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Emotional und verspielt

Die im Iran geborene Mina Salehpour inszeniert in Braunschweig eine Adaption des Romas "Montecore, ein Tiger mit zwei Beinen" von Jonas Hassen Khemiri. Ein Stoff, nicht nur für ein Publikum mit Migrationshintergrund, findet die junge Regisseurin.

Von Alexander Kohlmann |
    Als Mina Salehpour sich nach dem Abitur für einen Regiestudiengang bewarb, wurde sie erst einmal abgelehnt. Zu naiv sei ihr Blick auf die Szene, attestierte ihr die Kommission. Rückblickend war vielleicht genau das ihr Glück. Denn theaterbegeistert hielt sie an ihrem Berufsziel Regisseurin fest und ging den harten Weg über Regieassistenzen in Frankfurt und am Schauspiel Hannover. Seitdem hat sich die in Teheran geborene, heute 27-jährige Mina Salehpour zu einem aufgehenden Stern unter den Theaternachwuchs-Regisseuren entwickelt. Auch wenn sie manchmal als Quoteniranerin gehandelt wird. Aber das stört sie nicht.

    "Also, wenn wir ehrlich sind, hat mir das nur genutzt, dass es sich über die Ausländerquote ein bisschen transportiert, dass der eine oder andere Reporter kam, dass die eine oder andere Dramaturgin kam oder wie auch immer. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, es nervt nicht. Es nervt, aber das ist nun einmal da, und ich akzeptiere mein Schicksal tapfer. Es ist nun einmal so, ich bin Iranerin. Blöd. Oder war Iranerin und bin jetzt Deutsche. Ist ja fast nichts mehr übrig davon. Ja, und es wird immer wieder Thema sein."

    Ein Thema, mit dem Mina Salehpour offenbar den Nerv der Zuschauer trifft. Mit Produktionen wie den deutschen Erstaufführungen der britischen Stücke "Fatima" und "Monster" am jungen Schauspiel Hannover begeistert sie vor allem das junge Publikum.

    Wegen ihres emotionalen und verspielten Regiestils, aber auch weil ihre Stoffe nahe dran sind an der Lebenswirklichkeit von heute. Wie zum Beispiel der Streit ums Kopftuch oder die Nöte einer Tochter, die ihren kranken Vater versorgen muss.

    "Und die Stoffe, die mir angeboten werden, die suche ich nicht danach aus, ob es nun ein Migrantenstück mit Vorder-, Hintergrund oder sonst irgendetwas ist, sondern können wir alle etwas damit anfangen, ja oder nein. Es gibt genug Stoffe, die diese Thematik behandeln, die ich für Grütze halte, oder die ich für unspannend halte und sage, muss jetzt nicht sein. Aber wenn ein Stoff da ist, wie jetzt in Braunschweig dieses Stück, dann nehme ich das dankbar an."

    O-Ton Inszenierung: "Ich bin kein Einwanderer! Warum nennen mich denn alle Einwanderer, wie weit soll ich denn noch wandern? Ich bin Schwede, ich habe mein halbes Leben hier verbracht."

    Gerade inszeniert sie ihr neues Stück. Wieder eine Uraufführung: die Dramatisierung des autobiografischen Romans "Montecore, ein Tiger auf zwei Beinen" von Jonas Hassen Khemiri. Der wurde 1978 in Schweden als Kind einer schwedischen Mutter und eines tunesischen Vaters geboren und wie Mina Salehpour verwandelt auch er seine multikulturelle Herkunft in kreative Produktivität.

    "Also, es geht um Vater und Sohn. Um mehrere Söhne aus derselben Familie, und das heißt, es geht um ein paar Jungs von drei Generationen. Von Ende der 40er, angefangen in Algerien mit einem Mann, der dann auswandert nach Schweden, weil er seine Liebe trifft, dort einen Sohn kriegt und selber aber nach seinem Vater gesucht hat.
    Es geht über Großvater, über Papa zu Sohn, und es soll ein Buch geschrieben werden über diese ganze Thematik."

    Mina Salehpour interessiert an dieser Geschichte vor allem, was die große Politik mit den Menschen macht. Auf einer Studiobühne mit nur zwei Schauspielern bleibt viel Raum für Details. Und für ganz alltägliche Begebenheiten, die die junge Regisseurin aufgrund ihrer eigenen Geschichte oft sehr gut nachvollziehen kann.

    "Absolut, total viel, ganz viel, so Dinge wie er übersetzt für seinen Vater Dinge, kenne ich. Natürlich lernt man als Kind schneller Deutsch als die Eltern, die dann ausgewandert sind. Wie die Außenwelt mit Eltern umgeht, die eigentlich Vorbilder für einen sein sollten, die stark sein sollten, die dann plötzlich beim Bäcker komisch angeredet werden, wo die Bäckerin dann zwanzig Dezibel lauter spricht, weil sie denkt, es bringt was. Wo man dann plötzlich übersetzen muss. So Dinge kenne ich natürlich."

    Mina Salehpour arbeitet nicht mit vorgefertigten Regiekonzepten. Ihre Theaterarbeit hat viel mit den persönlichen Erfahrungen zu tun, die die Regisseurin, aber auch ihre Schauspieler mit einbringen. Sie ist ein Teamplayer.

    "Natürlich habe ich einen Plan oder irgendetwas im Kopf, und das teile ich auch mit. Aber es reden auch alle auf Proben. Und das mag ich auch gern. Und das hat immer die menschliche Komponente, die siegt. Jemand, den ich sehr schätze hat gesagt, wenn schon scheitern, dann mit Liebe."

    Informationen zur Uraufführung:
    "Montecore, ein Tiger auf zwei Beinen" von Jonas Hassen Khemiri, am Staatstheater Braunschschweig