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Empörung über Endlagersuche in Tschechien

Tschechien will seine Atomkraftwerke ausbauen, Kritik am kernenergiefreundlichen Kurs, etwa aus Deutschland oder Österreich, wird zurückgewiesen. Bei der Suche nach einem Endlager für Atommüll stößt die Regierung allerdings auf Protest von den betroffenen Gemeinden.

Von Stefan Heinlein | 28.05.2013
    Zdenek Cerny ist kein AKW-Gegner. Die Atomkraft ist für den Bürgermeister des südböhmischen Örtchens Nadejkov eine saubere und sichere Energiequelle. Eine Meinung, die er mit der überwiegenden Mehrheit der Tschechen teilt. Doch ein atomares Endlager vor seiner eigenen Haustür will er nicht:

    "Mehr als 96 Prozent unserer Bürger sind dagegen. Wir haben andere Pläne mit unserer Gemeinde. Wir wollen ein Erholungsgebiet und ökologische Landwirtschaft. Dieses Atomlager lehnen wir unter allen Umständen ab."

    Derzeit sind in Tschechien sieben mögliche Endlager-Standorten im Gespräch. Dort beginnen schon in wenigen Wochen die Geologen mit ihren Bohrungen. Die regionalen Bedenken werden diese Pläne der Regierung nicht stoppen, so Pavel Gebauer vom Industrieministerium:

    "Das sind ganz normale geologische Untersuchungen – als ob wir irgendwelche Bodenschätze suchen. Der Staat braucht dafür nicht die Zustimmung der Bürger. Wenn wir jetzt schon mit den Gemeinden diskutieren, droht die völlige Blockade bei der Suche nach einem Atommüll-Endlager."

    Nicht nur in den betroffenen Gemeinden sorgt diese forsche Haltung der Regierung für Empörung. Zahlreiche Umweltschutzgruppen haben gemeinsam mit den Kommunen ein wütendes Protestschreiben an das zuständige Industrieministerium geschickt. Darin fordern sie eine demokratische Teilhabe an dem Entscheidungsprozess, erklärt Vojtech Kotecky von der Bürgerinitiative DUHA:

    "Der Staat ignoriert die Bedenken der Bürger und will die Gemeinden zwingen ein Endlager zu akzeptieren. Das treibt die Bürgermeister auf die Barrikaden. Das ist ein echter Grabenkrieg. Der Staat verhält sich absolut arrogant."

    Tatsächlich hatte die Mitte-Rechts-Regierung zunächst geplant im Dialog mit den Gemeinden nach einem möglichen Standort zu forschen. Doch nachdem die Bürger in Volksbefragungen diesem Vorhaben die rote Karte zeigten, entschloss man sich in Prag kurzerhand zu einer anderen Vorgehensweise so Jiri Slovak von der Staatsverwaltung für radioaktive Lagerstätten:

    "Der ursprüngliche Prozess war tatsächlich sehr demokratisch. Wir haben mit der Freiwilligkeit der Gemeinden gerechnet. Nach den negativen Referenden mussten wir aber unsere Strategie ändern. Jetzt brauchen wir keine Zustimmung der Bürger für die geologischen Forschungen."

    Bis zum Jahr 2018 sollen die Bohrungen laufen. Danach wird entschieden welche beiden möglichen Standorte für die Endauswahl in Frage kommen. Erst dann – so Pavel Gebauer vom Industrieministerium – werden die Bürger vermutlich wieder gefragt, ob sie tatsächlich bereit sind ein atomares Endlager in ihrer Gemeinde zu akzeptieren:

    "Ich kann mir vorstellen, dass es ein neues Gesetz zur Beteiligung der Gemeinden geben wird. Die Regierung muss dann beschließen, welches Mitspracherecht die Bürger an der endgültigen Standortwahl haben."

    Zusätzlich bleibt den Politikern in Prag noch eine stille Hoffnung. Mit großzügigen Entschädigungszahlungen an die Gemeinden soll die Bereitschaft in der Provinz steigen, die radioaktiven Altlasten für das Land zu tragen.