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Energiesparen
Strom aus Bremsen

Die Bielefelder Straßenbahnen wandeln Energie, die beim Bremsen entsteht, in Strom um. Der stand bislang nur Bahnen in der Nähe zur Verfügung. Ein neuer Zwischenspeicher wahrt die rückgewonnene Bremsenergie nun längere Zeit auf.

Von Jörg Brökel |
    Eine Stadtbahn in Bielefeld bremst. Ein Vorgang der täglich 1000-fach auf dem 66 Kilometer langen Schienennetz passiert. Doch die scheinbar verlorene Bewegungsenergie bleibt hier erhalten. Schon seit ungefähr 30 Jahren wird die Bremsenergie in den Elektromotoren der Bahnen wieder zu Strom umgewandelt und in die 750 Volt Oberleitung eingespeist sagt Kai-Uwe Steinbrecher - von den Bielefelder Verkehrsbetrieben:
    "Das bedeutet, dass wir dann mit anderen Bahnen in der Umgebung, die gerade anfahren wollen - oder Heizungen betreiben - dass die dann halt den Strom aufnehmen können und für sich nutzen können. Das heißt der Strom braucht nicht eingespeist werden ins Netz, sondern wir gewinnen ihn aus den bremsenden Bahnen im Netz."
    Doch nicht immer, wenn eine Bahn bremst, ist eine anfahrende Stadtbahn in der Nähe, die den kostbaren Strom aufnehmen könnte. Gerade in den äußeren Streckenbereichen fehlt häufig ein "Abnehmer" für den Strom aus Bremsenergie.
    "Damit diese Energie halt nicht, wie das bislang der Fall war in einem Bremswiderstand auf dem Dach der Stadtbahn in Wärme umgesetzt wird, die uns dann ja nicht mehr hilft, haben wir jetzt im Rahmen des Projektes 'Ticket to Kyoto' einen Energiespeicher im Einsatz, der diese Energie der bremsenden Stadtbahnen aufnehmen kann."
    An der Haltestelle Rabenhof im Bielefelder Norden sieht es nicht gerade nach Hightech aus. Waschbetonwände mit Graffiti-Sprüchen. Eine graue Stahltür mit dem gelben Warnschild "Hochspannung". Elektrotechniker Bernd Grabbe öffnet die Tür. Neonlicht flackert. Ein kurzer Flur. Rechts und links gehen Räume ab. Im rechten Raum rumort es in in einem grauen mannshohen Schrank. Hier wird in einem sogenannten Schwungradspeicher die Bremsenergie der Bahnen aufgefangen und wieder abgegeben. Bernd Grabbe erklärt das Prinzip:
    "Das Kernstück ist im Grunde ein Schwungrad. Durchmesser ein Meter. Höhe circa 50 Zentimeter und wiegt zwei Tonnen Masse. Und auf dieser Welle mit dem Schwungrad befindet sich ein Motor und ein Generator. Und diese beiden Komponenten Motor oder Generator treiben entweder das Schwungrad an, oder ziehen aus diesem Schwungrad mittels Generator Energie raus."
    500 Mal am Tag passiert es, dass das Schwungrad Energie aufnimmt - also die Drehzahl erhöht - und Energie für abfahrende Stadtbahnen wieder abgibt und entsprechend an Drehzahl verliert. Der Stromjahresverbrauch von 100 Bielefelder Haushalten wird über diese Weise eingespart. Mit einem Wirkungsgrad von 84 Prozent lässt der Schwungradspeicher jede Batterie ziemlich alt aussehen. Damit möglichst wenig der Bewegungsenergie durch Reibung und somit Wärme verloren geht haben sich die Ingenieure einiges einfallen lassen.
    "Es ist so, dass der gesamte Speicher eine Masse von sechs Tonnen wiegt, wobei das untere Lager, wobei das Ganze eine stehende Lagerung ist, sehr stark belastet wird. Um dieses Lager zu entlasten gibt es einen sogenannten Hubmagneten. Das ist ein elektrotechnisches Bauteil, mit Strom versorgt, das diese gesamte Masse nach oben zieht und damit wird das untere Lager entlastet. Wird sprechen in diesem konkreten Fall von einer Entlastung von 60 Prozent. Und um die Reibungsverluste zu minimieren, haben wir das gesamt Gehäuse noch mit Helium gefüllt."
    Ähnlich wie die Erzeugung von Strom beim Bremsen ist auch die Schwungradspeicherung ein altes technisches Prinzip. Bereits in den 50er-Jahren speicherten in der Schweiz sogenannte Gyrobusse ihre Antriebsenergie in Schwungrädern. Doch es gäbe natürlich noch andere Möglichkeiten Bremsstrom zu speichern, weiß auch Bernd Grabbe.
    "Als Alternative zu diesem Schwungradspeicher käme noch ein Kondensator in Frage. Wir haben uns seinerzeit bewusst für das Schwungrad entschieden, weil wir davon ausgehen, dass es eine längere Lebensdauer als der Kondensator hat."
    Mit bewährten Technologien Strom und CO2 sparen: In Bielefelder Stadtbahnnetze wird dies heute schon konsequent umgesetzt.