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Emmentaler nur noch aus dem Ursprungsland?

Wenn von Käse die Rede ist, der dazu auch noch in schöner Regelmäßigkeit von Löchern durchsetzt ist, glaubt der Laie auf Anhieb zu wissen, woher dieser Käse stammt: nämlich aus der Schweiz. Doch das ist, mit Verlaub gesagt, großer Käse. Der Emmentaler beispielsweise ist so ein Käse, dessen Löcher ebenso als Markenzeichen gelten wie der nussige Geschmack und der weiche Teig. Zwar liegt das Emmental in der Nähe der Schweizer Hauptstadt Bern, dort haben versierte Käse-Forscher auch den Ursprung des Emmentalers ausgemacht.

Von Thomas Wagner |
    Längst allerdings wird Emmentaler in ganz Europa produziert - unter anderem auch in Deutschland, im Allgäu. Dem Schweizer Bundesamt für Landwirtschaft ist das ein Dorn im Auge: Nur Schweizer Emmentaler darf auch in Zukunft tatsächlich Emmentaler heißen, meinen die Experten in Bern und haben eine entsprechende Schutzverordnung herausgebracht. Dagegen laufen vor allem deutsche Milchbauern und Molkereien Sturm. Sie fürchten, ihren Emmentaler zukünftig nicht mehr Emmentaler nennen zu dürfen - eine verzwickte Situation.

    Die Maschinen in der Käserei Kofeld bei Wangen im Allgäu laufen mal wieder auf Hochtouren. Molkereimeister Martin Bauhofer:

    Gegründet wurde der Betrieb 1911. Als mein Vater dann 1952 hier den Betrieb übernahm, wurde Emmentaler produziert, bis heute. Und wir hoffen auch noch weiter.

    1000 Tonnen Emmentaler erzeugt Martin Bauhofer pro Jahr. Wie für viele Käsereien im Allgäu, so ist auch für ihn die Herstellung von Emmentaler überlebenswichtig. Keine Frage: Die jüngste Entscheidung des Schweizer Bundesamtes trifft ihn und seine Berufskollegen empfindlich. Demnach darf nämlich nur noch derjenige Emmentaler Emmentaler heißen, der in der Schweiz hergestellt wird. Alfred Ernst vom Verband der Thurgauer Milchprozenten:

    Also das Emmental liegt ja geografisch im Zentrum der Schweiz, zwischen Luzern, Olten und Bern. Und es wäre naheliegend, dass eigentlich der Original-Emmentaler nur aus der Schweiz kommt.

    Dabei muss Alfred Ernst eingestehen, dass es die Schweizer selbst waren, die die Emmentaler-Rezeptur in aller Welt verbreiteten und damit dazu beitrugen, dass der Schweizer Emmentaler heute mächtig unter Konkurrenzdruck steht:

    Es ist natürlich auch den Schweizern zu verdanken, das Emmentaler heute überall hergestellt wird, weil Schweizer Käser schon zu Ende des 19. Jahrhunderts auswanderten und die Emmentaler-Fabrikation bis nach Russland bekannt machten.
    Durch die jüngste Schutzverordnung möchte das Schweizer Amt für Landwirtschaft auf Antrag der Sortenorganisation Emmentaler Switzerland das Rad der Geschichte ein Stück weit zurückdrehen. Das Emmentaler im Ausland hergestellt werden darf, daran wollen die Schweizer auch in Zukunft nicht rütteln. Nur: Der Auslands-Emmentaler darf eben, so will es die Verordnung, nicht mehr Emmentaler heißen - in der Schweiz sowieso nicht, und am besten auch euopaweit nicht. Darauf soll die Schweiz im Zuge der bilateralen Verhandlungen mit der EU hinwirken. Für deutsche Käseproduzenten wie Martin Bauhofer aus dem Allgäu wäre so etwas unannehmbar.:

    Das glaube ich nicht, dass man den dann ohne die Bezeichnung Emmentaler vermarkten könnte. Es gibt viele Großloch-Käse. Aber der Emmentaler ist dann doch eine spezielle Sorte Käse, die eben den Emmentaler ausmacht.

    Somit scheinen die Positionen rund um den Emmentaler-Streit unversöhnlich: Auf der einen Seite die Schweizer Bauern und Käsereien, die auf Markenschutz drängen. Auf der anderen Seite ausländische Hersteller wie die Milchbauern und Käsereien im Allgäu, die ihre Produkte auch in Zukunft "Emmentaler" nennen wollen. Doch ein Kompromiß zeichnet sich gleichwohl ab: Denn möglicherweise, deutet Alfred Ernst vom Verband Thurgauer Milchproduzenten an, ist Markenschutz um jeden Preis gar nicht das Ziel der Schweiz - sondern eher das Gegenteil:

    Wie weit das dann wirkt in drei, vier Jahren, das werden wir sehen. Immerhin wird die Schweiz dann ein Pfand in der Hand haben, wenn es darum geht, ihre speziellen Herkünfte schützen will. Nennen wir den Feta; andere Käsesorten, die ein Ursprungsgebiet haben, das von der EU her auch geschützt werden kann.

    Im Klartext: Gesteht die EU der Schweiz zu, beispielsweise Feta-Käse aus eidgenössischer Produktion auf den Markt zu bringen, dann darf auch im Ausland Emmentaler hergestellt werden - mit diesem Pfund wuchern die Schweizer Verhandlungspartner in den derzeit laufenden Gesprächen mit der EU über Markenschutzaspekte. So jedenfalls sieht es Alfred Ernst, der sich auch eine Kompromiss-Formel im Emmentaler-Streit vorstellen könnte:

    Ich könnte mir vorstellen, zu sagen, Emmentaler-Sizzerland, das Original aus dem Ursprungsland, Punkt. Und dass dann die französischen und anderweitigen Emmentaler durchaus die Marktchancen wahren können, schon vom Preis her, aber auch von der Qualität her. Das ist heute keine Frage mehr.

    Bis der Emmentaler-Streit gegessen sein wird, werden noch etliche 1000-Tonnen Milch in der Käserei von Martin Bauhofer verarbeitet werden. Denn zwischenzeitlich hat der deutsche Milchindustrie-Verband die EU-Kommission aufgefordert, gegen die Schweizer Markenschutzverordnung vorzugehen. Zudem sind gegen den Emmentaler-Entscheid des Schweizer Bundesamtes für Landwirtschaft ausdrücklich Rechtsmittel zugelassen. Fachleute rechnen daher erst nach einigen Jahren mit einer verbindlichen Entscheidung darüber, welcher Emmentaler denn nun wirklich von Rechts wegen auch Emmentaler heißen darf.