Im entscheidenden Moment fällt der Blick des Sozialrevolutionärs Ivan Kaljajev auf die Neffen des Großfürsten Sergej. Deshalb wirft er seine Bombe nicht in die Kutsche des Despoten, deshalb scheitert der lange geplante Anschlag im Russland des Jahres 1905. Der Poet hatte sich den Sozialrevolutionären angeschlossen und für den Terroranschlag gemeldet und muss nun in seiner fünfköpfigen Gruppe sein Scheitern erklären. Sein Gegenspieler Stepan Fedorov hält ihm vor, dass nun, weil er zwei Kinder schonen wollte, Tausende anderer Kinder an Hunger sterben werden, im Warten auf den großen revolutionären Durchbruch. Stepan fühlt nur noch Hass in seinem Herzen und glaubt nicht an einen gerechten Weg in eine gerechtere Gesellschaft. Es sind aber alle anderen Mitglieder der Gruppe, die Ivans Zögern entschuldigen. Boris Annenkov, der Chef der Zelle, der sichtlich nervöse und sensible Alexis Voinov, vor allem aber die Bombenbauerin Dora, die zudem zu dem revolutionären Poeten eine besondere Zuneigung empfindet. Kann ein politisches Motiv das Verbrechen legitimieren? Camus entwirft ein Figurentableau, in dem jeder zu dieser Frage psychologisch, reich nuanciert, eine andere Haltung, einnimmt. Diese seelisch, zutiefst im konkret menschlichem Erleben fundierten Motive beim Verhandeln der exemplarischen moralischen Fragen des Stücks hat Regisseur Stanislas Nordey weitgehend getilgt. Allesamt in grauen Armeemänteln, also uniformiert treten die Akteure in überaus bühnenoffenem Spiel an die Rampe, ihre Gesten erstarren zu Posen, ihre Bewegungen zu zeremoniellen Arrangements. Camus Texte klingen wie Verlautbarungen, in denen jeder Zweifel, jede Chance des Widerspruchs unmöglich erscheint. Die Figuren werden so zu Konzepten und scheinen ein Zwischenreich zu bewohnen, ein Vorhölle der notorisch Einsamen, wobei die Blicke aller Akteure immer nur nach innen gerichtet sind und das Angesicht des anderen beständig verpassen.
In dem leicht abstrahierenden Dekor des Emmanuel Clolus führt ein Durchbruch in einer undurchdringlichen Rückwand über einen Steg zur Vorderbühne. Hier reiht sich das kleine Ensemble um die hochkonzentrierte agierende Filmschauspielerin Emmanuelle Béart vor dem Publikum auf, zu einer Szenenfolge, in der immerhin eine überdeutliche, konzentrierte Sprachübung exekutiert wird.
Weiß das Volk den tödlichen Einsatz der Sozialrevolutionäre, ihre Liebe für die Sache der einfachen Leute zu schätzen, fragt sich die Dora der Emmanuelle Béart einigermaßen ernüchtert, oder ist, wie der Ivan des Vincent Dissez es begreift, Liebe nur als letztlich selbstlose Verausgabung des eigenen Lebens zu begreifen? Später, nach dem nunmehr erfolgreichen 2. Anschlag, wird man ihm im Gefängnis ein Begnadigungsangebot machen, wird die Witwe des Ermordeten, die Großfürstin mit christlicher Argumentation versuchen, Ivan zur Reue zu überreden. Was er eben nicht als Mord begreift, sondern als Akt der Gerechtigkeit, will sie von Gott beurteilt wissen. Aber Ivan Kaljajev bleibt unbeirrbar.
Camus "Les Justes", eine Antwort auf Sartres ein Jahr zuvor uraufgeführte "Schmutzigen Hände" bleiben trotz der ungebrochenen Aktualität der Thematik in Nordeys hermetischer und monolithischer Inszenierung merkwürdig akademisch. Der Regisseur ist nunmehr völlig in einem ästhetischen System erstarrt, wobei es egal ist, ob er Wajdi Mouawads "Verbrennungen", Falk Richters "Das System" oder eben Albert Camus inszeniert. Oft sieht das aus wie ein Brechtsches Lehrstück ohne Dialektik.
Nordey errichtet zwischen Agitprop und Posentheater eine Welt der Konzepte, aus denen Menschen längst ausgewandert sind.
In dem leicht abstrahierenden Dekor des Emmanuel Clolus führt ein Durchbruch in einer undurchdringlichen Rückwand über einen Steg zur Vorderbühne. Hier reiht sich das kleine Ensemble um die hochkonzentrierte agierende Filmschauspielerin Emmanuelle Béart vor dem Publikum auf, zu einer Szenenfolge, in der immerhin eine überdeutliche, konzentrierte Sprachübung exekutiert wird.
Weiß das Volk den tödlichen Einsatz der Sozialrevolutionäre, ihre Liebe für die Sache der einfachen Leute zu schätzen, fragt sich die Dora der Emmanuelle Béart einigermaßen ernüchtert, oder ist, wie der Ivan des Vincent Dissez es begreift, Liebe nur als letztlich selbstlose Verausgabung des eigenen Lebens zu begreifen? Später, nach dem nunmehr erfolgreichen 2. Anschlag, wird man ihm im Gefängnis ein Begnadigungsangebot machen, wird die Witwe des Ermordeten, die Großfürstin mit christlicher Argumentation versuchen, Ivan zur Reue zu überreden. Was er eben nicht als Mord begreift, sondern als Akt der Gerechtigkeit, will sie von Gott beurteilt wissen. Aber Ivan Kaljajev bleibt unbeirrbar.
Camus "Les Justes", eine Antwort auf Sartres ein Jahr zuvor uraufgeführte "Schmutzigen Hände" bleiben trotz der ungebrochenen Aktualität der Thematik in Nordeys hermetischer und monolithischer Inszenierung merkwürdig akademisch. Der Regisseur ist nunmehr völlig in einem ästhetischen System erstarrt, wobei es egal ist, ob er Wajdi Mouawads "Verbrennungen", Falk Richters "Das System" oder eben Albert Camus inszeniert. Oft sieht das aus wie ein Brechtsches Lehrstück ohne Dialektik.
Nordey errichtet zwischen Agitprop und Posentheater eine Welt der Konzepte, aus denen Menschen längst ausgewandert sind.