In guten wie in schlechten Tagen. Die guten haben Georges und Anne, beide ehemalige Musikprofessoren, noch lange in die Jahre ihres Ruhestandes hinein begleitet. Geldsorgen gibt es nicht. Doch allmählich haben sie sich immer mehr in diese Höhle ihrer großen Pariser Wohnung zurück gezogen. Ab und an kommt das Hausmeisterehepaar; selten die Tochter, die schon lange eine eigenes Leben in Übersee führt.
Nur einmal sehen wir Anne und Georges, gleich am Anfang, noch in der Welt draußen, bei einem Konzert. Ein ehemaliger Schüler spielt ein Impromptu von Franz Schubert. Immer klingt im Film eines Schuberts Impromptus an. Der Klang dieser Musik, ihre Klarheit, die uns wie ein Hauch anweht, ihre Konzentration auf das Wesentliche, dann diese Aura von Einsamkeit, die fast hinüber gleitet in eine Art von Transzendenz - all dies, was man bei Schubert hört, ist auch der Grundton von Michael Hanekes Film "Liebe".
Es ist der Morgen nach dem Konzert. Jetzt beginnen für Annes und Georges die schlechten Tage. Beim Frühstück fällt Anne in einen Zustand der Starre; ist nicht ansprechbar. Georges ist sehr besorgt, verängstigt.
"Wo bist du denn? - Du hast das Wasser laufen lassen. Sag mal, was ist denn? Bist du vollkommen irre? Soll das ein Witz sein? - Wie bitte? - Ist das ein Scherz? Soll das ein Scherz sein? Oder was? - Was für ein Scherz? Ich verstehe kein Wort. Was ist denn das für ein Ton? Was ist los? - Anne, hör mit diesem Spiel auf. Das ist nicht komisch. - Welchem Spiel, mein Gott'? Was ist los."
Kein Spiel mehr. Im Zeitraffer erzählt Michael Haneke nun vom schnellen körperlichen wie auch geistigen Verfall Annes. Ein Schlaganfall, dann noch einer, Rollstuhl, die Bettlägerigkeit, die Demenz. Dem begegnet Georges mit einer unfassbaren Gelassenheit und Liebe. Und er hält sein Versprechen ein - auch gegen die Argumente der Tochter -, Anne nicht ins Krankenhaus oder ins Heim einzuliefern. Immer wieder, wenn er bei der Pflege kurz pausieren kann, beim Füttern, beim Waschen, beim Windelwechseln, tagträumt er sich im großen Musikzimmer in die Vergangenheit, imaginiert Anne, wie sie am Flügel spielt. Schubert. Natürlich. Erinnert sich an die kleinen Neckereien zwischen den beiden Liebenden.
"Du wirst doch wohl auf deine alten Tage nicht an deinem Image rütteln. - Na, ich werde mich hüten. Was ist denn mein Image? - Du bist ein Monster manchmal."
Doch irgendwann kann Georges dem Leid, das sich in den wenigen klaren Momenten Annes in ihren verzweifelten Hilferufen zeigt, nichts mehr entgegensetzten.
Die Wohnung von Anne und Georges - der Ort, der die Welt fast ganz draußen halten kann. Doch der Prozess des Alterns, des Verfalls ist nicht aufzuhalten. Dazu zeigt Michael Haneke Bilder, die drastisch wirken, obwohl sie doch etwas darstellen, das normal sein sollte. Einmal sehen wir Anne, sehen den alten Körper von Emmanuelle Riva, wie eine Pflegerin sie unter der Dusche säubert. Schwer, da hinzuschauen, weil jeder natürlich bei diesem Film an die eigene Vergänglichkeit erinnert wird. Das kann gar nicht anders sein. Michael Haneke zeigt Leid, aber er entwirft auch eine Utopie, eine über die Selbstbestimmung und den freien Willen bis zum Ende des Lebens. Nicht nur ästhetisch, in der makellosen Inszenierung eines Kammerspiels mit diesen beiden grandiosen Darstellern Jean-Louis Trintignant und Emmanuelle Riva, nein, auch in diesem Plädoyer für die letzte Entscheidung als eine freie, ist "Liebe" ein radikaler wie überzeugender Film.
"Liebe" beginnt damit - erste Szene -, dass die Feuerwehr die Wohnung aufbricht. Die Ritzen an Türen und Fenstern wurden abgedichtet, um den Leichengeruch nicht nach draußen dringen zu lassen. Auf dem Bett im Schlafzimmer liegt die Leiche einer alten Frau, festlich gekleidet, mit Blumen geschmückt.
Was wir dann sehen, ist eine lange Rücklende, die Erzählung des letzten Kapitels der Liebes- und Ehegeschichte Annes und Georges´ handelt. Es ist ein milder wie realistischer, ein schockierender wie berührender Ton, den Michael Haneke hier wählt. Haneke hat immer präzise, aber eben auch sehr kühle Filme gedreht - von "Funny Games" über "Die Klavierspielerin" bis zu "Das weiße Band". Im Film "Liebe" tritt nun aber eine große Zartheit zutage; und in diesem Meisterwerk darf die Liebe bis zum Tod währen. Dass Haneke uns das zeigt, ist für diesen Regisseur, wie er uns bisher in seinen Filmen begegnete, ja, zumindest verblüffend. Michael Haneke sagt, das Thema seines Films "Liebe" sei nicht Alter, nicht der Tod, sondern die Frage, wie man mit dem Leiden eines geliebten Menschen umgeht. In guten, wie dann auch in schlechten Tagen. Am Ende - eine letztes Traumbild, eines letztes Liebesbild - gehen Anne und Georges hinaus aus der Wohnung.
Nur einmal sehen wir Anne und Georges, gleich am Anfang, noch in der Welt draußen, bei einem Konzert. Ein ehemaliger Schüler spielt ein Impromptu von Franz Schubert. Immer klingt im Film eines Schuberts Impromptus an. Der Klang dieser Musik, ihre Klarheit, die uns wie ein Hauch anweht, ihre Konzentration auf das Wesentliche, dann diese Aura von Einsamkeit, die fast hinüber gleitet in eine Art von Transzendenz - all dies, was man bei Schubert hört, ist auch der Grundton von Michael Hanekes Film "Liebe".
Es ist der Morgen nach dem Konzert. Jetzt beginnen für Annes und Georges die schlechten Tage. Beim Frühstück fällt Anne in einen Zustand der Starre; ist nicht ansprechbar. Georges ist sehr besorgt, verängstigt.
"Wo bist du denn? - Du hast das Wasser laufen lassen. Sag mal, was ist denn? Bist du vollkommen irre? Soll das ein Witz sein? - Wie bitte? - Ist das ein Scherz? Soll das ein Scherz sein? Oder was? - Was für ein Scherz? Ich verstehe kein Wort. Was ist denn das für ein Ton? Was ist los? - Anne, hör mit diesem Spiel auf. Das ist nicht komisch. - Welchem Spiel, mein Gott'? Was ist los."
Kein Spiel mehr. Im Zeitraffer erzählt Michael Haneke nun vom schnellen körperlichen wie auch geistigen Verfall Annes. Ein Schlaganfall, dann noch einer, Rollstuhl, die Bettlägerigkeit, die Demenz. Dem begegnet Georges mit einer unfassbaren Gelassenheit und Liebe. Und er hält sein Versprechen ein - auch gegen die Argumente der Tochter -, Anne nicht ins Krankenhaus oder ins Heim einzuliefern. Immer wieder, wenn er bei der Pflege kurz pausieren kann, beim Füttern, beim Waschen, beim Windelwechseln, tagträumt er sich im großen Musikzimmer in die Vergangenheit, imaginiert Anne, wie sie am Flügel spielt. Schubert. Natürlich. Erinnert sich an die kleinen Neckereien zwischen den beiden Liebenden.
"Du wirst doch wohl auf deine alten Tage nicht an deinem Image rütteln. - Na, ich werde mich hüten. Was ist denn mein Image? - Du bist ein Monster manchmal."
Doch irgendwann kann Georges dem Leid, das sich in den wenigen klaren Momenten Annes in ihren verzweifelten Hilferufen zeigt, nichts mehr entgegensetzten.
Die Wohnung von Anne und Georges - der Ort, der die Welt fast ganz draußen halten kann. Doch der Prozess des Alterns, des Verfalls ist nicht aufzuhalten. Dazu zeigt Michael Haneke Bilder, die drastisch wirken, obwohl sie doch etwas darstellen, das normal sein sollte. Einmal sehen wir Anne, sehen den alten Körper von Emmanuelle Riva, wie eine Pflegerin sie unter der Dusche säubert. Schwer, da hinzuschauen, weil jeder natürlich bei diesem Film an die eigene Vergänglichkeit erinnert wird. Das kann gar nicht anders sein. Michael Haneke zeigt Leid, aber er entwirft auch eine Utopie, eine über die Selbstbestimmung und den freien Willen bis zum Ende des Lebens. Nicht nur ästhetisch, in der makellosen Inszenierung eines Kammerspiels mit diesen beiden grandiosen Darstellern Jean-Louis Trintignant und Emmanuelle Riva, nein, auch in diesem Plädoyer für die letzte Entscheidung als eine freie, ist "Liebe" ein radikaler wie überzeugender Film.
"Liebe" beginnt damit - erste Szene -, dass die Feuerwehr die Wohnung aufbricht. Die Ritzen an Türen und Fenstern wurden abgedichtet, um den Leichengeruch nicht nach draußen dringen zu lassen. Auf dem Bett im Schlafzimmer liegt die Leiche einer alten Frau, festlich gekleidet, mit Blumen geschmückt.
Was wir dann sehen, ist eine lange Rücklende, die Erzählung des letzten Kapitels der Liebes- und Ehegeschichte Annes und Georges´ handelt. Es ist ein milder wie realistischer, ein schockierender wie berührender Ton, den Michael Haneke hier wählt. Haneke hat immer präzise, aber eben auch sehr kühle Filme gedreht - von "Funny Games" über "Die Klavierspielerin" bis zu "Das weiße Band". Im Film "Liebe" tritt nun aber eine große Zartheit zutage; und in diesem Meisterwerk darf die Liebe bis zum Tod währen. Dass Haneke uns das zeigt, ist für diesen Regisseur, wie er uns bisher in seinen Filmen begegnete, ja, zumindest verblüffend. Michael Haneke sagt, das Thema seines Films "Liebe" sei nicht Alter, nicht der Tod, sondern die Frage, wie man mit dem Leiden eines geliebten Menschen umgeht. In guten, wie dann auch in schlechten Tagen. Am Ende - eine letztes Traumbild, eines letztes Liebesbild - gehen Anne und Georges hinaus aus der Wohnung.