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Energiesparend
Marburger Chemiker entwickelt Meerwasserentsalzungschip

Technik. - Meerwasserentsalzung könnte theoretisch die Trinkwasserprobleme in vielen Küstenregionen lösen, wenn sie nicht so energieaufwendig wäre. Ein Marburger Wissenschaftler arbeitet an einer neuen Entsalzungsmethode, die besonders sparsam sein soll und daher auch für Entwicklungsländer eine Lösung verspricht. Der Forscher gehört mit seiner Methode zu den Finalisten des "World Technology Award", der heute in New York verliehen wird.

Von Piotr Heller |
    Das Meer ist ein schier unerschöpfliches Trinkwasserreservoir
    Das Meer ist ein schier unerschöpfliches Trinkwasserreservoir (picture-alliance/ dpa)
    "Wir sehen hier die Wirkungsweise des Meerwasserchips, das Wasser fließt von rechts nach links, dort wo der schwarze, rechteckige Bereich ist, ist der auslaufende Fuß der Elektrode, der Feldgradient bildet sich aus."

    Der Chemiker Ulrich Tallarek führt in seinem Büro in der Uni Marburg ein Video des Meerwasserchips vor. Der transparente Chip hat das Format einer Briefmarke und entsalzt Wasser mit einer elektrochemischen Methode. Auf dem Bildschirm ist ein Y-förmiger Kanal zu sehen. An seiner Gabelung befindet sich die Elektrode. Zunächst leuchtet der komplette Kanal, denn er ist zu Demonstrationszwecken nicht nur mit Wasser, sondern auch mit einem Fluoreszenz-Farbstoff gefüllt. Tallarek:

    "Der ist selbst auch geladen und wird damit durch den Feldgradienten abgelenkt. Damit müsste eigentlich, wenn dieser Wasserchip gut arbeitet, der untere Kanalbereich dieser Verzweigung immer dunkler werden während der obere Bereich sich erhellt. Und genau das sehen wir hier."

    Der elektrisch geladene Fluoreszenz-Farbstoff simuliert die Ionen, also die geladenen Teilchen im Meerwasser. Die Elektrode neutralisiert einen winzigen Teil der negativ geladenen Ionen. Die Folge: Ein elektrisches Feld entsteht, das für die nachströmenden Ionen eine Art Sperre bildet. Tallarek:

    "Das heißt, wenn die Ionen jetzt dort mit dem frischen Meerwasser vorbeiströmen, werden sie schon frühzeitig abgelenkt und gehen in den anderen Kanal an dieser Y-Gabelung."

    Die Ionen wandern in den einen Kanal. Und durch den anderen, blockierten Kanal fließt Wasser, das weniger Ionen enthält. Es ist somit zum Teil entsalzt. Das Besondere an der Methode ist ihr geringer Energieverbrauch. Tallarek:

    "Wir liegen momentan für die 50 Prozent des Meerwassers, die wir zu 25 Prozent entsalzen bei einer Energieeffizienz von 25 Milliwattstunden pro Liter. Dazu ist zu sagen, dass es eine theoretische Grenze gibt, und wir liegen nicht so weit von den 17 Milliwattstunden pro Liter entfernt, die hier theoretisch nicht unterschritten werden können."

    Die Methode verbraucht also nur das 1,5-Fache des theoretischen Energieminimums. Ein Rekord in punkto Effizienz. Zum Vergleich: Die Umkehrosmose, ein großtechnisches Standardverfahren, bei dem Wasser unter hohem Druck durch Membranen gepresst wird, verbraucht mindestens das Fünffache des theoretischen Minimums. Doch der Effizienz-Rekord ist ein Rekord mit Einschränkungen. Die Energieeffizienz ist nur auf eine Entsalzung von 25 Prozent bezogen. Um Trinkwasser zu produzieren, muss das Meerwasser aber zu 99 Prozent entsalzt werden. Im Prinzip sei das möglich, sagt Ulrich Tallarek, aber wie sich die Energieeffizienz des Wasserchips dabei verändern wird, kann er noch nicht sagen.

    "Momenten ist noch nichts optimiert, weder die Flussrate noch die Platzierung der Elektrode, noch die Kanaldimensionen. Es ist das 'Proof of Principle', das jetzt auch wissenschaftlich veröffentlicht ist und wir werden uns noch mit den fundamentalen Aspekten befassen müssen. Das ist für die Untersuchungen nicht auf Umsatz getrimmt. Wir haben hier 0,08 Mikroliter pro Minute, sodass wir, sagen wir mal, in einer Stunde 2,5 Mikroliter teilentsalztes Wasser erhalten."

    Im Klartext heißt das: Wer sich ein Glas entsalztes Wasser einschenken wollte, müsste sich bei nur einem Chip gut neun Jahre gedulden. Um ausreichende Mengen Trinkwasser zu generieren, muss man die Chips also massenhaft parallel schalten. Dieser Aufgabe hat sich Tony Frudakis verschrieben:

    "Wir wollen Module zur Entsalzung herstellen. Jedes Modul soll mehrere Kassetten enthalten, die wiederum aus Millionen dieser Wasserchips bestehen. Jeder Wasserchip wird Mikroliter pro Minute entsalzen und wenn man das mit einigen Millionen multipliziert, weiß man, was man von so einer Kassette bekommt."

    Nämlich gut 100 Liter pro Stunde, wenn man Tony Frudakis glaubt. Der Amerikaner hat die Firma "Okeanos" gegründet, um die elektrochemische Meerwasserentsalzung zur Marktreife zu bringen. 2014 will er den ersten Prototypen vorführen. Doch bis dahin muss viel geschehen: Noch ist weder der Chip optimiert, noch die Parallelschaltung technisch gelöst. Die fertigen Maschinen mit ihren Millionen von Chips sollen nicht größer als Cola-Automaten sein und irgendwann Entwicklungsländern zugutekommen. Denn sollten sie ihre gute Energieeffizienz beibehalten, könnten sie ihren Energiedurst allein durch alternative Energiequellen wie Solarstrom stillen.