Sanfte, grau getönte Schwaden ballen sich zu einem Bündel unendlich weicher Formen: Ein runder Kinderkopf, mehr zu ahnen als wirklich sichtbar, sanfte Brüste und warme Tücher, wallendes Haar und bergende Hände schälen sich aus dem Dunkel der Farbgründe, Wolken aus mütterlicher Fürsorge und kindlicher Geborgenheit mischen sich zu einer intimen Botschaft glücklicher Mutterschaft: "Maternité" - so der programmatische Titel vieler Gemälde und grafischer Blätter Eugène Carrières. Sein Lieblingsthema: Die erfüllte Mutterschaft. Seine Bilder hüllen und lullen den Betrachter ein - in ein sanft schwankendes Meer aus positiven Emotionen: Einfühlsam werden die feinsten Abstufungen zwischenmenschlicher Annäherung, Zärtlichkeit und Zuwendung protokolliert. Doch - und dies ist das Außergewöhnliche an diesem Belle Époque-Künstler - er trägt nie zu dick auf. Ebenso wie seine Malerei eher trocken als pastos ist, sind die Gefühle, die er transportiert, merkwürdig unterkühlt: Dies liegt daran, dass Carrière sich in den knapp drei Jahrzehnten seines kurzen malerischen Schaffens zunehmend der Farbe enthielt, immer mehr ins Pastell glitt und schließlich bei reiner Schwarz-Weiß-Malerei ankam, die gelegentlich ins Beige, dann wieder ins Bläulich-Grünliche abrutscht. Auch reduzierte er mehr und mehr seine Bildinhalte: Er scheute alle bombastische Thematik, er malte weder Historien-Schinken noch Schlachtenlärm, weder Mythologisches noch Biblisches, er umkreiste stattdessen den intimen Bereich humaner, insbesondere familiärer Kommunikation immer dichter: Ein vertrautes Beieinandersitzen zweier, höchstens dreier Menschen rund um einen Tisch, ein Gespräch im Winkel bei schwacher Beleuchtung, gemeinsames, öfter aber noch einsames Lesen, den gedankenschweren Kopf in die Hand gestützt, Nachsinnen an der Grenze zum Schlaf, zur Traum-Verlorenheit. Kleine Lichtflecken auf Schläfe, Wangenknochen und Kinn. Auch der Alptraum kann da lauern, dann gelingt es Carrière, den Glanz von Schweiß auf Stirn, Hals und Schulter aufs Feinste leuchten zu lassen.
Der Künstler verdankte sein großes Renommee einer Reihe von Freunden, Schriftstellern und Kritikern, die ihn schon zu Lebzeiten feierten und verehrten. Er revanchierte sich mit einer Reihe von Bildnissen, die in der Bremer Ausstellung eine Art Panthéon bilden: Der greise Puvis des Chavannes etwa tritt uns altersweise aus dem Dunkel entgegen, der dichtende Absinth-Trinker Paul Verlaine taucht irritierend-dämonisch ab, der Plastiker Rodin ragt wie ein Seher über die Menge ins Licht empor... Das Neblig-Raunende dieser Bildnisse, ebenso wie das Verrauchte dieser Interieurs wirkt aber niemals verwaschen. Die Präsenz der Körper, die Präzision der Gefühls-Nuancen fasziniert bei jedem der oft nur kleinformatigen Ölbilder, ebenso wie bei den Weichzeichnungen der Lithografien und Radierungen. Carrière gewinnt jeder dieser Techniken sein ureigenes Wirkungsspektrum ab, drückt Material und Technik mit den unterschiedlichen Werkzeugen Griffel, Stift oder Pinsel stets seinen unverwechselbaren Stempel auf.
Natürlich stand Eugène Carrière nicht allein im Konzert zwischen Salonmalerei und Moderne. Vorbilder und Weggefährten schufen Werke mit ähnlichen Anklängen; auch daran erinnert die Bremer Schau: An die damals "Neue Lithographie", in der Edvard Munch gern seine düsteren oder schwülen Gesellschaftsbilder umsetzte. Käthe Kollwitz verwandte wabernde Schwarz-Weiß-Malerei für ihre sozialkritischen Ansichten, im Weber-Zyklus etwa, und auch Honoré Daumier bediente sich des düsteren Hell-Dunkel, um die Verworfenheit der Pariser Klassengesellschaft in nachgerade feuilletonistischer Manier anzuprangern. Eugène Carrière aber enthält sich aller anklagenden Attitüden. Selbst sein düster entschlossener Bergarbeiter entsteigt der Tiefe von Mine und Schacht eher wie ein Erdgeist denn ein kämpferischer Gewerkschafter; und der Hochofenarbeiter fügt sich nahtlos ins schöne, ja barocke Ornament, das der flüssig fließende Stahl ins Dunkel der Industriehalle malt. Eugène Carrières Bilder wühlen nicht auf, stacheln nicht zum Sozialneid an, sondern sie machen merkwürdig müde, wirken wie ein optisches Narkotikum auf den Betrachter, dessen Schwere und Süße allerdings immer wieder zu kleinen Glücksgefühlen des begierig auf diesen Bilden umherwandernden Auges führen.
Der Künstler verdankte sein großes Renommee einer Reihe von Freunden, Schriftstellern und Kritikern, die ihn schon zu Lebzeiten feierten und verehrten. Er revanchierte sich mit einer Reihe von Bildnissen, die in der Bremer Ausstellung eine Art Panthéon bilden: Der greise Puvis des Chavannes etwa tritt uns altersweise aus dem Dunkel entgegen, der dichtende Absinth-Trinker Paul Verlaine taucht irritierend-dämonisch ab, der Plastiker Rodin ragt wie ein Seher über die Menge ins Licht empor... Das Neblig-Raunende dieser Bildnisse, ebenso wie das Verrauchte dieser Interieurs wirkt aber niemals verwaschen. Die Präsenz der Körper, die Präzision der Gefühls-Nuancen fasziniert bei jedem der oft nur kleinformatigen Ölbilder, ebenso wie bei den Weichzeichnungen der Lithografien und Radierungen. Carrière gewinnt jeder dieser Techniken sein ureigenes Wirkungsspektrum ab, drückt Material und Technik mit den unterschiedlichen Werkzeugen Griffel, Stift oder Pinsel stets seinen unverwechselbaren Stempel auf.
Natürlich stand Eugène Carrière nicht allein im Konzert zwischen Salonmalerei und Moderne. Vorbilder und Weggefährten schufen Werke mit ähnlichen Anklängen; auch daran erinnert die Bremer Schau: An die damals "Neue Lithographie", in der Edvard Munch gern seine düsteren oder schwülen Gesellschaftsbilder umsetzte. Käthe Kollwitz verwandte wabernde Schwarz-Weiß-Malerei für ihre sozialkritischen Ansichten, im Weber-Zyklus etwa, und auch Honoré Daumier bediente sich des düsteren Hell-Dunkel, um die Verworfenheit der Pariser Klassengesellschaft in nachgerade feuilletonistischer Manier anzuprangern. Eugène Carrière aber enthält sich aller anklagenden Attitüden. Selbst sein düster entschlossener Bergarbeiter entsteigt der Tiefe von Mine und Schacht eher wie ein Erdgeist denn ein kämpferischer Gewerkschafter; und der Hochofenarbeiter fügt sich nahtlos ins schöne, ja barocke Ornament, das der flüssig fließende Stahl ins Dunkel der Industriehalle malt. Eugène Carrières Bilder wühlen nicht auf, stacheln nicht zum Sozialneid an, sondern sie machen merkwürdig müde, wirken wie ein optisches Narkotikum auf den Betrachter, dessen Schwere und Süße allerdings immer wieder zu kleinen Glücksgefühlen des begierig auf diesen Bilden umherwandernden Auges führen.