Endlich Nichtleser
Ein Geständnis an dieser Stelle: Ich, Ihr Rezensent, bin einem Irrtum erlegen. Er reicht, wie die meisten grundlegenden Irrtümer unseres Lebens, sehr weit zurück in die Jugend, entstand vermutlich im melancholischen Abschnitt der Pubertät, wo man ziemlich genau weiß, was man nicht werden will, aber nicht den blaßesten Schimmer davon hat, wer man eigentlich ist. In diesen Zeiten beschloß ich, ein Buch zu werden. Nicht Leser oder Autor, oder gar Rezensent, nein: Buch. Ledergebunden mit Goldschnitt, versteht sich, also ein Werk, das Respekt erheischt, aber dennoch hin und wieder aus dem Regal gezogen und heimlich gestreichelt wird ... vielleicht ein Lexikon der Sexuologie in blauem Saffian. Unnötig zu sagen, daß dieser Plan fehlschlug. Wahrscheinlich, den Verdacht trage ich seit langem mit mir herum, lese ich zu wenig. Das liegt daran, daß ich Bücher eigentlich nicht leiden kann. Ja, frank und frei: Ich hasse sie! Sie machen mich einsam, exzentrisch, schneiden mir den Weg zum Sonnenlicht ab und verstärken die Neigung zu Staubasthma. Je mehr ich lese, desto unglücklicher werde ich, denn irgendwann wird mein Kopf bersten und sich all die halbverdaute Lektüre über die Welt ergießen. Schon aus Furcht davor besuche ich keine gesellschaftlichen Veranstaltungen mehr.