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Empfindsame Blechkumpel

Technik. - Mensch und Maschine passen oft nicht zusammen: Der eine hoch sensibel, der andere ein autistisches Kunstwesen. Das europäische Forschungsvorhaben "Tai-Chi" sucht nach neuen Wegen, um die Kommunikation zwischen beiden Partnern zu verbessern.

Von Björn Schwentker |
    Wenn es klopft, ist das meistens eine klare Aufforderung: Bitte die Tür aufmachen. Jeder Mensch versteht das. Die Tür selbst aber nicht - noch nicht. Oberflächen und Maschinen einen Tastsinn zu geben, ist das Ziel des EU-Forschungsprojektes "Tangible Acoustic Interfaces for Computer-Human Interaction", kurz "Tai-Chi". Wolfgang Rolshofen vom Institut für Maschinenwesen an der Technischen Universität Clausthal ist daran beteiligt. Fühlende Gegenstände stellt er sich sehr praktisch vor:

    "Ich sitze in meinem Fernsehsessel, klopfe auf die Lehne und schalte dadurch das Fernsehprogramm um. Man könnte sich auch vorstellen, dass man Maschinen direkt steuert. Einfach durch Handauflegen auf die Maschine, das wäre schon vorteilhaft."

    Um Oberflächen von Maschinen oder auch Tischen, Wänden oder Autotüren das Fühlen zu lehren, geben die Forscher ihnen zunächst einmal Ohren - in Form von aufgeklebten Schallsensoren.

    "Man macht es akustisch, weil das natürlich ein Signal ist, was überall vorhanden ist. Indem ich meine Objekte berühre, sende ich auch Schallwellen in den Objekten aus, in meinen Festkörper. "

    Die Sensoren messen diesen Schall und geben das Signal an einen Computer weiter. Der berechnet daraus, wo die Oberfläche, etwa eine Wand, angefasst wurde. Die Idee dabei: Berührt man bestimmte Punkte, passiert etwas. Der Rechner macht zum Beispiel das Licht an oder aus. Kabel und Lichtschalter an den Wänden sind dann nicht mehr nötig. Die Wand leitet den Schall ja auch ohne Kabel. Eine Stromleitung muss nur noch direkt zur Lampe laufen - kontrolliert vom Computer, der sein Ohr - den Schallsensor - an der Wand hat. Der Rechner verarbeitet die Signale nach der Methode der so genannten "akustischen Holographie". Sie nutzt nicht nur die Stärke des Schalls, sondern beachtet auch, wie sich Wellenformen unterscheiden, die kurz nacheinander an den Sensoren ankommen. Wissenschaftler sprechen von der "Phase" der Schallwellen. Im schallarmen Raum macht Wolfgang Rolshofen vor, wie das Ortungs-Prinzip praktisch funktioniert. Er schaltet einen Laptop ein, der über Kabel an eine hängende Metallplatte angeschlossen ist.

    "Wir starten jetzt hier die Messung am Computer, und jetzt machen wir die holographische Rückprojektion."

    Auf dem Computer erscheint ein Bild, das aussieht wie ein gewellter fliegender Teppich. Das ist das Wellen-Schallbild der Metallplatte. Dort, wo gerade geklopft wurde, zeigt sich deutlich ein Berg auf dem "fliegenden Teppich".

    "Dabei ist eigentlich das Interessante, ich habe meine Sensoren nur an einer bestimmten Position auf dieser Platte."

    Und doch ortet der Computer-Algorithmus Berührungen überall auf der Oberfläche.

    "Von der akustischen Holographie erhofft man sich, dass ich beliebige Objekte - eine Kugel, eine Kaffeetasse, einen Tisch - beliebige Objekte in irgendeiner Form ausnutzen kann, um eine Schalllokalisierung durchzuführen. "
    Noch stehen die Clausthaler mit ihrer Forschung am Anfang. In Zukunft soll ihre Methode sogar noch mehr können: Sie soll unterscheiden, wie ein Körper berührt wird. Denn das kann man hören.

    "Das Klopfen ist etwas anderes als beispielsweise das Kratzen. Und genauso verhält es sich natürlich an anderen Materialien. Ich klopfe jetzt auf Holz, kratze über eine Holzplatte, klopfe ganz schnell über eine Holzplatte, streichle über eine Holzplatte."

    Klangforscher Wolfgang Rolshofen ist ganz in seinem Element. Sollte er die akustische Holographie bis zur Anwendungsreife bringen, wäre vieles möglich, sagt er. Zum Beispiel eine liebevoll-sensible Tür: Die öffnet sich auf Berührung. Allerdings nicht, wenn man an ihr klopft - sondern nur, wenn man sie streichelt.