noch immer stark vom sozialen Umfeld abhängig. In Berlin bieten spezielle Eltern-Kurse Erziehungsberechtigten nun die Chance zu lernen, wie sie ihr Kind vor und nach der Schule richtig unterstützen können.

Von Anja Nehls | 25.10.2013
    "Dann lasst uns mal zu diesem Tisch gehen ich enthülle den mal."

    Auf dem Tisch liegen ein Schlüsselbund, ein Handy, ein Spielzeugauto, eine Fahrradpumpe, ein Filzstift, ein Kartenspiel. Kursleiterin Andrea Leineweber bittet die vier Eltern von Erstklässlern an der Blumen Grundschule in Berlin Friedrichhain, sich je einen Gegenstand auszusuchen. Jeder soll sich an seine Grundschulzeit erinnern.

    "Also das Thema ist Objekte, also Dinge der Selbstständigkeit. Was habt ihr selbst gelernt alleine zu machen, also selbstständig?"

    Alleine die Tür aufschließen, telefonieren, Schulsachen packen, anziehen, Konzentration. Ganz schnell ist die Gruppe beim Thema

    "Die Sachen aufpassen, wo ist deine Jacke, wo deine Mütze, er hat alle Stifte verloren, er denkt nur spielen, spielen, spielen, Lego, Lego, Lego.
    Er lebt in einer Legowelt. Legowelt ja."

    Atli Berega ist vor 6 Jahren mit ihrem Sohn David aus Äthiopien gekommen. Zusammen mit Eltern aus Deutschland und dem Irak kommt sie seit Februar alle zwei Wochen zum Elternkurs. Hier ist Gelegenheit, sich über kleine und große Probleme austauschen und den einen oder anderen guten Tipp zu bekommen. Die Eltern und Familien sollen gestärkt werden, damit sie ihre Kinder während der Schulzeit besser unterstützen können, sagt Barbara Tennstedt von Buddy e.V., die das Programm für die Elternkurse mitentwickelt hat.

    "Die Hauptzielsetzung hängt damit zusammen, dass der Bildungserfolg der Kinder so ganz stark in Deutschland von den Familien abhängig ist, vom Status der Familien und von der Bildungsnähe der Familien. Unsere Schulen sind auf migrantische Eltern nicht so super eingerichtet bisher und auch nicht auf arme Eltern."

    Die Kursleiterin spricht deshalb Eltern bereits in der Kita an und wirbt um eine Teilnahme an den Elternkursen. Andrea Leineweber:

    "Und wichtig ist dabei, den Eltern zu zeigen, dass das nicht irgend so ein Programm ist, wo besserwisserisch irgendwas vermittelt wird, sondern wo es darum geht, was macht ihr schon ganz toll und was bedeutet es jetzt, wenn mein Kind zuhause sitzt und das Radio auseinanderbaut oder Mischungen aus dem ganzen Küchenschrank bastelt. Das nervt mich zwar, aber eigentlich lernt das Kind gerade was."

    Für migrantische Eltern geht es genauso um Erziehung, aber auch darum, das deutsche Schulsystem erst mal zu verstehen

    "Ich bin nicht in Deutschland gewachsen und weiß nicht, was in der Schule läuft, ich muss alles lernen, für mich ist neu, bei uns ist erste Klasse erste Klasse, viel lernen, nicht so spielen." - "Du bist woanders aufgewachsen. Du musstest wahrscheinlich viel früher selbstständig sein, wo das Kinder hier nicht müssen. In Mitteleuropa ist die Kindheit länger als in Äthiopien, da bin ich ziemlich sicher."

    Barbara Tennstedt kann die junge Mutter beruhigen. Die anderen Eltern steuern ähnliche Geschichten bei. Diejenigen, die jetzt bereits seit acht Monaten dabei sind, haben eine Menge gelernt:

    "Wie man selber mit manchen Situationen umgehen kann, dass man in manchen Situationen doch gelassener wird." - "Was beobachte ich am Kinde, was ist aufgefallen, wie hat er sich zum Beispiel zum, positiven verändert, was ist mit aufgefallen, was ist nicht so gut. Und was auch geholfen hat, war der Austausche oder ist immer noch der Austausch mit den anderen. Gott sei Dank ist das dort auch so. Der hat auch die Phase. Scheint normal zu sein, unser tickt da ähnlich."

    Dieser Elternkurs endet jetzt. 6 solche Gruppen hat es Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg in diesem Jahr gegeben. Die beteiligten Schulen wünschen sich, dass es weitergeht.