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Energie vom Floß

Technik. - Vor den Küsten Europas sprießen die Offshore-Windparks. Nachdem vor Dänemark bereits Strom auf der Nordsee gewonnen wird, soll in diesem Jahr auch eine Anlage in Deutschland dem Beispiel folgen. Um aus dem konstant starken Wind Energie gewinnen zu können, müssen die gewaltigen Windmühlen auf sicheren Füßen stehen. Statt eines herkömmlichen Fundamentes setzen Ingenieure jetzt auch auf schwimmende Pontons.

Von Monika Seynsche |
    Die Idee ist alt und verlockend. Man baut eine Windkraftanlage an Land, schleppt das fertige System aufs Meer und verankert es wie ein Schiff. Falls Probleme auftreten, holt man die Anlage zurück in den Hafen und repariert sie. Das könnte enorme Kosten sparen. Deshalb hat das auf Windenergie spezialisierte Planungsbüro Garrad Hassan schon vor zehn Jahren geprüft, welches Potential solche schwimmenden Windkraftanlagen haben. Peter Jamieson hat diese Studie als leitender Ingenieur bei Garrad Hassan betreut:

    Die Studie in den Neunzigern kam zu dem Schluss: technisch sind sie möglich, aber wirtschaftlich zu teuer. Wirtschaftlich gesehen stellte das Verankerungssystem ein riesigen Kostenfaktor dar und auch das System, dass für den Auftrieb sorgte. Zum damaligen Zeitpunkt gingen wir davon aus, dass eine schwimmende Anlage annähernd doppelt so teuer wäre wie eine fest verankerte Windkraftanlage.

    Mit dem Bau von fest verankerten Offshore-Windparks hat sich Martin Kühn in den letzten fünf Jahren beschäftigt. Heute ist er Professor für Windenergie an der Universität Stuttgart.

    Bei den schwimmenden Anlagen ist die Verankerung ein Problem, denn Sie müssen sich das nicht vorstellen wie bei einem Schiff, was mit einem oder zwei Ankern dort in der Windsee treibt, sondern sie brauchen mindestens drei Anker mit denen sie diesen Schwimmkörper fest am Boden festzurren, damit sie auch ein Nicken und Schaukeln dort verhindern.

    Wenn sich die Anlage durch die Wellen zu stark bewegt, werden die Bauelemente im Inneren der Turbine mechanisch so stark belastet, dass sie ausfallen könnten. Ganz verhindern lässt sich die Bewegung der Anlage durch Wellen und Wind allerdings nicht. Allein die Rotorblätter stellen eine Angriffsfläche für den Wind dar, die bis zu zwei Fußballfeldern entspricht. Dementsprechend groß sind die Kräfte, die auf die ganze Konstruktion einwirken. Trotz der großen Probleme ist der Traum von der schwimmenden Windkraftanlage dennoch nicht ausgeträumt - dafür sind die Vorteile einfach zu verlockend. Peter Jamieson:

    Es gibt eine ganze Reihe von Meeresgebieten mit optimalen Windbedingungen, in denen das Wasser aber viel zu tief für fest verankerte Windkraftanlagen ist. Wir interessieren uns für schwimmende Systeme bei Wassertiefen zwischen 50 und 200 Metern. In 200 Metern Tiefe ein festes Fundament zu bauen, wäre extrem teuer.

    So große Wassertiefen finden sich in weiten Teilen des Mittelmeeres sowie in den Küstengebieten um Irland und Schottland. Hier könnten schwimmende Windparks Energiepotentiale anzapfen, die ansonsten ungenutzt bleiben. Am weitesten geträumt hat das deutsche Ingenieurbüro Arcadis: Die Firma will in diesem Jahr die weltweit erste schwimmende Windkraftanlage bauen. Wie die Anlage aussehen wird, ist nicht bekannt - Arcadis hält sämtliche Details unter Verschluss. Bekannt ist nur, dass die Pilotanlage im September in der Lübecker Bucht schwimmen soll. Finanziert wird das Projekt von der Deutschen Bank. Andrew Henderson hat an den Universitäten von London und Delft verschiedene schwimmende Windkraftsysteme modelliert. Auch er kennt keine Details des Projektes von Arcadis, hält es aber für einen wichtigen Schritt bei der Weiterentwicklung dieser Technologie.

    Technisch sollte das funktionieren, denn ich bin sicher, dass Arcadis sorgfältige Berechnungen durchgeführt hat - das ist ein Ingenieurbüro mit viel Erfahrung. Ich bin mir auch sicher, dass die Bank das Projekt sehr gründlich geprüft hat. Außerdem wird Arcadis von einem großen Turbinenhersteller unterstützt. Technisch sollte das also gelingen. Die entscheidende Frage ist, ob sie in der Lage sein werden, die Anlagen so billig herzustellen, dass sie damit einen ganzen Windpark bestücken können. Aber ich wünsche ihnen auf jeden Fall viel Glück. Sie haben bessere Vorraussetzungen als jeder andere.