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Energie aus dem All

Energie. - Sonnenenergie kann auch in einer Erdumlaufbahn gesammelt und gebündelt zur Erde gestrahlt werden. Dieses Prinzip kursiert schon lange unter Raumfahrtenthusiasten, doch jetzt scheint es einer Erprobung näherzurücken.

Von Guido Meyer |
    Solarfarmen im All, die die Erde umkreisen und das Sonnenlicht herunterschicken – bislang existieren solche Projekte nur in den Köpfen einiger Raumfahrtvisionäre, auf dem Papier – und als Modell. Eines hat die amerikanische Moon Society gebaut, ein privater Interessenverband, der sich für eine Rückkehr zum Mond stark macht, sich aber auch für andere Innovationen in der Weltraumfahrt einsetzt. Peter Kokh, der Präsident der Moon Society:

    "Hier haben wir zwei gigantische Solarpaneele, die das Sonnenlicht einfangen und auf einen zentralen Kollektor konzentrieren. Im Original hätten die Sonnensegel eine Spannweite von mehreren Kilometern. Der zentrale Kollektor wandelt diese Energie um und schickt sie als Mikrowellen hinunter auf die Erde. Jede solche Anlage könnte den Energiebedarf einer Großstadt abdecken."

    Das Original im Orbit würde die Mikrowellen zunächst auf eine Bodenstation auf der Erde richten. Ein Mikrowellenstrahl jedoch, der über eine Distanz von 36.000 Kilometern geschickt wird, "franst aus”. Ähnlich dem Lichtkegel einer Taschenlampe, der mit zunehmender Entfernung von der Lichtquelle immer mehr streut, verbreitet sich der Mikrowellenstrahl aus dem All – und zwar so sehr, dass als Empfangsanlage keine Satellitenschüssel mehr genügt, sondern ein ganzes Areal von Empfängern nötig wäre. Darel Preble, der Vorsitzende des Space Solar Power Workshops, einer Interessenvereinigung, die sich für die Nutzung von Energie aus dem All einsetzt.

    "Die Größe dieser Empfangsstationen hängt von der Intensität der Strahlung ab. Diese müssten eine Seitenlänge von fünf Kilometern haben, wenn die Strahlung mit einer Frequenz von 5,8 Gigahertz auf der Erde eintrifft. Auch die Satelliten müssten eine Spannweite von mehreren Kilometern haben, um effizient zu arbeiten."

    Was so lange durchdacht wurde, soll nun erstmals in die Tat umgesetzt werden: Die Firma Space Energy aus Schaffhausen will bereits in drei Jahren den ersten Satelliten ins All schicken, der Sonnenenergie auffangen und auf den Boden weiterleiten soll. - In Kalifornien will der lokale Stromversorger den südlichen Teil des US-Bundesstaates ab 2016 mit Strom aus dem All beliefern. Bereitstellen soll ihn die kalifornische Firma Solaren, die dazu derzeit Verhandlungen mit amerikanischen Raumfahrtkonzernen über die Nutzung ihrer Startraketen führt. Carl Boerman, Director of Energy Services bei Solaren.

    "Wir werden einzelne Bauteile starten, die entweder unabhängig voneinander oder zusammen arbeiten können. Es werden jedoch keine Astronauten irgendwelche Aufbauarbeiten im All ausführen müssen; das wird alles automatisch passieren."

    Am von Solaren vorgelegten Zeitplan und an der Effizienz des vorgeschlagenen Systems bestehen unter Experten Zweifel. Einer von ihnen ist John Mankins, der sechs Jahre lang bei der US-Raumfahrtbehörde Nasa die Forschungsgruppe zur Space Solar Power geleitet hat und heute Artemis Innovation als Präsident vorsteht. Diese Beratungsfirma in der Nähe von Washington, D.C., macht sich für die Förderung neuartiger Technologien stark, zu denen sie auch Space Solar Power zählt.

    "Dies bedeutet Millionen Dollar für die Infrastruktur auf dem Boden, Dutzende von Millionen für eine Demonstration des gesamten Systems, Hunderte von Millionen für die Transportkosten in den Weltraum, Milliarden von Dollar um einen voll funktionierenden Prototypen im All zu entwickeln."

    Noch in diesem Jahr wollen sowohl Space Energy wie Solaren ihre Finanziers offenlegen und einen Fahrplan veröffentlichen, wann sie mit dem Bau von Solarfarmen im All beginnen wollen.