Wolfgang Engel begann seine Intendanz am Schauspiel Leipzig mit einem sprachlosen Stück mit vielen Fragen. Mit seiner Inszenierung von Peter Handkes "Die Stunde da wir nichts voneinander wussten" begab er sich 1995 auf die Suche nach neuen Identitäten und Erklärungen in bewegter Leipziger Umbruchszeit.
Michail Bulgakows Stück "Molière oder Die Verschwörung der Heuchler", mit dem Engel sich jetzt von seinem Amt und Leipzig verabschiedete, ist dagegen ein redselig überladenes Erklärstück: es ist zugleich eine Liebeserklärung an das Theater wie eine theatrale Polemik zu den Themen Kunst und Macht, Kunst und Wirklichkeit.
In Molières lebenslangem Kampf um sein Theater fand Bulgakow seine eigene Situation wieder. So schrieb er neben dem Theaterstück auch einen Roman über Molière. Während Molière sich in den letzten Jahren bis zu seinem Tode im Jahre 1673 wehren musste gegen "Die Gesellschaft vom heiligen Altarsakrament", einen einflussreichen klerikalen Geheimbund, so wurde Bulgakow von der "Russischen Assoziation proletarischer Schriftsteller" heftig angegriffen als nichtkommunistischer, sogar konterrevolutionärer Dichter. Als all seine Gegenwartsstücke Ende der 20er Jahre verboten worden waren, schrieb Bulgakow sogar einen Brief an Stalin. 1930 wurde "Die Verschwörung der Heuchler" freigegeben, doch es dauerte noch sechs Jahre, bis das Stück für (nur 7 Vorstellungen!) auf die Bühnenbretter gelangte.
Was auch ein dramaturgisches Problem war: Stanislawski, der das Stück am Moskauer Künstlertheater inszenierte, hatte Einwände gegen die Dramaturgie des Stückes. Eines Stückes, das als Theater auf dem Theater mehrere Spielebenen recht kompliziert ineinander verschränkt. Es zeigt einerseits Molière auf dem Höhepunkt seines Ruhms, umjubelt als Sganarell in seinem "Don Juan" und protegiert von Ludwig dem XIV. beim Kampf um seinen "Tartuffe". Zugleich erzählt es von Molières letzter Liebe zur jungen Armande. Doch die ist nicht, wie er glaubt, die Schwester seiner Partnerin Madeleine, sondern deren Tochter, - also vielleicht sogar seine eigene Tochter. Dies ist der Punkt, an dem seine Gegner bei ihrem erfolgreichen Versuch ansetzen, ihn beim König in Ungnade zu setzen. Im offenen Zwischenraum zwischen zwei Bühnenportalen, eins für die Bühne der Politik und eins für die Bühne des Theaters, entfaltet Wolfgang Engel nun vor allem die intrigenreiche private Spielebene zwischen heftigem Kunstwollen und banalen Alltagsproblemen.
Bulgakows Stück präsentiert Theater auf dem Theater. Es zitiert Theatertypen, spielt mit vielen Formen und Genres und lässt oft nicht deutlich werden, wann die Figuren einander etwas vorspielen und wann sie authentisch sein sollen. Hier ist alles Inszenierung und Absicht und nichts wirklich klar. Natürlich ist dies so von Bulgakow gewollt, doch müssten die Figuren dennoch zugleich vorgeführt wie befragt, gespielt wie ausgestellt werden. Wolfgang Engel hat es in seinen vielen Klassikerinszenierungen immer wieder verstanden, deren Figuren und Probleme heutig erscheinen zu lassen, ohne sie äußerlich zu aktualisieren. Doch diese Inszenierung liefert in ihren pausenlosen zweieinhalb Aufführungsstunden ein zähes Beeindruckungstheater der großen, abgenutzten Gesten. Der Inszenierung fehlt jeder Spannungsbogen. Die Personen und ihre Probleme, selbst Molières Tod in der Rolle des "Eingebildeten Kranken" besitzen weder Spannung noch Magie.
Eine eher höflich denn enthusiastisch aufgenommene Abschlussinszenierung einer 13jährigen Leipziger Intendanz, in der Schauspielintendant Wolfgang Engel viel bewegt hat. Trotz eines einfallsreichen, immer wieder auch wagemutigen Spielplans mit Klassikern und Gegenwartsstücken, darunter viele Uraufführungen, hat er in der Musikstadt Leipzig das riesige Schauspielhaus nicht immer zu füllen vermocht. Immerhin: hier hat Michael Thalheimer seine ersten überregional beachteten Inszenierungen machen können, hat Konstanze Lauterbach ihren poetisch-musikalischen Stil entwickeln dürfen, und hier haben Andreas Dresen, Thomas Bischoff, Karin Henkel und immer wieder Armin Petras inszeniert. Der Regisseur Wolfgang Engel hat mit seinen großen, Klassikerinszenierungen überzeugt, zuletzt mit seinem durch die Stadt wandernden "Wallenstein", den ich wegen seiner analytischen Klarheit und spielerischen Sinnlichkeit durchaus über Peter Steins Berliner Inszenierung stellen würde. In der nächsten Spielzeit aber wird alles anders, denn der neue Intendanten Sebastian Hartmann steht für ein anderes, eher von Castorf als von Brecht beeinflusstes Theater.
Michail Bulgakows Stück "Molière oder Die Verschwörung der Heuchler", mit dem Engel sich jetzt von seinem Amt und Leipzig verabschiedete, ist dagegen ein redselig überladenes Erklärstück: es ist zugleich eine Liebeserklärung an das Theater wie eine theatrale Polemik zu den Themen Kunst und Macht, Kunst und Wirklichkeit.
In Molières lebenslangem Kampf um sein Theater fand Bulgakow seine eigene Situation wieder. So schrieb er neben dem Theaterstück auch einen Roman über Molière. Während Molière sich in den letzten Jahren bis zu seinem Tode im Jahre 1673 wehren musste gegen "Die Gesellschaft vom heiligen Altarsakrament", einen einflussreichen klerikalen Geheimbund, so wurde Bulgakow von der "Russischen Assoziation proletarischer Schriftsteller" heftig angegriffen als nichtkommunistischer, sogar konterrevolutionärer Dichter. Als all seine Gegenwartsstücke Ende der 20er Jahre verboten worden waren, schrieb Bulgakow sogar einen Brief an Stalin. 1930 wurde "Die Verschwörung der Heuchler" freigegeben, doch es dauerte noch sechs Jahre, bis das Stück für (nur 7 Vorstellungen!) auf die Bühnenbretter gelangte.
Was auch ein dramaturgisches Problem war: Stanislawski, der das Stück am Moskauer Künstlertheater inszenierte, hatte Einwände gegen die Dramaturgie des Stückes. Eines Stückes, das als Theater auf dem Theater mehrere Spielebenen recht kompliziert ineinander verschränkt. Es zeigt einerseits Molière auf dem Höhepunkt seines Ruhms, umjubelt als Sganarell in seinem "Don Juan" und protegiert von Ludwig dem XIV. beim Kampf um seinen "Tartuffe". Zugleich erzählt es von Molières letzter Liebe zur jungen Armande. Doch die ist nicht, wie er glaubt, die Schwester seiner Partnerin Madeleine, sondern deren Tochter, - also vielleicht sogar seine eigene Tochter. Dies ist der Punkt, an dem seine Gegner bei ihrem erfolgreichen Versuch ansetzen, ihn beim König in Ungnade zu setzen. Im offenen Zwischenraum zwischen zwei Bühnenportalen, eins für die Bühne der Politik und eins für die Bühne des Theaters, entfaltet Wolfgang Engel nun vor allem die intrigenreiche private Spielebene zwischen heftigem Kunstwollen und banalen Alltagsproblemen.
Bulgakows Stück präsentiert Theater auf dem Theater. Es zitiert Theatertypen, spielt mit vielen Formen und Genres und lässt oft nicht deutlich werden, wann die Figuren einander etwas vorspielen und wann sie authentisch sein sollen. Hier ist alles Inszenierung und Absicht und nichts wirklich klar. Natürlich ist dies so von Bulgakow gewollt, doch müssten die Figuren dennoch zugleich vorgeführt wie befragt, gespielt wie ausgestellt werden. Wolfgang Engel hat es in seinen vielen Klassikerinszenierungen immer wieder verstanden, deren Figuren und Probleme heutig erscheinen zu lassen, ohne sie äußerlich zu aktualisieren. Doch diese Inszenierung liefert in ihren pausenlosen zweieinhalb Aufführungsstunden ein zähes Beeindruckungstheater der großen, abgenutzten Gesten. Der Inszenierung fehlt jeder Spannungsbogen. Die Personen und ihre Probleme, selbst Molières Tod in der Rolle des "Eingebildeten Kranken" besitzen weder Spannung noch Magie.
Eine eher höflich denn enthusiastisch aufgenommene Abschlussinszenierung einer 13jährigen Leipziger Intendanz, in der Schauspielintendant Wolfgang Engel viel bewegt hat. Trotz eines einfallsreichen, immer wieder auch wagemutigen Spielplans mit Klassikern und Gegenwartsstücken, darunter viele Uraufführungen, hat er in der Musikstadt Leipzig das riesige Schauspielhaus nicht immer zu füllen vermocht. Immerhin: hier hat Michael Thalheimer seine ersten überregional beachteten Inszenierungen machen können, hat Konstanze Lauterbach ihren poetisch-musikalischen Stil entwickeln dürfen, und hier haben Andreas Dresen, Thomas Bischoff, Karin Henkel und immer wieder Armin Petras inszeniert. Der Regisseur Wolfgang Engel hat mit seinen großen, Klassikerinszenierungen überzeugt, zuletzt mit seinem durch die Stadt wandernden "Wallenstein", den ich wegen seiner analytischen Klarheit und spielerischen Sinnlichkeit durchaus über Peter Steins Berliner Inszenierung stellen würde. In der nächsten Spielzeit aber wird alles anders, denn der neue Intendanten Sebastian Hartmann steht für ein anderes, eher von Castorf als von Brecht beeinflusstes Theater.