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Ende eines langen Leidens

Eine Transplantation von Herz, Niere, Leber oder Bauchspeicheldrüse zählt heute schon fast zur Routine. Anders ist es dagegen beim Dünndarm. Es kommt sehr selten vor, dass dieses Organ allein übertragen wird. Zum einen, weil nur wenige Patienten dafür infrage kommen und zum andern, weil das Organ oft abgestoßen wird. In Deutschland wurde diese Operation erst ein Dutzend mal durchgeführt. Im Mai haben Ärzte an der Uniklinik Köln den ersten Dünndarm transplantiert. Mit großem Erfolg. Für den Patienten bedeutete die Operation das Ende eines Leidensweges.

Barbara Weber |
    Es ist also circa eineinhalb Jahre her. Es ist mir abends plötzlich schlecht geworden. Ich musste erbrechen. Und da hab' ich festgestellt, dass da Blut mitkam. Und da hab' ich natürlich richtig Angst bekommen und bin dann sofort in die Klinik gefahren. Von dieser Klinik aus, die hat mich dann weiter verwiesen einen Tag später an die Uniklinik hier. Und dann fehlt mir etwas, dann habe ich das Aufnahmegespräch, das habe ich wohl noch mitbekommen, und dann, das nächste was ich wusste, dass ich 14 Tage später wieder aufgewacht bin.

    Gert Schneider, 38 Jahre alt und von Beruf Polizeibeamter, wusste nicht, dass er an einer seltenen Blutgerinnungsstörung litt. Die Folge war ein Blutgerinnsel, was sich löste und eine wichtige Arterie verstopfte, wie an der Uniklinik Köln festgestellt werden konnte. Diese Arterie versorgt den Dünndarm mit Blut. Prof. Arnulf Hölscher, Direktor der Klinik für Viszeral- und Gefäßchirurgie der Uniklinik Köln, leitete sofort eine Operation ein:

    Die Situation ist bedrohlich, und deshalb muss man sofort agieren. Das erste Ziel ist dabei, zu versuchen den Dünndarm in seiner Durchblutung wieder herzustellen.... Der Patient wird operiert und man prüft die Durchblutung des Dünndarms und versucht, die Gefäße wieder durchgängig zu machen. Wenn der Zustand zu lange her ist, und dieses Gerinnsel an ungünstiger Stelle ist, dann kann es sein, und so war es hier auch, dass man den Dünndarm nicht wieder zur Durchblutung bekommt. Und dann ist es abgestorbenes Gewebe im Körper, das den Patienten sehr bedroht, dann muss man ihn entfernen.

    Der gesamte Dünndarm musste entfernt werden. Das hat weitreichende Konsequenzen: Da der Dünndarm die Nahrung verdaut, kann sie ohne das Organ nicht mehr verwertet werden. Das gilt ebenso für alle Nährstoffe wie Vitamine und Spurenelemente. Denn der Dickdarm trennt nur die flüssigen von den festen Stoffen. Um nicht zu verhungern, musste Gert Schneider über Infusionen ernährt werden.

    Das war fürchterlich. Also ich hab' die Ernährung überhaupt nicht vertragen. Ich bin erst mal geschult worden, dass ich das alles selber machen kann, dass nicht immer ein Pflegedienst kommen muss. Und ich habe die Nahrung nicht vertragen. Ich hatte also pro Tag 20-30 Stuhlgänge. Dazu musste ich, fast rund um die Uhr, alles, was ich noch oral zu mir nahm, ich musste ja auch oral weiter essen, damit die anderen Organe nicht versagen, dass habe ich meistens wieder erbrechen müssen. Und ich bin immer weniger geworden. Die Kilos, die purzelten nur so runter.

    Der Patient war hocherfreut, als der Anruf aus der Uniklinik kam, für ihn stünde ein Dünndarm zur Verfügung, der ihm transplantiert werden könnte. An dem Transplantationszentrum in Köln hatte man zwar reichlich Erfahrung mit der Übertragung von Niere, Leber und Bauchspeicheldrüse, jedoch nicht mit Dünndarmtransplantationen. Andererseits war das Team gut vorbereitet, denn der Oberarzt Tobias Beckurts hatte in den USA schon entsprechende Erfahrung sammeln können.

    Die Operation als solches ist nicht sehr schwer. Sie steht und fällt mit der Durchblutung des Dünndarms. Das heißt, man muss die Arterie des Spenderorgans, was man entnimmt, und die Vene, des Spenderorgans, an den Blutkreislauf des Empfängers anschließen. Und diese neuen Verbindungen sind diffizil, die müssen ganz exakt gemacht sein, um erneute Thrombosen zu verhindern... Das wesentliche Problem, bei der Dünndarmtransplantation im Vergleich zu anderen Transplantationen, liegt in der hohen Rate an Abstoßungen. Das Risiko für Abstoßungen ist bei der Dünndarmtransplantation sehr viel höher als man es von der Leber, vom Herz oder von der Niere kennt.

    Das liegt daran, dass der Dünndarm eine große Anzahl an bestimmten Zellen enthält. Diese reagieren wiederum mit bestimmten Antikörpern. Dadurch lösen sie Abstoßungsreaktionen aus, das heißt, der Dünndarm provoziert die Abstoßung.

    Und deshalb muss man bestimmte Verfahren der Immunsupression, das heißt, der Abschwächung des Immunstatus des Patienten zur Verhinderung der Abstoßung des Organs einsetzen. Das sind eben bestimmte Medikamentenkombinationen, die der Patient bekommt und tagtäglich einnehmen muss.

    Die Transplantation war im Mai. Bislang ist der Verlauf sehr günstig, betont Professor Hölscher. Zum einen sei die Operation gut geglückt zum anderen zeigten sich bis jetzt keine Abstoßungsreaktionen. Das liegt auch daran, dass Gert Schneider seine Medikamente regelmäßig nimmt. Er ist froh, die Operation überstanden zu haben und auch seine Familie ist glücklich, dass es ihm wieder besser geht.

    Mir geht es also - also kein Vergleich vor der Transplantation zu dieser Zeit. Ich hab' wahnsinnig abgenommen. Ich bin jetzt noch im Aufbau, muss also jetzt wieder ein bisschen zunehmen und versuche langsam mal, wie ein normaler Mensch wieder auszusehen. ... Das kann man schon sagen, dass ich mich auf jeden Fall besser fühle. ... Das war die große Erleichterung für uns, dass es geklappt hat.

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