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Energieexpertin plädiert für Serienherstellung des Elektroautos

Die Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Claudia Kemfert, fordert die konsequente Umstellung der Autoindustrie hin zur Elektromobilität und zu erneuerbaren Energien. Den Klimaschutz nicht ernst zu nehmen koste Arbeitsplätze, so Kemfert.

Claudia Kemfert im Gespräch mit Christian Schütte |
    Christian Schütte: Strom aus der Zapfsäule? Was in Derdesheim als Pilotprojekt funktioniert, soll in den kommenden Jahren deutschlandweit zumindest in größeren Städten möglich werden. Bundesumweltminister Gabriel hat gestern im Deutschlandfunk erklärt, die Politik will die Elektromobilität verstärkt fördern. Heute treffen sich die zuständigen Minister mit Vertretern der Auto- und Stromkonzerne. Die Frage: welche Zukunft hat das Elektro- oder Hybridauto in Deutschland? – Darüber spreche ich mit Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Guten Morgen, Frau Kemfert!

    Claudia Kemfert: Guten Morgen, Herr Schütte.

    Schütte: Sehen Sie denn schon massenhaft Elektroautos auf deutschen Straßen rollen?

    Kemfert: So schnell natürlich nicht, denn massenhaft jetzt Elektrofahrzeuge sind ja auch in dem Moment noch gar nicht möglich, weil wir einerseits die Kraftwerkskapazität im Moment noch nicht haben, die Batterien – Sie haben es ja auch in dem Beitrag dargestellt – sind natürlich noch nicht technisch so weit, dass sie im Moment dann zu einem flächendeckenden Einsatz tatsächlich nutzen würden. Dort ist noch technologischer Fortschritt notwendig, um tatsächlich die vollständige Elektromobilität hier anzubieten. Aber ich glaube, dass es Schritt für Schritt in diese Richtung gehen wird oder zumindest in den nächsten 15 Jahren einige Fahrzeuge hinzukommen. Es gibt ja Studien, die sprechen von einer Million Fahrzeuge in den nächsten 10 Jahren. Das halte ich auch für realistisch.

    Schütte: Auch das Bundesverkehrsministerium sagt, bis 2020 eine Million PKW mit Elektro- und Hybridmotor auf deutschen Straßen. Ist das wirklich realistische Vision, oder eher doch ökologische Träumerei?

    Kemfert: Das halte ich tatsächlich für realistisch, denn eine Million Fahrzeuge kann man schaffen. Es ist ja auch so, dass im Moment die Automobilkonzerne stark gebeutelt sind, aber natürlich auch Wege aus der Krise suchen, und die Elektromobilität bietet einen solchen Weg. Das einzige, was ich im Moment sehe, was tatsächlich Schwierigkeiten bereiten wird, ist natürlich die Tatsache, dass wir nicht genügend Kraftwerke in Deutschland haben, alleine um den derzeitigen Strombedarf zu decken. Da wird ja eine Lücke auf uns zukommen in den nächsten 10 Jahren. Wir brauchen einen deutlichen Zubau an Großkraftwerken. Natürlich ist der Wunsch, dass man hier die Elektromobilität mit erneuerbaren Energien darstellt. Das ist auch völlig richtig, denn das ist auch ein gutes Mittel, um Energie zu speichern, denn die Batterie würde dann dementsprechend "aufgetankt" werden, wenn der Wind weht, wenn die Sonne scheint, und damit hätte man auch das Speicherproblem gelöst. Aber wir brauchen in Deutschland den Ausbau der Netze und neue Kraftwerke, um tatsächlich dieses Szenario Elektromobilität im großen Stil wirklich durchzudeklinieren.

    Schütte: Die Strombeschaffung, das ist das eine. Das andere ist die Frage, ob die Automobilindustrie bereit ist. Der Verbandspräsident der Deutschen Automobilindustrie Matthias Wissmann sagt, der Verbrennungsmotor wird auf Jahrzehnte weiter hinaus das Rückgrat der Mobilität bilden. Trifft er damit nicht eher den Kern der Lage?

    Kemfert: Ja, zum Teil sicherlich schon. Nur wir müssen ja sehen, dass das Energieproblem uns einholen wird, denn im Moment sind zwar die Ölpreise niedrig, aber es wird noch zu Problemen kommen, weil im Moment zu wenig investiert wird in die Ölexploration, auch in die fossilen Energieträger. Das klingt jetzt erst mal merkwürdig, aber aufgrund der Finanzkrise wird jetzt sehr viel geschoben, so dass wir eher damit rechnen, dass die Energiepreise, insbesondere die Ölpreise deutlich nach oben gehen werden, gerade auch in diesem Zeitraum, den wir ja anvisieren. Die Internationale Energieagentur hat das kürzlich bestätigt. Die Ölpreise werden deutlich nach oben gehen. Die Zeit billigen Öls ist vorbei und deshalb, denke ich, wird der Verbrennungsmotor sukzessive von den Straßen verschwinden. Das heißt nicht, dass es nicht noch Verbrennungsmotoren sicherlich geben wird, aber ich sehe auch einen Trend hin zur Elektromobilität.

    Schütte: Nun reden wir ja schon seit Jahren von dem Elektroauto und trotzdem ist da nichts passiert. Wie steht denn die deutsche Automobilbranche da im internationalen Vergleich?

    Kemfert: Das ist natürlich im Moment ja auch gerade das wichtigste Thema, denn die Automobilbranche kämpft jetzt immer noch verzweifelt gegen CO2-Werte, obwohl sie eigentlich verstehen müsste, dass sie jetzt jahrelang auf falsche Modelle gesetzt hat und demnach auch die Probleme, die im Moment da sind, trotz der Finanzkrise teilweise hausgemacht sind, denn die Zukunft des Automobils wird sicherlich in anderen Typen liegen, einerseits Sprit sparende Fahrzeuge, aber dann auch hin zu alternativen Kraftstoffen, welche auch immer das sein mögen. Aber ich glaube, dass die deutsche Automobilindustrie technisch zwar sehr gut ist. Ich denke, sie hat die Technik, auch das Know-how. Aber wenn es um die Marktumsetzung geht, da gibt es Management-Probleme, und ich denke mir, dass es sehr sinnvoll wäre, wenn die deutsche Automobilbranche sich jetzt umstellen würde und endlich auch mal akzeptieren würde, dass wir hin müssen zu mehr Klimaschutz und damit auch zu neuen Fahrzeugkonzepten. Ich denke, sie können es, aber sie müssen es letztlich auch umsetzen.

    Schütte: Also Sie sehen gewissermaßen die Elektroautos als Chance für die Automobilindustrie als rettenden Ausweg aus der Krise. Aber dann reden wir über die Marktumsetzung. Vermutlich werden solche Autos auf dem Markt deutlich teuerer angeboten werden müssen als Benziner. Wer kauft denn ein Elektroauto?

    Kemfert: Das ist ja immer so, wenn die Technik neu ist, dass sie erst mal teuerer ist. Jetzt ist die Frage, ob sie tatsächlich so viel teuerer sein muss. Wenn sie natürlich flächendeckend zum Einsatz kommt, wird sie irgendwann ja auch billig. Es ist klar, dass jetzt die großen Modelle oder die neuen Modelle erst mal teuerer sind. Ich glaube, wenn man das Batterieproblem besser im Griff hat, wird ein solches Auto gar nicht so viel teuerer sein, insbesondere auch deshalb, weil Strom in der Größenordnung, wie man ihn hier zur Mobilität braucht, deutlich preisgünstiger ist als Benzin. Insofern, denke ich, kann es sich schon rechnen und der Weg geht dahin. Die Frage ist nur, dass wir dann auch entsprechende Kapazitäten bezüglich der Netze aufbauen, damit das so passieren kann, wie wir uns das wünschen.

    Schütte: Der elektrische Mini, den BMW gerade in den USA probeweise fahren lässt, hat schätzungsweise einen Wert von 250.000 Euro. Das ist bis zur Markteinführung noch ein ganzer Weg nach unten.

    Kemfert: Ja, sicherlich. Diese neuen Modelle sind natürlich im Moment noch sehr, sehr teuer. Auch die Batterie ist ja noch nicht der Weisheit letzter Schluss, denn bei diesem elektrischen Mini ist es ja so, dass die Batterie die kompletten hinteren Sitzbänke blockiert. Das ist ja auch nicht etwas, wie wir uns das vorstellen. Ich glaube aber, hätte man hier viel früher angefangen, dieses Szenario ernster zu nehmen, nämlich auch weg vom Öl, wirkliche Alternativen durchzuexerzieren, dann wäre man heute schon weiter, auch bei deutlich preisgünstigeren Modellen und mit Batterielösungen, die dann attraktiver sind und die auch entsprechend eine Marktumsetzung flächendeckend ermöglichen.

    Schütte: Strom aus der städtischen Zapfsäule, was nützt das der vier- bis fünfköpfigen Familie, die auf dem Land wohnt?

    Kemfert: Das ist jetzt genau das Interessante. Ich glaube nämlich nicht, dass wir jetzt denken müssen, dass wir zu Zapfsäulen fahren müssen, um uns Strom aufzuladen, sondern dass die Batterien zu uns kommen. Das ist auch das Modell, was mir am einleuchtendsten ist, dass nämlich die Batterie ähnlich wie andere Kraftstoffe dem Auto zugeführt werden. Der Automobilbesitzer ist nicht der Eigentümer dieser Batterie, sondern sie kommt dann eben halt von den entsprechenden Anbietern, wird aufgetankt zu ihm gebracht, und damit kann man auch die Mobilität, wie wir sie heute haben, aufrecht erhalten. Ich glaube, das wird eher die Alternative sein, als dass jetzt jeder an seiner Garage eine Steckdose hat, denn dann muss man auch sehen, dass man sehr viel flexibler ist und man auch mehr Mobilität ermöglicht, wenn wir flexible Batterien haben, die dann auch austauschbar sind.

    Schütte: Dann reden wir noch einmal darüber, woher der Strom kommen soll. Das Elektroauto gilt ja als umweltverträglich. Was allerdings ist daran ökologisch, wenn Autos unter anderem mit Atomstrom fahren?

    Kemfert: Die Atomenergie ist natürlich hier wieder in der Kritik, aber sie ist zumindest CO2-frei, muss man sagen. Sie hat natürlich andere Risiken, auch Terrorrisiken und der Abfall, der hier gelöst werden muss, das Endlagerproblem und so weiter. Allerdings muss man eher fragen, wenn wir jetzt im großen Stil neue Kohlekraftwerke bauen, sind natürlich die Klimaschutzziele nicht mehr erreichbar, zumal im Moment auch noch nicht mal die Netze ausreichen würden, um flächendeckende Elektromobilität zu ermöglichen.

    Schütte: Das heißt, Frau Kemfert, Sie plädieren dafür, mehr Atomkraftwerke für mehr Elektroautos?

    Kemfert: Das habe ich damit nicht gesagt. Es ist denkbar. Es gibt verschiedene Länder, die tatsächlich so etwas sich vorstellen können, wie England oder Italien. Für Deutschland sehe ich das nicht unbedingt. Ich würde mir eher wünschen, dass die erneuerbaren Energien ausgebaut werden. So wie der Bundesumweltminister das vorgetragen hat, halte ich es für sinnvoll, denn damit hat man auch die Speicherproblematik gelöst. Wenn der Wind nicht weht, dann kann man entsprechend den Strom ja auch speichern. Das würde ich mir eher wünschen und das sehe ich auch eher als Alternative.

    Schütte: Welche Impulse kann und soll die Politik jetzt setzen?

    Kemfert: Die Impulse sind ganz sicher erst mal, am Klimaziel festzuhalten und vor allen Dingen den Fahrplan aufrecht zu erhalten. Es gibt da jetzt Stimmen aus Bayern, die sagen, dass man die Grenzwerte jetzt wieder aufhebt und der Klimaschutz Arbeitsplätze kostet. Das Gegenteil ist eher richtig, wie man an der Automobilindustrie ablesen kann. Wenn man den Klimaschutz nicht ernst nimmt, dann verliert man irgendwann Arbeitsplätze, weil man auf die falschen Modelle setzt. Da ist es an der Politik, hier Kurs zu halten und entsprechende Signale zu setzen, mehr Geld auszugeben für die Erforschung der Batterien, die wir dringend benötigen, und den Kraftwerksbau voranzubringen, dass wir auch den Strom haben, wenn dann auch die Elektromobilität sukzessive ansteigt.

    Schütte: Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Ich danke Ihnen für das Gespräch.

    Kemfert: Ich danke Ihnen.