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Energie aus Grubenwasser

Die Nutzung von Wärmequellen aus der Erde nennt man Geothermie - auch wenn es sich bei der Quelle um das aufgeheizte Grubenwasser von Steinkohlebergwerken handelt. Die Umsetzung der geothermischen Nutzung von Grubenwasser scheiterte bisher aber an der Praxis, in Deutschland zumindest. In Holland nutzt man die seltene Wärmequelle bereits - mit EU-Fördergeldern.

Von Tonia Koch | 18.04.2005
    Im deutschen Steinkohlenbergbau werden täglich tausende von Kubikmetern Grubenwasser an die Oberfläche gepumpt. Das muss so sein, denn andernfalls würden die Bergwerke regelrecht "absaufen". Das zwischen 20 und 40 Grad warme Wasser wird in Flüsse und Bäche abgeleitet. Dort blühen dann erst die Algen und dann kippt das Gewässer. An einer wirtschaftlichen Nutzung dieser Wärmequelle aber ist die Deutsche Steinkohle AG nicht interessiert. Axel Schäfer, Markscheider bei der Deutschen Steinkohle AG:

    "Wenn sich Dritte darum bemühen, ist das kein Problem. Aber wir als deutsche Steinkohle werden uns nicht in ein solche Geothermie-Geschäft hineinmischen."

    In der Tat lassen die geltenden Subventionsregeln der Deutschen Steinkohle AG keine Spielräume, denn sie darf mit den staatlichen Beihilfen nur Kohle fördern oder Anlagen stilllegen. Geothermische Experimente dürfen damit nicht finanziert werden. Aber auch andere Unternehmen, die im Umfeld der Deutschen Steinkohle AG angesiedelt sind und nicht dem Subventionskodex unterliegen, sind am geothermischen Potenzial des Grubenwassers kaum interessiert. Für Experten nur schwer nachvollziehbar. Denn mit zunehmendem Zechensterben schwinden die Möglichkeiten, diese Wasserquellen kostengünstig zu erschließen. Ingo Schäfer vom Geologischen Dienst Nordrhein-Westfalen.

    "Dann ist die Chance vertan, sehr kostengünstig daran zu kommen, denn dann muss ich erst wieder sehr sehr tiefe Bohrungen abteufen, und das hat immer etwas mit Fündigkeitsrisiko, mit Bohrrisiko zu tun. Bei tiefengeothermischen Anlagen können wir davon ausgehen, das dreiviertel der Anlagekosten auf die Bohrkosten gehen."

    Die Experten fordern daher ein Umdenken. Vor allem müsste Interessenten, die geothermische Projekte angehen wollten, die Angst vor dem deutschen Bergrecht genommen werden. Das Bergerecht erlaubt demjenigen, der aktiv Bergbau betreibt auch, Erdwärme aus Grubenwasser zu gewinnen, weil sich die Prozesse nicht von einander trennen lassen. Dies bedeutet nach Auffassung der nordrhein-westfälischen Bergbehörde jedoch nicht, dass neben dem Bergbautreibenden Unternehmen kein anderes die Chance hat, an die Erdwärme heranzukommen. Peter Neuhaus, Abteilung Bergbau und Energie bei der Bezirksregierung Arnsberg.

    "Er ist allerdings – wenn sich ein anderer findet, der ein Interesse an der Nutzung der Erdwärme hätte und selber im Besitz einer entsprechenden Bergbau-Berechtigung wäre – verpflichtet, diesen Bodenschatz Erdwärme, Bodenschatz in Anführungsstrichen, herauszugeben."

    Grundsätzlich mag das stimmen, in der Praxis aber scheint sich niemand an die komplizierte Materie heranzutrauen. Eine erste Machbarkeitsstudie wurde vom EBV, dem Eschweiler Bergwerksverein für das stillgelegte Aachener Revier erstellt. Hier warten die Ingenieure auf die Genehmigungen, um in den kommenden fünf Jahre detaillierte Untersuchungen im Umfeld der ehemaligen Schachtanlagen durchführen zu können. Denn hier ist man überzeugt, dass sich die Versorgung mit Erdwärme rechnet. Peter Rosner, Geologe im Dienst des EBV:

    "Interessant wird es dann wenn der Energiebedarf an dem Schacht, über dem ich die Erdwärme nutzen will, möglichst groß ist. Das kann ein größere Siedlung sein, ein Gewerbegebiet, ein Schwimmbad. Also, es muss ein gewisser Energiebedarf da sein, damit sich die Investition auch amortisiert."

    Doch während in Deutschland noch geprüft und sondiert wird, handeln unsere Nachbarn längst. Im holländischen Heerlen startet 2006 eine Grubenwasserbohrung auf einem stillgelegten Zechengelände. Die Voraussetzungen sind längst nicht so vorteilhaft wie in den deutschen Revieren. Doch die Holländer haben es in mühevoller Kleinarbeit verstanden, die EU-Kommission für das Projekt zu begeistern und können mit europäischen Fördergeldern rechnen.