Schließlich rollen sie den frisch gemeuchelten Fürsten in den roten Teppich ein – aber das ist auch schon die einzige, für den vorletzten Moment des Abends aufbewahrte Fallhöhe, die sich Thomas Bischoffs Bremer "Wallenstein" genehmigt. Bis dahin belässt der für strenge szenische Arrangements sowie für die Beschwörung des Entsetzens nur aus der filigranen Erforschung der Sprache bekannte Theatermacher diese Geschichte des allgegenwärtigen Verrats im politischen Kampf um die Macht ganz in den Sphären von Ränkespiel und Verschwörung. Verringert zunächst (wie schon vom Autor in der so genannten "Hamburger Fassung") um den kompletten ersten Teil, "Wallensteins Lager" also, und auch danach noch (wie immer bei Bischoff) weiterhin reduziert auf das für seinen Blick Wesentliche, schrumpft Schillers monströses Panorama über Welt und Krieg, Treue und Macht in Bremen fast zusammen auf die Dimensionen des Kammerspiels – und allein das schon macht Staunen.
Und wer sich verbleibende drei Stunden netto zurechtfinden mag in dieser eiskalten Männerwelt, fühlt sich zuweilen vielleicht schon an das erinnert, was heute aus den Vorzimmern der Macht an die Öffentlichkeit dringt. Schiller immerhin schreibt über einen Konflikt, der gerade eineinhalb Jahrhunderte vor seiner Zeit die bekannte Welt, also den europäischen Kontinent, qualvoll durcheinander wirbelte und das Unterste zuoberst kehrte – in unserer Zeit der Beschleunigung muten die Verschwörer und rückgratlosen Treuebrecher hinüber und herüber zwischen Kaiser und Feldherr an wie die Diplomaten zur Zeit des, sagen wir mal, Ersten Weltkriegs; Uta Kalas durchaus nicht zeitgebundene Kostüme rücken sie sogar noch ein wenig weiter an die Gegenwart heran – ohne dass der Ton des Dramas dadurch nennenswert verändert würde.
Wallenstein, der große Zauderer, der die günstigsten Momente des Zugriffs auf politische Macht verzögert, weil es ihm die Sterne und deren Interpreten noch nicht eingegeben haben; das weiß, wer seinen ganzen Schiller kennt. Bischoff erklärt das wunderlichste aller Wallenstein-Details, eben des Feldherrn Sternengläubigkeit, und also den in Kreuzworträtseln ("Figur aus dem ‚Wallenstein‘ mit vier Buchstaben") hoch beliebten Astrologen Seni wie vieles andere auch zum überflüssigen Dekor. Dafür aber hat wiederum Uta Kalt über die Bühne, einen Raum aus hintereinander gestaffelten Freitreppen, deren Tal in der Mitte jeder durchschreiten muss, der auf die Höhen des Spielplateaus vorne gelangen will, einen gewaltigen Spiegel gehängt, der wie auf Milchstraßen aus kleinen Leuchtspuren das Personal immer schon ankündigt, bevor es ganz sichtbar vorne angelangt ist- auch ein Stück Sternkuckerei.
Natürlich bleibt Bischoffs "Wallenstein"-Fassung auch darin ein anstrengendes Exerzitium, das nicht jeder in Bremen bis zum bitteren Ende durchstehen mochte. Denn während Bischoff die im Stück durchaus, wenn auch bestenfalls schemenhaft (und nur mit Mühe unter aktuellen oder auch bloß zeitgenössischen Aspekten) zugängliche Erkundung der Motiv-Struktur von Treue und Verrat praktisch auf null gefahren hat, muss er sich (und will er sich ja auch!) ganz auf Kraft und Wucht der Sprache verlassen. Und in der Tat war dieser Wort-Verhau wie aus Stacheldrähten wohl lange nicht so durchlässig, so erkennbar und durchschaubar – auch und gerade im Ton dieses durchweg eher zu jung sortierten Bremer Ensembles, mit Hans-Werner Leupelt in der Titelpartie und Martin Baum als blitzgescheitem "alten" Piccolomini vorneweg. Die Jungen, also Piccolominis Sohn Max und des Feldherrn Tochter Thekla, füreinander bestimmt und aus wiederum politischer Erwägung voneinander fern gehalten, sind aus dieser Perspektive dann wirklich sehr jung – mit der Wirkung erstaunlicher Frische im finstren Spiel.
Diese Liebe in Zeiten des Krieges aber hat keine Chance, und darf keine haben. Darum singt Friederike Pöschel zum Verzweifeln schön die ollen Kammellen für Haudegen und solche, die es werden müssen: "Auf-auf, Kameraden, auf's Pferd, auf’s Pferd!" und: "Und setzet Ihr nicht das Leben, nie wird Euch das Leben gewonnen sein!" Was Sterbende eben so singen.
So schlicht Bischoffs szenische Methode wirken mag, so klar folgt sie stets einem Plan. Und doch wächst mit der Zeit (und speziell diesmal) eine kleine Sehnsucht nach Aufklärung – dass etwa dieser zaudernde Machtmensch Wallenstein auch ein Warlord seiner Zeit war, Krieger und Ökonom, vertraut im Umgang mit Waffen wie mit Geld, hingebungsvoll für andere, aber vor allem und in allem und letztlich nur für sich selber und den eigenen Vorteil kämpfend, in den Grundsätzen bodenständig, in Strategie und Methode aber modern und seiner Zeit weit voraus. All das zeigt Bischoff in Bremen nicht – aber die Inszenierung macht Lust, nach diesem "Wallenstein" zu suchen.
Und wer sich verbleibende drei Stunden netto zurechtfinden mag in dieser eiskalten Männerwelt, fühlt sich zuweilen vielleicht schon an das erinnert, was heute aus den Vorzimmern der Macht an die Öffentlichkeit dringt. Schiller immerhin schreibt über einen Konflikt, der gerade eineinhalb Jahrhunderte vor seiner Zeit die bekannte Welt, also den europäischen Kontinent, qualvoll durcheinander wirbelte und das Unterste zuoberst kehrte – in unserer Zeit der Beschleunigung muten die Verschwörer und rückgratlosen Treuebrecher hinüber und herüber zwischen Kaiser und Feldherr an wie die Diplomaten zur Zeit des, sagen wir mal, Ersten Weltkriegs; Uta Kalas durchaus nicht zeitgebundene Kostüme rücken sie sogar noch ein wenig weiter an die Gegenwart heran – ohne dass der Ton des Dramas dadurch nennenswert verändert würde.
Wallenstein, der große Zauderer, der die günstigsten Momente des Zugriffs auf politische Macht verzögert, weil es ihm die Sterne und deren Interpreten noch nicht eingegeben haben; das weiß, wer seinen ganzen Schiller kennt. Bischoff erklärt das wunderlichste aller Wallenstein-Details, eben des Feldherrn Sternengläubigkeit, und also den in Kreuzworträtseln ("Figur aus dem ‚Wallenstein‘ mit vier Buchstaben") hoch beliebten Astrologen Seni wie vieles andere auch zum überflüssigen Dekor. Dafür aber hat wiederum Uta Kalt über die Bühne, einen Raum aus hintereinander gestaffelten Freitreppen, deren Tal in der Mitte jeder durchschreiten muss, der auf die Höhen des Spielplateaus vorne gelangen will, einen gewaltigen Spiegel gehängt, der wie auf Milchstraßen aus kleinen Leuchtspuren das Personal immer schon ankündigt, bevor es ganz sichtbar vorne angelangt ist- auch ein Stück Sternkuckerei.
Natürlich bleibt Bischoffs "Wallenstein"-Fassung auch darin ein anstrengendes Exerzitium, das nicht jeder in Bremen bis zum bitteren Ende durchstehen mochte. Denn während Bischoff die im Stück durchaus, wenn auch bestenfalls schemenhaft (und nur mit Mühe unter aktuellen oder auch bloß zeitgenössischen Aspekten) zugängliche Erkundung der Motiv-Struktur von Treue und Verrat praktisch auf null gefahren hat, muss er sich (und will er sich ja auch!) ganz auf Kraft und Wucht der Sprache verlassen. Und in der Tat war dieser Wort-Verhau wie aus Stacheldrähten wohl lange nicht so durchlässig, so erkennbar und durchschaubar – auch und gerade im Ton dieses durchweg eher zu jung sortierten Bremer Ensembles, mit Hans-Werner Leupelt in der Titelpartie und Martin Baum als blitzgescheitem "alten" Piccolomini vorneweg. Die Jungen, also Piccolominis Sohn Max und des Feldherrn Tochter Thekla, füreinander bestimmt und aus wiederum politischer Erwägung voneinander fern gehalten, sind aus dieser Perspektive dann wirklich sehr jung – mit der Wirkung erstaunlicher Frische im finstren Spiel.
Diese Liebe in Zeiten des Krieges aber hat keine Chance, und darf keine haben. Darum singt Friederike Pöschel zum Verzweifeln schön die ollen Kammellen für Haudegen und solche, die es werden müssen: "Auf-auf, Kameraden, auf's Pferd, auf’s Pferd!" und: "Und setzet Ihr nicht das Leben, nie wird Euch das Leben gewonnen sein!" Was Sterbende eben so singen.
So schlicht Bischoffs szenische Methode wirken mag, so klar folgt sie stets einem Plan. Und doch wächst mit der Zeit (und speziell diesmal) eine kleine Sehnsucht nach Aufklärung – dass etwa dieser zaudernde Machtmensch Wallenstein auch ein Warlord seiner Zeit war, Krieger und Ökonom, vertraut im Umgang mit Waffen wie mit Geld, hingebungsvoll für andere, aber vor allem und in allem und letztlich nur für sich selber und den eigenen Vorteil kämpfend, in den Grundsätzen bodenständig, in Strategie und Methode aber modern und seiner Zeit weit voraus. All das zeigt Bischoff in Bremen nicht – aber die Inszenierung macht Lust, nach diesem "Wallenstein" zu suchen.