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Ende eines Hypes

Informationstechnologie. - Jetzt ist es raus: Apple stellte gestern, 19 Uhr unserer Zeit, einen Nur-Bildschirm-Rechner, einen sogenannten Tablet-PC vor. Ob dem Unternehmen damit ein Überraschungserfolg gelingt, wie vor drei Jahren mit dem iPhone, bleibt abzuwarten. Das Interesse war jedenfalls rekordverdächtig.

Von Maximilian Schönherr | 28.01.2010
    Im Grunde haben sich bei dem Apple Event am Mittwoch, 10 Uhr kalifornischer Zeit, die Gerüchte bestätigt, die in den letzten Wochen umgingen, nämlich dass Apple einen Computer präsentieren wird, der quasi nur aus Bildschirm besteht, einen so genannten Tablet-PC. Bloß bei der Namensfindung und beim Preis tippten alle Spekulanten daneben. Das Gerät heißt nicht "iSlate" - Slate, wie Schiefer, in Anlehnung an die Schiefertafel-, auch nicht "iTablet", sondern einfach "iPad". Pad kann vieles bedeuten, aber immer etwas Flächiges.

    Apple hat die Veranstaltung nicht selbst übers Internet verbreitet, sondern setzte bewusst auf die Indiskretion von im Saal anwesenden Journalisten, die mit ihren Laptopcomputern und Mobiltelefonen die Vorgänge ins Netz beamten. Die Text- und Bild-Blogs, etwa bei der "New York Times", waren fast in Echtzeit weltweit zu sehen; die Qualität der Ton- und Videostreams hielt sich sehr in Grenzen und riss oft ab. Eine neue Qualität aber war, dass solche Streams überhaupt nach außen gelangten. Handys als Webcams quasi.

    Kurz nach 10 Uhr Ortszeit betrat ein sehr magerer Steve Jobs die Bühne des mit 800 Personen gefüllten Yerba Buena Center for the Arts Theater in San Francisco. Es war der erste Auftritt des erkrankten Gründers und Chefs von Apple seit Monaten. Jobs kam schnell zur Sache: Er zeigte auf der Leinwand links das iPhone und rechts ein MacBook, also einen tragbaren Computer. Dazwischen klaffte eine Lücke, die er testweise mit einem Netbook füllte, also einem dieser kleinen Billig-PCs, die vor allem eins können, surfen, sonst aber nicht viel. Das, so Steve Jobs, sei der falsche Weg. Eine neue Gerätegattung brauche Mehrwert, und wir – Apple – zeigen Sie Ihnen jetzt: Sie können damit das Internet bequem in die Hände nehmen wie eine Tafel und mit dem Fingern bewandern, und wir nennen die Tafel "iPad". Dann nahm der Mann im Sessel Platz, rief mit dem iPad die Webseite der New York Times auf, hörte Musik von Bob Dylan und suchte das nächste Sushi-Restaurant. Und fand es und sah sich im Internet einen Filmausschnitt an. Selbstverständlich in von Apple gewohnter exzellenter Ton- und Bildqualität.

    Einige Fakten: Das Gerät ist etwa so groß wie ein Mauspad, gut einen Zentimeter dick, und 700 Gramm schwer. Der 4:3-Bildschirm hat die Diagonale 9,7 Zoll. Das Gerät verhält sich wie ein iPhone, berührungsempfindlich, mit Bewegungssensor ausgestattet, wird aber von einem stärkeren Prozessor, dem Apple-eigenen A4 mit 1GHz Geschwindigkeit betrieben. Die Akkulaufzeit soll trotz des konventionellen Flüssigkristalldisplays bei 10 Stunden liegen. Die billigeren Modelle sind in zwei Monaten verfügbar und surfen über W-Lan. Etwas später folgen Geräte mit UMTS zum drahtlosen Surfen unterwegs, etwa im Zug. Die Preisspanne liegt zwischen 500 und 830 Dollar, das sind umgerechnet 360 bis 600 Euro. Die Moderatoren des Webstreams "live twit" wunderten sich über die Menge der Zuschauer ihrer Handy-Sendung direkt aus dem Saal: 100.000 waren es. So viele hatten sie noch nie.

    Steve Jobs stellte noch den iBookstore vor, also eine Konkurrenz zu Amazon, und ging. Kollegen von Apple erläuterten, dass praktisch all die zigtausend Programme fürs iPhone auch auf dem iPad laufen werden; Vertreter von Softwarefirmen wie Electronic Arts zeigten Autorennspiele und Malprogramme, die das Gerät als Zeichenblock oder als Lenkrad einsetzten. Die Moderatoren der Blogs und Streams blieben noch lange "on the Air". Die Frau am Mikro von "live twit tv" geriet gar ins Schwärmen, wie "zart" das Gerät sei, wie "smooth". Ganz so smooth ist unser erster gefühlter Eindruck aus der Ferne nicht. Das Gerät wirkt, als könnte es jeden Moment aus der Hand rutschen. Kein gutes Gefühl. Und weil es mit dem iPhone-Betriebssystem arbeitet, kann man auch hier nicht mehrere Programme parallel fahren und keine Webseiten mit Flash-Inhalten sehen.