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Energiewende im Wattenmeer

Das Klima erwärmt sich, der Meeresspiegel steigt. Inseln sind als erste dadurch in ihrer Existenz bedroht. Die nordfriesischen Inseln Föhr, Pellworm, Amrum und Sylt wollen nun nicht mehr tatenlos zusehen, bis sie irgendwann im wahrsten Sinn des Wortes absaufen. Ihre Vision heißt: 100prozentige Versorgung mit erneuerbaren Energien. Vorreiter ist die kleine Insel Pellworm. Dort hat sich Fromut Pott umgehört.

von Fromut Pott |
    Pellworm ist das Mauerblümchen unter den nordfriesischen Inseln. Wo Sylt, Föhr und Amrum mit langen Sandstränden locken, bietet Pellworm nur endloses, graues Watt und einen grünen Deich. Dennoch ist Pellworm etwas ganz besonderes: Übers Jahr gesehen erzeugt die Inselgemeinde 50 Prozent mehr Strom, als sie verbraucht. Dafür sorgen ein Solarfeld, so groß wie 4 Fußballfelder, und ein Windpark, in dem 8 Mühlen den Nordseewind in jährlich 12 000 Megawatt Strom umwandeln.

    Das Engagement der Pellwormer hat einen guten Grund, so Walter Vorwerk, Direktor des Inselmuseums. Die Insel liegt einen halben Meter unter dem Meeresspiegel, nur geschützt durch den Deich.

    Wir wären die ersten, die bei einem Meeresspiegelanstieg aufgrund des CO2 Wachstums untergehen würden, und deshalb haben wir auch so emotional so ein bisschen das Gefühl, wir müssten dann auch die ersten sein, die versuchen, den CO2-Ausstoss zu reduzieren.

    Und da sind die Pellwormer mit ihren Ideen noch nicht am Ende. Sie wollen nun eine Biogasanlage mit Blockheizkraftwerk bauen. Spätestens 2003 soll die Anlage den Strom-Grundbedarf von 1 Megawatt decken und außerdem Nahwärme liefern. Damit wäre die Insel rund um die Uhr energieautark, unabhängig von Wind und Sonnenschein. Da allerdings Blockheizkraftwerke immer gleichzeitig Strom und Wärme erzeugen, bleibt ein Problem, meint Mathias Schikotanz, der Leiter des Pellwormer Energiebüros.

    Wenn wir jetzt das Pellwormer Modell nehmen, das wir überwiegend im Sommer die Anlage laufen lassen müssen um den Stromausfall von Wind (und Sonne) kompensieren zu können, ist es so, das wir ja Wärme produzieren, die wir nur gering absetzen können. Ein bißchen Duschwasser, ein bißchen Schwimmbad, ein bißchen Kurmittelabteilung, mehr ist nicht.

    Die Insulaner haben sich eine Lösung ausgedacht, die ebenso schlicht wie innovativ ist. Im Sommer wird die Wärme zwischengespeichert, im europaweit ersten oberflächennahen Erdspeicher, in nur 20 bis 30 Meter Bodentiefe. Das Prinzip dabei: Heisswasser wird über Rohre in das Erdreich gepumpt und heizt dabei das Grundwasser auf. Im Winter kehrt man diesen Prozess um.

    Das Ziel ist, die Wärme mit über 70 Grad einzuspeichern, so dass wir inklusive Wärmeverluste 70 Grad wieder rausholen und die dann direkt in das Nahwärmenetz eingeben können. Das würde den Vorteil mit sich bringen, das man (auf) einen Spitzenlastkessel, der immer noch mit fossilen Brennstoffen betrieben wird, ersetzen kann.

    Auch die Pellwormer Landwirte stehen geschlossen hinter dem Projekt. Ihre Gülle soll in der Biogasanlage Energie liefern. Die Rückstande werden anschließend auf´s Feld ausgebracht. Ein guter Handel, findet der Vorsitzende des Pellwormer Bauernverbandes, Detlef Johns:

    Die Gülle ansich, wenn die entgast ist, ist fast geruchslos, und auch viel besser pflanzenverfügbar. (...)Was deutlich besser ist, als wenn man unbehandelte Gülle ausbringen würde, auch noch wirtschaftlicher.

    Zudem werden die Bauern Pflanzen speziell für die Biogasanlage anbauen.

    Das ist insofern für uns interessant, als das diese Energiepflanzen, die eigentlich bei uns Futterrüben sein sollen, auf Stillegungsflächen angebaut werden, (...) die man sowieso nicht nutzt.

    Der Ideenreichtum der Pellwormer hat nun auch die Nachbarinseln angesteckt. Zu 100 Prozent energieautark - so heißt neuerdings auch die Vision der Inseln Föhr, Amrum, Sylt und der Halligen. In diesen Wochen beginnen sie mit einer energetischen Bestandsaufnahme. Denn bisher gibt es nur grobe Zahlen, wieviel Energie umweltfreundlich erzeugt wird, berichtet Annemarie Lübcke. Die Koordinatorin des Projektes lebt auf Föhr.

    Auf Föhr gibt es (auch) eine ganze Reihe Windräder, die Energie erzeugen, und (...)rund 40 Einzelanlagen, die Sonne nutzen und auch produzieren. Auf Amrum ist es da schon magerer, da sind bisher nach meinem Kenntnisstand nur 2 Anlagen, die auch funktionieren, und Sylt ist noch ein unbelecktes Feld, Sylt müssen wir erheben.

    In anderthalb Jahren soll für jede nordfriesische Insel und Hallig ein Energiekonzept vorliegen. Doch bis zur Energieautarkie ist es - außer auf Pellworm - noch ein weiter Weg.

    Ich würde nie unter 20 Jahren denken, wenn ich wirklich an autark denke.

    Bleibt nur zu hoffen, dass andere die Inseln als Vorbild nehmen, denn sonst werden diese - energieautark oder nicht - eines Tages absaufen.