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Energie aus der Toilette

Regen in destilliertes Wasser und Abwasser in Dünger verwandelt eine Pilotanlage bei Pforzheim. Mit zwei Millionen Euro hat das Bundesforschungsministerium das Projekt "DEUS 21" gefördert. Im Moment verbindet die Anlage 105 Häuser, eine Versorgung von mehreren tausend Gebäuden könnte aber möglich sein.

Von Mirko Smiljanic |
    Die Straße "Am Römerberg" im baden-württembergischen Knittlingen unter-scheidet sich nach außen in nichts von vergleichbaren Neubaugebiet: Schmucke Häuser, frisch geteerte Straßen, hier und da unkrautbewachsenes Gelände. Einzig ein zweistöckiger würfelförmiger Holzbau passt nicht ins Bild: Es ist das Wasserhaus, in dem sich alle unterirdischen Wasserwege von 105 Häusern treffen und von dort wieder wegführen: Regen und Abwasser kommen, sauberes Wasser fließt zurück in die Häuser.

    "Zunächst sammeln wir dort Regenwasser und zwar das Regenwasser der Dächer, und wir speichern das Regenwasser im Bereich des Baugebietes, das sind insgesamt 105 Häuser, und nachdem das Wasser gespeichert ist, wird es aufgearbeitet und als destilliertes Wasser in die Häuser zurückgeführt","

    erläutert Professor Walter Trösch vom Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik in Stuttgart, wo das dezentrale urbane Infrastruk-tursystem "DEUS 21" entwickelt worden ist. Regenwasser zu sammeln und als so genanntes Pflegewasser etwa für die Toilettenspülung in die Häuser zu-rückzuleiten, hat zwei Vorteile: Erstens belastet der Regen nicht den Vorfluter, die Überschwemmungsgefahr sinkt; und zweitens werden in den Häusern weit weniger Haushaltschemikalien eingesetzt, weil das aufbereitete Regenwasser kalkfrei ist.

    Neben dem Regen- fließt aber auch das Abwasser der 105 Römerberg-Häuser in den Holzbau - wobei fließt nicht ganz korrekt ist: Eine Vakuumpumpe saugt das Wasser zusammen mit den Küchenabfällen an - vergleichbar mit der Toilettenspülung in Flugzeugen. Der Abfallbrei wird nun anaerob - also unter Abschluss von Luftsauerstoff - aufbereitet,

    ""…um die Inhaltsstoffe des Abwassers zu CH4 und CO2, sprich Biogas, umzuwandeln, und dieses Biogas ersetzt zu 70 Prozent Erdgas."

    Und in einem weiteren Schritt gewinnen die Stuttgarter Umwelttechniker schließlich zwei wertvolle Bestandteile aus dem Abwasser: Phosphor und Stickstoff.

    "Und auch durch die höheren Konzentrationen an Stoffen, die wir im Abwasser drin haben, ist es uns möglich, einfache Technologien und preisgünstige Technologien anzuwenden, um durch Fällungsreaktionen diese Stoffe aus dem gelösten Zustand in einen festen zu über-führen. Und damit hat man Kunstdünger und kann ihn sofort wieder in der Landwirtschaft einsetzen."

    Mit zwei Millionen Euro hat das Bundesforschungsministerium "DEUS 21" gefördert, wobei Walter Trösch betont, dass die Anlage auch mehrere hundert bis mehrere tausend Häuser versorgen könnte. Grundsätzlich ist sie aber als dezentrale Einheit geplant.

    "Ich denke sehr wohl, dass das ein Konzept der Zukunft ist, vor allen Dingen von der Kos-tenseite her und in Hinblick auf die Ressourcenschonung","

    so Uwe Hintz, Regional- und Landschaftsplaner aus Bergisch Gladbach in Nordrhein-Westfalen. Beim Blick auf die Installationskosten müsse man sich aber darüber im Klaren sein, dass Altbauten für "DEUS" kaum in Frage kommen.

    ""Das erscheint mir schwierig, weil ja hausintern ein doppeltes Leitungsnetz erforderlich ist. Ich glaube der Nachrüstaufwand wäre zu hoch, um noch wirtschaftlich zu sein. "

    Trotzdem - sagt Walter Trösch - könnte "DEUS 21" viel Gewinn abwerfen, weil dieses Modell...

    "…der deutschen Wirtschaft Exportmöglichkeiten in alle Länder bietet, in denen solche Infrastruktur noch nicht existiert. Das ist mit einer der wichtigsten Faktoren, dort der deut-schen Industrie ein Paket von Innovation zu liefern, die sich auf der Welt behaupten kann und deutsche Arbeitsplätze sichert. "