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Eltersprechtag in der Clay-Gesamtschule Berlin-Neukölln

Der Kontakt ist mir wichtig. Ich möchte ja wissen, wo meine Tochter ist. Ich möchte die Räume sehen, ich möchte die Menschen sehen, mit denen sie zusammen ist.

Von Agnes Steinbauer |
    16.30 Uhr an der Clay-Gesamtschule in Berlin Neukölln. Rainer Finke ist gespannt auf die Klassenlehrerin seiner 15-Jährigen Tochter Elin. Er steht auf der Liste mit dreißig Eltern. Die Neuntklässlerin Elin wartet mit vor der Tür und grinst:

    Das ist vor allem, weil mein Vater die Räume sonst nicht finden würde. Ich will natürlich auch hören, was über mich gesagt wird und wie ich mich verbessern kann.

    Vater und Tochter wirken entspannt - kein Wunder, Elin hat nichts zu befürchten - Das wird sich gleich im Gespräch mit Lehrerin Jutta Maier-Kretschmer herausstellen wird:

    Lehrerin: Elin hat alle Voraussetzungen für die Versetzung in die gymnasiale Oberstufe geschafft.

    Vater: Da hat sie ja eigentlich ein bisschen Angst um ehrlich zu sein.

    Elin: Hab ich?

    Vater: Ja, das hast Du doch immer mal wieder so formuliert, da müsste man eine Prüfung machen.

    Elin: Ja, diese Abschlussprüfung in Mathe.

    Lehrerin: Na ja Elin, die Kurse hast Du doch zusammen… Du braucht doch nur 84 Punkte und 149 hast Du. Ich sehe nicht, wo da Schwierigkeiten auftauchen können, selbst in Mathematik nicht. In Französisch hast Du 13 Punkte und eine eins.

    Draußen vor der Tür sehen nicht alle Eltern der Sprechstunde so optimistisch entgegen:

    Ein Vater: Das werden wir jetzt machen, die schlechten Erfahrungen, ja da gibt’s ein bisschen Reibereien wegen Zensuren, müssen wir erst mal gucken - ist das erste Mal in den ganzen Jahren.

    Für ihn reicht ein Elternsprechtag pro Jahr aus. Eine Mutter, die vor einer anderen Tür wartet findet dagegen:

    Mein Sohn ist sehr schlecht in der Schule. Ich würde zum Beispiel begrüßen, wenn es zweimal im Jahr passieren würde.

    Mit der kurzen Sprechzeit von durchschnittlich zehn Minuten hat sie sich aber keine Probleme:

    Ich weiß genau, dass die Lehrer für meinen Sohn, der fünf Fünfen im Halbjahrszeugnis hat, mehr Zeit haben, als zehn Minuten, das können auch schon mal zwanzig sein.

    Die knappe Zeit ist nicht das einzige Problem, das Eltern und Lehrer an so einem Sprechtag haben können. Angelika Schneider, Mutter von drei Töchtern mit langjähriger Sprechtag-Erfahrung, reflektiert, was aus Sicht der Eltern noch schiefgehen könnte:

    Wenn ich merke: Der Lehrer kennt mein Kind überhaupt nicht…und wenn vielleicht nur geblättert wird: Na, was hat sie denn in der letzten Arbeit geschrieben. Das ist für mich zu wenig, ich möchte schon gezielter nachfragen können. Das ist mir wichtig, denn als Mutter sehe ich ja nur mein Kind, ich sehe sie ja nicht in der Lerngruppe .

    Dass es mal nicht gelungen ist, ist wirklich die Ausnahme. Seit 91 hab ich schon ein bis zwei Elternabende pro Jahr hier abgearbeitet und hab eigentlich einen guten Eindruck.

    Inzwischen ist die Sprechzeit für Familie Finke fast abgelaufen. Die mündliche Beteiligung könnte noch etwas lebhafter sein, hat die Lehrerin als klitzekleine Kritik anzumerken. Und sonst? Noch Fragen?

    Vater: Wie weit können wir als Eltern noch dazu beitragen, sie zu unterstützen, zum Beispiel mit Literatur oder französischen Filmen.

    Lehrerin Jutta Maier-Kretschmer rät zu leichter Filmkost mit - wichtig: Untertiteln und - vor allem zur Sprachpraxis.

    Vater: Okay, dann wissen wir das, dass wir versuchen, vielleicht mal ein paar Tage länger in Frankreich zu bleiben.

    Lehrerin: Vielen Dank, dass Sie gekommen sind, Tschüss. Das war jetzt hier eine ganz unproblematische Situation. Die Familie bemüht sich sehr um die Erziehung ihres Kindes. Von daher ist es gut gelaufen.

    Jutta Maier-Kretschmer ist erleichtert. Ihrer Erfahrung nach überwiegt die Zahl der konstruktiven Elterngespräche. Bei gravierenderen Schwierigkeiten müssten die Eltern oft lange gebeten werden, überhaupt zu kommen und dann könne es auch unangenehm werden:

    Oft haben sie große Erwartungen an die Schule, dass wir als Experten für Erziehung diese schwierigen Probleme lösen. Die Gespräche, die nicht so gut verlaufen, muss man eben wegstecken, aber in Regel bemühe ich mich für jeden eine Perspektive aufzuzeigen, damit die Schüler ihre Leistungen verbessern können.