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Energie
Ökostrommarkt im Umbruch

Wer gezielt die Stromproduktion aus regenerativen Energien unterstützen möchte, findet Anbieter auf dem sogenannten freiwilligen Ökostrommarkt – meistens gegen einen Aufpreis. Den sind jedoch immer weniger Kunden bereit zu zahlen. Auf einer Tagung in Berlin diskutieren die Anbieter über ihre Zukunft.

Von Verena Kemna | 14.11.2013
    Bei dieser Tagung stehen viele Vertreter der Ökostrombranche auf dem Podium, die sich als Pioniere der ersten Stunde verstehen. Nach eigenem Selbstverständnis verkaufen sie nicht nur Ökostrom, weil es sich gut im Portfolio macht, sondern weil sie von der Energiewende überzeugt sind. Genau dort steckt das Dilemma. Denn infolge der großen Nachfrage ist der Ökostrommarkt anfällig für sogenannte Mogelpackungen. Allzu viele Anbieter verkaufen vermeintlichen Ökostrom zu Dumpingpreisen, bieten grün gewaschenen Ökostrom an, der tatsächlich aber aus alten Wasserkraftanlagen stammt, beklagt Udo Sieverding von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Dabei sollten Ökostromangebote eigentlich den Ausbau der Erneuerbaren Energien fördern.

    Nach einer Studie des Hamburg Instituts hat inzwischen jeder zehnte Haushalt zu einem Ökostromanbieter gewechselt, doch die wenigsten haben einen Vertrag mit einem der zertifizierten Anbieter wie zum Beispiel Ok Power. Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen ist einer der Träger des Vereins EnergieVision, der das Ok Power-Label vergibt. Udo Sievering ist Energieberater bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.

    "Wir brauchen eine Marktbereinigung auf dem Ökostrommarkt. Das, was derzeit stattfindet, das, was wir auch selbstkritisch - muss man -sagen, mit dem Anspruch mit einem Label für Transparenz zu sorgen, ist uns nicht in dem Ausmaß gelungen, wie wir uns das vorgestellt haben."

    Er spricht von einer Zäsur. Nach über zehn Jahren ist Ökostrom längst kein Nischenprodukt mehr, die Branche steht vor neuen Herausforderungen. In Zeiten, in denen Verbraucher mit steigenden Umlagen durch das Erneuerbare Energien Gesetz konfrontiert werden, würden es viele ablehnen, außerdem einen freiwilligen Aufpreis für Ökostrom zu zahlen, so die Erfahrung von Udo Sieverding.

    "Diese Koppelung, 6,24 Cent, das ist ärgerlich mit dieser EEG Umlage, aber wenn du zu hundert Prozent deine persönliche Bilanz umstellen willst, dann gib uns noch einen Cent mehr - das funktioniert meiner Meinung nach nicht mehr."

    Nur mit Transparenz, Glaubwürdigkeit und Vertrauen könnten Ökostromanbieter künftig ihre Kunden überzeugen, so ein Fazit der Tagung. Robert Werner vom Hamburg Institut ist einer der Autoren der Studie zum Freiwilligen Ökostrommarkt.

    "Natürlich finden Kunden Ökostrom gut, sie sagen auch alle, ich bin bereit, mehr zu zahlen. Wenn es dann aber zur Realität kommt, dann sind diese ganzen Umfragen nichts mehr wert. In dem Moment in dem Kunden die Auswahl haben an verschiedenen Ökostromangeboten und sie empfinden die gleichwertig, dann nehmen sie selbstverständlich den günstigsten."

    Trotzdem müssen Ökostromanbieter, die sich als Vorreiter verstehen, investieren, um neue Modelle zu entwickeln, etwa für Speicherkapazitäten oder Modelle zur Energieeffizienz, meint Robert Werner vom Hamburg Institut.

    "Es ist aber auch eine Chance für Anbieter, die sagen, der Preis ist mir egal, mir geht es um die Sache und ich will für die attraktiv sein, die bereit sind dafür zu zahlen. In diesem Kontext, glaube ich, kann der ganze Markt relativ gut leben und sich insgesamt auch entwickeln."
    Auch die Weiterentwicklung der Ökostromlabel gilt als eine der großen Herausforderungen. Die einen sind dafür jede Form der Zertifizierung abzuschaffen, andere wie etwa Thomas Banning von der Naturstrom AG plädieren für verschärfte Anforderungen:

    "Das klassische Vermarkten von Ökostrom, wie wir es die letzten 15 Jahre gemacht haben, wird an Bedeutung verlieren und es werden genau die konkreten Konzepte vor Ort, die mit den Kunden, seien es industrielle, gewerbliche oder private, erarbeitet werden, das wird eine ganz wichtige Funktion."

    Ökostromanbieter, die mit ihren Produkten die Energiewende vorantreiben wollen, müssen also gleichzeitig neue Geschäftsmodelle entwickeln und ihre Kunden mit einem hohen Maß an Glaubwürdigkeit überzeugen.