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Energiewende predigen und Kohlekraft fördern

Deutschland fördert mit milliardenschweren Hermesbürgschaften den Bau von Kohlekraftwerken im Ausland. Das geht aus einer bislang unveröffentlichten Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen hervor, die dem Deutschlandfunk vorliegt. "Heuchlerisch" nennt dies die Opposition.

Von Dieter Nürnberger | 12.07.2013
    Rund acht Milliarden Euro Hermesbürgschaften wurden in den vergangenen fünf Jahren im Energiesektor vergeben. Davon entfielen mehr als die Hälfte auf den Bereich der fossilen Energieträger wie Braun- und Steinkohle oder auch Gas. Der Anteil der erneuerbaren Energien verdoppelte sich zwar seit 2008, doch liegen die Gelder hier anteilsmäßig bei unter 50 Prozent.

    Dies geht aus einer schriftlichen Antwort der Bundesregierung hervor, die dem Deutschlandfunk vorliegt, aber offiziell noch nicht veröffentlicht wurde. Die parlamentarische Anfrage wurde von der grünen Abgeordneten Ute Koczy eingereicht, sie wollte wissen, ob sich die von der Bundesregierung national propagierte Energiewende auch bei den Bürgschaften im Außenwirtschaftsbereich bemerkbar macht. Dass immer noch der Großteil der staatlichen Absicherungen im Bereich der alten, der fossilen Energieträger, stattfindet, empört Ute Koczy - Glaubwürdigkeit, so sagt sie, sehe anders aus.

    "Es ist kontraproduktiv und heuchlerisch, wenn wir in unserem eigenen Land dafür plädieren, CO2-Emissionen zu reduzieren, dann aber bereit sind, im Ausland so etwas zu finanzieren."

    Für die Bundesregierung stehen vor allem wirtschaftliche Aspekte im Vordergrund. So sicherte sie 2012 deutsche Exporte in einer Gesamthöhe von rund 29 Milliarden Euro ab. Eine Studie des Münchner Ifo-Instituts zeigt zudem, dass das Geld prinzipiell gut angelegt ist: Hermesdeckungen würden über 200.000 Arbeitsplätze hierzulande absichern.

    Dass jedoch Exporte im Bereich der fossilen Energieträger weiterhin eine Hauptrolle spielen, kritisieren auch Umwelt- und Entwicklungsverbände. Die Organisationen "Oxfam" und "Urgewald" plädieren beispielsweise dafür, künftig vor allem Absicherungen für klimaschädliche Braunkohleprojekte zu unterlassen.

    Denn trotz generellen Wachstums bei Bürgschaften für Projekte der erneuerbaren Energien, gebe es schon wieder große Pläne für 2013 im fossilen Bereich, kritisiert Regine Richter von "Urgewald".

    "Derzeit wird beispielsweise eine Bürgschaft für ein großes Braunkohlekraftwerk in Griechenland diskutiert. Hier gibt es auch schon eine Grundsatzzusage, es geht immerhin um eine Summe zwischen 700.000 und einer Milliarde Euro. Damit würde der Trend der vergangenen Jahre - hin zu mehr erneuerbaren Projekten - wieder umgekehrt."

    Die deutschen Unternehmen müssten sich langfristig umstellen, fordert Regine Richter. Die Exportabsicherung klimaschädlicher Technologie sollte beendet werden. Und der deutsche Anlagenbau sei dafür auch gar nicht so schlecht aufgestellt.

    "Bei dieser Bürgschaft für das griechische Braunkohlekraftwerk wird argumentiert, dass der Hersteller sagt, ihm fehle der deutsche Markt - man sieht hier also schon die Auswirkungen der heimischen Energiewende. Es gibt im deutschen Markt sehr viele Hersteller, die Turbinen produzieren. Der spätere Einsatz in Kraftwerken ist aber recht flexibel. Man könnte also sagen: Firmen könnten ihre Turbinen künftig vor allem im Gas-, statt im klimaschädlichen Kohlebereich einsetzen."

    Über Grundsatzfragen bei den Exportabsicherungen entscheidet ein interministerieller Ausschuss im federführenden Bundeswirtschaftsministerium. Dieses Gremium, so die grüne Abgeordnete Ute Koczy, müsse künftig andere Förderleitlinien erarbeiten. Als Rot-Grün die Bundesregierung stellte, gab es beispielsweise für Atomprojekte keine staatlichen Absicherungen, Schwarz-Gelb hat diese Vorgabe seit 2009 wieder abgeschafft. Ute Koczy hofft nun auf die Zeit nach der Bundestagswahl.

    "Ich bin mir sicher, dass wir im atomaren Bereich wieder zurückkehren zu den damaligen rot-grünen Leitlinien und sie auch fortentwickeln. In der Frage der Kohle werden wir uns mit der SPD sicherlich auseinandersetzen müssen und da hoffe ich sehr, dass hier die Sozialdemokraten künftig klare Kante zeigen."