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Energiesparen statt Sozialtarife

Hohe Energiekosten bringen viele private Haushalte in ernste Schwierigkeiten. Politiker diskutieren über Sozialtarife für einkommensschwache Bevölkerungsgruppen. Die Caritas hat zusammen mit dem Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland, BUND, einen Gegenvorschlag unterbreitet: Energieeffizienz statt Sozialtarife. Was steckt dahinter?

Von Dieter Nürnberger | 08.07.2008
    Dahinter steckt die langjährige Ansicht oder Erkenntnis des BUND, dass immer noch zu viel Energie hierzulande verschwendet wird. Und da die Energiekosten inzwischen nur noch eine Richtung kennen – nämlich die nach oben – würde dies natürlich vor allem jene Haushalte belasten, die über wenig Geld verfügen. Die Grundidee des Bundes für Umwelt und Naturschutz ist also, nicht den Stromverbrauch von Haushalten zu subventionieren, sondern vorher anzusetzen, und unnötigen Verbrauch zu reduzieren. Hubert Weiger, der Vorsitzende des BUND:

    "Deshalb muss die Gesamtbevölkerung in die Lage versetzt werden, den Energieverbrauch zu reduzieren. Und denjenigen muss gezielt geholfen werden, die Probleme haben, weil sie entsprechende eigene Finanzmittel nicht haben, um Energiesparmittel zu kaufen. Denn häufig kostet die Energiespar-Technik mehr, sie rentiert sich aber nach einer gewissen Nutzungsdauer."

    Anstatt also einen Teil der Stromrechnung zu bezahlen, müsse die Bundesregierung das Energiesparen konsequent fördern. Es gäbe bereits Beispiele, wie so etwas umgesetzt werden könne. In Frankfurt am Main beispielsweise gibt es das Projekt "Caritas Energiesparservice". Das ist ein Qualifizierungs- und Beschäftigungsprogramm, welches Energieberater fortbildet. Und hier würden sozusagen zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen, so der BUND-Vorsitzende, denn zum einen seien die Maßnahmen klimapolitisch verantwortbar, zudem auch sozialpolitisch vorbildlich. Aber: Es sei eben auch ein Programm, welches Geld koste:

    "Wir wissen, dass die größte Quelle zur Verringerung des Energieverbrauchs der Einsatz effizienter Haushaltsgeräte ist. Wir brauchen auch hier Markteinführungsprogramme. Wir schätzen die dafür erforderlichen Kosten auf rund 200 Millionen Euro. "

    Was wird nun genau in Frankfurt von der Caritas gemacht? Arbeitslose werden zu Energieberatern geschult und sie sollen die sozial schwachen Haushalte vor allem informieren, dann aber auch - im Bedarfsfall - mit neuester Technik ausstatten. Denn als das Projekt losging, hat man gemerkt, dass die Berater bei den betroffenen Menschen nur offene Türen einrennen, wenn sie gleichzeitig etwas mitbringen. Ulrich Schäferbarthold von der Caritas beschreibt es so: Der erste Besuch dient der Information, der zweite dann der besseren Ausstattung:

    "Da nehmen wir dann die Energiespar-Artikel mit. Wir übergeben den Leuten auch ein kleines Gutachten, wo sie sehr genau sehen können, hier und dort kann ich etwas einsparen. Und dann drehen wir die Energiesparartikel ein – die Glühbirnen werden ausgetauscht, vielleicht auch die Duschköpfe. Bei den Toiletten auch die Gewichte im Spülkasten. Bei der Heizung wird schwerpunktmäßig das Heizverhalten diskutiert, etwa Stoßlüftung, wir schauen uns die Therme an und so weiter. "

    Für bundesweit rund 2 Millionen Haushalte, so die Berechnung von Caritas und BUND, sei ein solches Beratungsprogramm von Nöten. Kosten 150 Millionen Euro und die Anschaffung entsprechender umweltfreundlicher Geräte und Vorrichtungen kostet - wie gehört – rund 200 Millionen Euro. In Frankfurt am Main arbeitet man inzwischen auch mit den Stromanbietern zusammen, es gibt auch Sponsoren, eine Sache, die recht gut laufe, so die Einschätzung der Caritas.

    Dieses Modell will die Umweltorganisation BUND nun also vermehrt in vielen Kommunen praktiziert sehen. Andere Vorschläge seitens der Politik lehnt man dagegen ab. Erst die Verschwendung abstellen, lautet die Devise, dann Maßnahmen ergreifen. Und eindeutig lehnt man eine Verlängerung der Laufzeiten der Kernkraftwerke in Deutschland ab. Es sei eine Risikotechnologie, die Entsorgung radioaktiver Abfälle sei zudem bekanntlich auch nicht geklärt. Hubert Weiger:

    "Viele andere Vorschläge greifen zu kurz. Wir sind empört darüber, dass die steigenden Energiepreise inzwischen benutzt werden, um Milliardengewinne der Stromkonzerne, mittels längerer Abschreibung der AKW zu erhöhen. Die schwierige wirtschaftliche Lage von Millionen Menschen wird missbraucht, zur Durchsetzung der angeblich umweltverträglichen Atomenergie. "

    Der BUND favorisiert also andere Modelle. Rund 400 Haushalte wurden inzwischen in Frankfurt auf entsprechende Weise beraten und betreut – und die Energiekosten pro Haushalt und Jahr ließen sich so um rund 100 Euro senken.