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Energie aus der Tiefe

Langsam verheilen die Wunden, die der Bürgerkrieg vor 17 Jahren in Ruanda hinterließ. Das Land braucht für seinen Fortschritt nun viel Energie. Ein Teil davon soll aus dem riesigen Kivu-See im Westen Ruandas gewonnen werden. Dort bildet sich Methangas - eine unerschöpfliche Energiequelle.

Von Gaby Mayr und Günter Beyer | 11.07.2011
    Der Kivu-See ist ein Bergsee im Herzen Afrikas, fünf Mal so groß wie der Bodensee. Seine Ufer sind zerklüftet, auf ruandischer Seite dich besiedelt. Gegenüber, auf kongolesischer Seite, düstere Wälder. In den Tiefen des Sees ruht ein Schatz, erzählt Charles Nyirahuku vom Infrastrukturministerium in Ruandas Hauptstadt Kigali.

    "Das Methangas im Kivu-See ist eine sehr ungewöhnliche Ressource. Ruanda und die Demokratische Republik Kongo sind die einzigen Länder, wo man diesen Rohstoff in solcher Menge findet."

    Auf 60 Milliarden Kubikmetern werden die Methanvorräte im Kivu-See geschätzt. Damit könnte eine deutsche Großstadt 50 Jahre lang ihren Strombedarf decken. Mit einer Pilotanlage wird erprobt, wie die Förderung funktionieren kann.
    Anderthalb Kilometer von der Küste entfernt ist eine Förderplattform im See verankert. Betriebsleiter Ntirushwa Olivier erklärt die Gasgewinnung.

    "Von der Plattform aus führt ein Rohr 320 Meter in die Tiefe. Dort unten lagert ein Gas-Wasser-Gemisch. Wenn es hoch kommt, sieht man Blasen - diese Blasen enthalten das Gas."

    Unter der Plattform ist der sogenannte Separator angebracht. Darin wird das Gas vom Wasser getrennt. Der nächste Bearbeitungsschritt findet in einer Apparatur auf der Plattform statt:

    "Durch einen Reinigungsprozess - wir nennen das Schrubben - erreichen wir eine gewisse Konzentration an Methan."

    Das vor allem von Schwefelwasserstoff befreite Gas wird getrocknet und durch eine Pipeline zu den Generatoren an Land transportiert. Wenn alle drei Generatoren auf Hochtouren laufen, liefert die Pilotanlage genug Strom für die benachbarte Stadt Gisenyi. Der Vorteil der - in Deutschland hergestellten - Generatoren:

    "Die Maschinen brauchen kein ganz reines Methan, der Methananteil beträgt nur 45 bis 50 Prozent."

    Das Gas ist eine Quelle, die nicht versiegt: Im Sediment auf dem Grund des Kivu-Sees finden ständig Fäulnisprozesse statt. Dabei entsteht laufend neues Methan. Eine ideale, unerschöpfliche Energiequelle also? Charles Nyirahuku vom Infrastrukturministerium spricht auch über Schattenseiten:

    "Es kann eine Situation eintreten, dass das Wasser des Kivu-Sees völlig mit dem Gas gesättigt ist und das Methan dann unkontrolliert entweicht."

    Methangaswolken, die aus dem See aufsteigen und an Land gelangen, könnten zum Beispiel Menschen und Tiere ersticken. Von einer derartigen Gaskonzentration im Wasser sei man aber weit entfernt, versichert Nyirahuku. Allerdings: Der zentralafrikanische Graben, auf dem der Kivu-See liegt, ist eine Erdbeben gefährdete Region. Große Erschütterungen können auch die Gas-Wasser-Mischung in den Tiefen des Sees durcheinander bringen. Deshalb, so der Mann aus dem Ministerium, sei die Gasförderung auch aus Sicherheitsgründen sinnvoll.

    "Die beste Methode, die Risiken zu begrenzen, besteht darin, das Gas zu fördern, es zu nutzen und seinen Anteil im See auf einem sehr, sehr niedrigen Niveau zu halten."

    Die Pilotanlage funktioniert gut. Jetzt soll das Gas in größerem Umfang gefördert werden. Die Lizenz zum Bau eines 100-Megawatt-Kraftwerkes wurde bereits vergeben. Ein Ufergrundstück ist umzäunt und planiert, Wachmänner stehen an der Einfahrt zur Baustelle. Hier soll sie beginnen - Ruandas Energiezukunft mit dem Schatz im Kivu- See.