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Ende der Funkstille

Drei Jahre lang dauern die Konflikte zwischen Israelis und Palästinensern seit Beginn der jüngsten Intifada. Drei Jahre der Funkstille zwischen den beiden Einwohnernationen des Landes. Was immer wieder gescheitert ist, nämlich beide Seiten mal wieder an einen Tisch zu bringen, das ist nun in kleinem Rahmen gelungen: Das Zentrum für Europäische Integrationsforschung an, der Uni Bonn hat 40 junge Wissenschaftler und Experten aus Israel und den palästinensischen Gebieten eingeladen. Noch bis zum 23. August diskutieren sie ausführlich über Infrastruktur-Regulierung vor allem in der Telekommunikation. Damit die Funkstille langfristig ein Ende hat.

    Von Esther Körfgen

    40 Menschen in Badelatschen und bunten T-Shirts lauschen dem Vortrag eines Rechtsanwalts. Die eine Hälfte sind Palästinenser, die andere Israelis. Jura- und Informatikstudenten die meisten, aber auch Ingenieure, IT-Spezialisten und Mitarbeiter der jeweiligen Kommunikationsministerien. Es geht um E-Commerce und Telekommunikation. Wie werden sie durch die europäische Gesetzgebung reguliert, und wie können die Teilnehmer das mit den Bedingungen zuhause kombinieren? Fragen, die der Kameruner Albert Njoiime Ekango vom Zentrum für Europäische Integrationsforschurig als Organisator der Sommeruniversität den Teilnehmern stellt

    Gibt es da Vergleiche, gibt es Ähnlichkeiten? Oder wo haben aus ihrer Sicht die Europäer Fehler gemacht. Und dann vielleicht Konzepte entwickeln. Und vor allem dieser letzte Teil ist mir am wichtigsten. Weil die Teilnehmer ja miteinander diskutieren werden, welche Vorschläge die anderen jetzt ausgearbeitet haben.

    Er weiß: die palästinensischen Teilnehmer werden am meisten von der Veranstaltung profitieren. Weil ihre Infrastruktur in Sachen Telekommunikation praktisch am Boden liegt. Aber es geht eben nicht nur um Information, Ziel ist der Austausch beider Seiten. Das empfindet auch der palästinensische Informatikstudent Haisam so:

    Klar, ich bin hierher gekommen, um möglichst viel von den europäischen Erfahrungen besonders in der Telekommunikation zu profitieren. Das andere ist: Ich habe schon immer daran geglaubt, dass wir ganz bestimmte Tätigkeitsfelder haben, auf denen wir eine Verbindung schaffen können zwischen uns und den Israelis.

    Tagsüber lernen die Teilnehmer, wie ein fairer Wettbewerb zustande kommt oder eine größtmögliche Versorgung der Bevölkerung. Abends diskutieren sie in der Kneipe über die politische Situation in der Heimat. Die Gelegenheit, den Dialog wieder aufzunehmen, nehmen hier beide Seiten gerne wahr, sagt der israelische Jurastudent Oren, und ist doch kritisch:

    Ich glaube dass die Leute hier sowieso überzeugte Friedensanhänger sind. Ich kann nicht gerade behaupten, dass wir hier unsere jeweilige Bevölkerung repräsentieren. Meine palästinensischen Kollegen und ich haben schnell beschlossen: Wir würden den Friedensvertrag in zehn Minuten unterschreiben.

    Das soll unterstützt werden. Nach der jetzigen, der sogenannten "Bonner Phase" soll es 2004 eine ähnliche Veranstaltung auf israelischem Boden geben, 2005 auf palästinensischem, möglichst mit den selben Teilnehmern, damit sie in Sachen Infrastruktur irgendwann eine Kooperation in Gang bringen. Schließlich sind die jungen Menschen hier die Entscheidungsträger von morgen, sagt Njoume Ekango:

    Das wird etwas langfristiges sein: Wir werden in Kontakt bleiben, uns austauschen, wir werden ein Netzwerk erstellen über E-Mails und diese Ergebnisse gemeinsam auswerten, um damit für die Zukunft, für die nächste Phase Verbesserungen zu erzielen.

    Praxisnähe erfährt die Veranstaltung durch die Referenten: Telekommunikations-Experten aus Palästina und Israel, von der Regulierungsbehörde der deutschen Post, von der Europäischen Kommission. Die Sommeruniversität wird von höchsten bundespolitischen Stellen unterstützt und von der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit finanziert. Dennoch gab es anfangs viele Skeptiker, die angesichts der Situation in Nahost das Projekt zum Scheitern verurteilten. Njoume Ekango kann das verstehen:

    Aber was die Kritiker übersehen haben, ist, dass man unterscheiden sollte zwischen den politischen Diskussion und dem Austausch auf der rein fachlichen technischen Ebene. Dieser Austausch ist möglich! Die Bereitschaft, die Begeisterung ist da.

    Den Teilnehmern scheint es Spaß zu machen. Aber denken sie auch, mit ihrem neuen Wissen zuhause etwas verändern zu können? Aber ja, sagt der Palästinenser Haisam, auch wenn es vielleicht alles ein wenig dauere. Und zitiert ein altes Sprichwort:

    Es gibt keine Wege. Nur das Gehen. Du musst erst gehen, und dann die Welt hinter dir erschaffen.