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Ende der Isolation
Schweiz bekommt europäische Forschungsgelder

Es geht um Fördergelder aus dem europäischen Forschungsprogramm "Horizon 2020", in dem 80 Milliarden Euro für Forschungsprojekte in ganz Europa bereitstehen. Im Februar war die Schweiz von diesem Fördertopf ausgeschlossen worden. Jetzt heißt es: Die Schweiz bekommt wieder europäische Forschungsgelder. Darüber, was die EU zu dieser Kehrtwende bewegt hat, gibt es derzeit nur Spekulationen.

Von Thomas Wagner | 15.09.2014
    Heute ist ein guter Tag für die Forschung in der Schweiz, freut sich Daniel Duttweiler, Sprecher des Schweizerischen Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation in Bern:
    "Ja, Schweizer Forschende können sich ab heute, 15. September, wieder als assoziierte Partner an ausgewählten Programmteilen beteiligen."
    Konkret geht es um Fördergelder aus dem europäischen Forschungsprogramm "Horizon 2020", in dem 80 Milliarden Euro für Forschungsprojekte in ganz Europa bereitstehen. Im Februar war die Schweiz von diesem Fördertopf ausgeschlossen worden, nach dem umstrittenen Volksentscheid gegen die Personenfreizügigkeit. Nun die Meldung: Die Schweiz bekommt wieder europäische Forschungsgelder.
    Gelockerter Kurs der neuen EU-Kommission
    Darüber, was die EU zu dieser Kehrtwende bewegt hat, gibt es derzeit nur Spekulationen. Eine hebt auf die neue EU-Kommission ab. Damit, so die Vermutung, stehen auch neue Köpfe an der Spitze der EU-Forschungspolitik, die keinen so strengen Kurs gegenüber der Schweiz verfolgen wie ihre Vorgänger.
    Möglicherweise, heißt es in der Schweiz selbst, habe die EU auch erkannt, dass die Forschungsleistungen der als exzellent geltenden Schweizer Hochschulen wichtig sind für den europäischen Wissenschaftsverbund überhaupt. Darauf hat Professor Roland Siegwart, Vizepräsident für Forschung der ETH Zürich, schon vor Monaten gegenüber dem Deutschlandfunk gehofft:
    "Das Forschungsprogramm und der Austausch ist ja ein Win-Win für beide Seiten. Ich glaube, es ist ein "Win" für Europa, dass Schweizer Hochschulen da mitmachen. Und es ist natürlich auch ein Gewinn für unsere Hochschulen."
    Win-Win-Situation für beide Seiten
    Allerdings wird die Schweiz nur in eingeschränktem Umfang von den "Horizon"-Fördergeldern profitieren. Schweizer Forscher können sich nur an Programmen aus dem sogenannten "ersten Pfeiler" von "Horizon 2020" bewerben. Dabei geht es um Projektförderung für Wissenschaftsexzellenz, erklärt Daniel Duttweiler:
    "Bei der Wissenschaftsexzellenz stehen vor allem die Stipendien des europäischen Forschungsrates im Zentrum. Da erhalten die besten der besten Forscher Gelder für ihre Arbeit, werden damit ausgezeichnet. Ein zweiter Bereich sind die künftigen und neu entstehenden innovativen Technologien. Ich habe das "Human-Brain"-Projekt der ETH-Lausanne erwähnt. Da gibt es ein großes Projekt, wo es um die Erforschung des Gehirns geht, wo Forschende aus internationalen Teams zusammenarbeiten. Dann die Marie-Curie-Maßnahmen im Bereich Mobilität und Forschungsinfrastrukturen."
    Schweiz bei Erasmus-Programmen außen vor
    Wie viel Geld aus dem europäischen Horizon-Töpfen für all diese Projekte in die Schweiz überwiesen wird, ist unklar. Denn erst ab heute können die Institute und Hochschulen Förderanträge stellen. Ausgenommen von der Horizon-Förderung bleiben nach wie vor der sogenannte zweite und dritte Pfeiler; da geht es um die Schwerpunkte "Führende Rolle der Industrie" und "Gesellschaftliche Herausforderungen."
    So werden beispielsweise innovative Umwelttechnologien, an denen auch die Industrie beteiligt ist, in der Schweiz nach wie vor nicht gefördert. Außerdem bleibt die Schweiz beim europäischen Studierendenaustauschprogramm "Erasmus" weiterhin komplett außen vor. Die Schweizer Unis müssen den grenzüberschreitenden Studierendenaustausch jeweils über eigene bilaterale Verträge regeln.
    Statt aus dem europäischen "Erasmus"-Topf werden die Stipendien aus dem Etat des Schweizerischen Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation finanziert. Bei "Erasmus" zeichnet sich derzeit noch gar kein Einlenken der EU ab, im Gegensatz zur Forschungsförderung "Horizon."Doch auch die Rückkehr der Schweiz in die europäische "Horizon-Familie" ist fürs erste zeitlich begrenzt, betont Daniel Duttweiler:
    "Sie ist fürs erste bis Ende 2016 befristet. Und die Situation ab 2017 hängt davon ab, wie es weitergeht mit der Frage der Personenfreizügigkeit. Wenn es eine Lösung gibt zwischen der Schweiz und der EU, dann kann die Schweiz vollumfänglich partizipieren an Horizon 2020. Anderenfalls wäre sie im Status eines Drittstaates."
    Insofern befürworten die Schweizer Hochschulen ein Entgegenkommen der Schweiz gegenüber der EU in Sachen Personenfreizügigkeit; damit wäre faktisch eine Teilhabe an allen europäischen Bildungsprogrammen garantiert.