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"Endlich aufräumen"

Die Stasi-Lebensläufe vieler ehemaliger und noch amtierender Politiker, Generäle und Kirchenmänner sind derzeit in Polen in aller Munde. Seitdem die Wildstein-Liste Namen zu den Bespitzelungen im kommunistischen Polen publik gemacht hat, herrscht allgemeine Aufregung - auch im Parlament. Hier bedient sich nun die Patriotische Bewegung der Wirren um die Vergangenheit als Mittel im Machtkampf gegen die polnische Linke.

von Jan-Uwe Stahr und Wojtek Mroz |
    Antoni Macierewicz steht am Rednerpult im Sejm, unterstreicht seine Worte mit gestikulierender Hand. Der dunkel getäfelte Plenarsaal ist nur halb gefüllt. Die Regierungsbank fast leer. In den Sitzreihen der Linken räkeln sich gelangweilte Abgeordnete. Immer wieder zeigt Macierewicz drohend in ihre Richtung

    Als "Altkommunisten" beschimpft Macierewicz die Abgeordneten der Linken. Die mit der sowjetischen Roten Armee nach Polen gekommen seien. Und heute alles bekämpften, was polnisch ist. "Ihr seid verantwortlich für die schlechte Stimmung im Land. Polen hat von Euch genug" schimpft der Vorsitzende der "Patriotischen Bewegung".

    Pause. Die Parlamentarier strömen aus dem Sitzungssaal. In der Lobby warten Reporter. Kamerateams bauen sich auf. Ein großer, schlanker, älterer Herr kommt schnellen Schrittes die Treppe herauf: Antoni Macierewicz. Grauer Anzug. Grauer Vollbart. Graue, stechende Augen. Er lächelt kurz in die eingeschalteten Kameras, eilt weiter in Richtung Abgeordneten-Büros. Per Handy gibt er Anweisungen für eine Presseerklärung. Es geht um einen Abgeordneten aus seinem Wahlbündnis. Mit sofortiger Wirkung werde dieser ausgeschlossen.

    Das Büro Nr. 310 ist schmal und dunkel. Ein Schreibtisch für den Mitarbeiter. Ein kleiner Besprechungstisch mit vier Stühlen. Ein Aktenschrank. An der Wand: Ein Kalender. Zwei politische Karikaturen über skandalverstrickte Sozialisten. Und eine große Uhr, deren Zeiger stehen geblieben sind. Warum er seinen Parteifreund, den Abgeordneten Robert Lusnia, gefeuert hat?

    " Es wurde festgestellt, dass er ein Agent des SB gewesen ist. Und deshalb wurde er aus dem Bündnis ausgeschlossen. Er war aber erst 17 als er unterschrieben hatte. Solche dramatischen Situationen kann man hier erleben. Den Lusnia kenne ich seit 20 Jahren. "

    Bei Verstrickungen mit dem SB, dem früheren kommunistischen Geheimdienst kennt Macierewicz kein Pardon. Denn der einstige Bürgerrechtler und spätere Innenminister hat einen Ruf zu verlieren: Als kompromissloser Gegner ehemaliger Kommunisten und ihrer Seilschaften. Und als Verfechter der so genannten Lustration. Also der Überprüfung auf frühere SB-Mitarbeit. Macierewicz legt die rechte Hand auf die Brust.

    " Wissen Sie, wenn Sie sagen, dass ich die Lustration unterstütze, dann sage ich: Ich bin derjenige, der mit der Lustration in Polen erst angefangen hat. "

    1991 bis 1992 war Macierewicz polnischer Innenminister. Sein vorrangiges Ziel damals: ehemalige Kommunisten per Gesetz aus öffentlichen Ämtern fernzuhalten. Doch schon nach einem halben Jahr musste die Regierung zurücktreten. Vor allem wegen des eigenmächtigen und missbräuchlichen Umgangs mit Geheimdienst-Akten. Präsident Lech Walesa hatte damals interveniert. "Ich kenne den Inhalt seiner Akte" sagt der ehemalige Innenminister mit stechendem Blick. Aber nun sei das meiste verschwunden.

    " Er hat einen Teil seiner eigenen Akten 1993 geklaut. Er hatte sie beim damaligen Innenminister Mielczanowski angefordert, und zurückgegeben hat er nur leere Briefumschläge mit altem Zeitungspapier. Es gab damals ein Gerichtsverfahren. Der Beamte, der ihm die Akte gebracht hatte, wurde verurteilt, nicht aber Lech Walesa. "

    Auch die Vergangenheit des einstigen Solidarnosz-Helden habe hässliche Flecke. Walesza habe unter dem Tarnnamen "Bolek" seine Mitstreiter bespitzelt und verraten.

    " Als Lech Walesa mich anrief, damals noch als Präsident, sagte er: Weißt Du nicht, wer hier spricht? Hier spricht Bolek. Er hat die Kollegen bespitzelt. zum Beispiel "Malinowski bereitet die Demonstration vor". Also die Spitzelberichte von Walesa sind wirklich unangenehm. "

    "Grüß Gott" sagt Macierewicz ins Telefon. Seine grauen Augen leuchten jetzt. Die Fernseh-Redaktion von Radio Maria ist am Apparat. Macierewicz soll zum Orlen-Skandal und den Machenschaften ehemals kommunistischer Seilschaften interviewt werden. Und natürlich zu seinen politischen Forderungen nach einer Ausweitung der Lustration. Er sei in fünf Minuten bereit sagt Macerewicz und strahlt. Sein Thema, die Lustration, ist derzeit wieder gefragt:

    " Die Lustration ist ein Instrument zur Eliminierung alter Agenten aus dem öffentlichen Leben. Die sorgen noch immer dafür, dass Polen von Moskau abhängig ist. Das alte Agenten-Netz unterstützt die Wirtschaftsmafia. Das haben wir ohne Wenn und Aber mit unserer Aufklärungsarbeit im Orlen-Untersuchungsausschuss bewiesen. "

    Die Polen hätten genug von den Machenschaften der Altkommunisten und den alten Geheimdienstseilschaften, sagt Macierewicz noch einmal. Und ballt dabei die rechte Hand zur Faust. Damit müsse jetzt endlich aufgeräumt werden. Die alten Geheimdienst-Akten sollen dem ehemaligen Innenminister und seinen Verbündeten aus dem rechten Lager dabei helfen. Die Kontrolle über die Akten hat heute allerdings das IPN, das Institut für Nationales Gedenken. Und das ärgert Antoni Maciarewicz.

    " Professor Kieres, der Chef des IPN macht alles, als ob er ein privates Archiv hätte. Und sagt die Wahrheit, wann es ihm gerade passt. Jetzt hat er hat den Fall von Pater Hajmo publik gemacht. Gut. Einverstanden. Aber warum macht er es nicht bei Präsident Kwasniewski, General Jaruzelski und so weiter - die für Verbrechen verantwortlich sind. Die Wildstein-Liste bringt alles durcheinander. Und Herr Professor Kieres weigert sich zu sagen, wer Agent und wer nur Kandidat gewesen ist. Ich bin für diese Liste, aber da gibt es ein paar kleine Manipulationen. "