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"Engel des Vergessens"
Maja Haderlaps Roman auf der Bühne

In Maja Haderlaps Roman "Engel des Vergessens" geht es um Schicksal der Kärntner Slowenen im Zweiten Weltkrieg, deren Partisanenkampf und den Terror der Nazis. Der stark autobiografisch gefärbte Roman der Bachmann-Preisträgerin ist nun als Stück auf der Bühne des Akademie-Theaters in Wien zu sehen.

Von Hartmut Krug | 09.09.2015
    Eröffnet wurden die Literaturtage in Klagenfurt von Maja Haderlap mit ihrer Rede "Im Licht der Sprache", der Preisträgerin des Jahres 2011. Hier ist sie von der Seite am Rednerpult vor Publikum zu sehen.
    Der Debütroman von Maja Haderlap, hier bei der Eröffnung der Literaturtage in Klagenfurt, ist als Bühnenstück in Wien zu sehen. (picture alliance / dpa / Gert Eggenberger)
    Er schaffte es nicht, der Engel des Vergessens. Obwohl die Mutter im Roman von Maja Haderlap Schutzengel-Bildchen ans Kinderbett der Erzählerin angeklebt hat, sind die Erinnerungen an eine von Schrecken durchzogene Vergangenheit fest in ihrem Gedächtnis verankert. Sie erinnert sich an ihre Jugend, ihre Familie, an das Schicksal der Kärntner Slowenen im Zweiten Weltkrieg, an deren Partisanenkampf und an den Terror der Nazis. Dabei steht die Hoffnung auf eine bessere Zeit am Anfang:
    "Langsam werden sich die Anwesen aus der Umklammerung des Krieges befreien. Langsam werden die Wiesen und Felder bereit sein, ihre Toten herzugeben, werden die Lichtungen und Waldränder ihre Leichen auswerfen. Die Stimme der Landschaft wird ihren Bewohnern vom Frieden künden."
    Haderlap zeichnet eine Familiengeschichte, die zugleich unangestrengt ein Porträt einer slowenischen Minderheit in Kärnten ist, der ihr Partisanenkampf nach Kriegsende keineswegs positiv angerechnet wurde. Und während die anfangs etwa siebenjährige Erzählerin das Leben in einem Dorf bei Eisenkappel sehr sinnlich beschreibt, brechen in den Erzählungen der Menschen aus dem Vergangenheitskeller immer wieder die Gräuel der Nazizeit hervor. So wie beim Vater, als er mit der Tochter an einem Anwesen vorbei durch den Wald geht:
    "Da hat die Nazi-Polizei auch gewütet. Die Familie sollte deportiert werden. Der alte Holnik, der hat sich geweigert. Haben sie ihn mit seinen eigenen Krücken erschlagen, seinen Sohn und seine Schwiegertochter erschossen. Dann haben sie die Leichen in die Keusche geworfen und angezündet."
    Gregor Bloéb spielt den Vater als einen hilflos kräftigen, zerrissenen und traumatisierten Mann, der zu Aggression und Selbstzerstörung neigt.
    Bei allem Schlimmen, von dem die Figuren des Romans berichten, bestimmt ihn doch ein zarter, nüchtern-sinnlicher Ton.
    Schmiedleitner setzt auf Bildhaftigkeit
    Dagegen setzt die Inszenierung von Georg Schmiedleitner, der gemeinsam mit der Autorin die Bühnenfassung hergestellt hat, auf Kraft und Effekte. Volker Hintermeiers Bühne ist bis zur nackten Brandmauer aufgerissen, und ein wild zusammengenageltes Brettergewirr senkt und hebt sich in der Dunkelheit. Es ist der Wald, in dem die slowenischen Partisanen Zuflucht suchen mussten. Schmiedleitner arbeitet viel mit Live-Musik und mit Licht- und akustischen Effekten. Realistische Abbildung ist seine Sache nicht, der Regisseur setzt auf Bildhaftigkeit. Leider wirkt die etwas bieder in ihrem Haschen nach Atmosphäre und Effekten, und nicht alle Spielsituationen erschließen sich dem des Romans Unkundigen. So bleibt es zum Beispiel nur ein schönes, aber leider nicht klares Bild, wenn Menschen hoch oben auf Stühlen verteilt an der Wand schweben. Wenn die Menschen aber mit großer Fernsehantenne nach besserem Empfang im Wald suchen, wird das zum Bild einer auch grundsätzlichen Suchbewegung.
    Ein kluger Einfall ist es, die Figur der jungen Erzählerin von zwei Darstellerinnen spielen zu lassen: die eine noch sehr jung, die andere erwachsen. Die eine erlebt, die andere reflektiert. In den Familienszenen wird immer wieder deutlich, welche Spuren Verfolgung, Gewalt, Missachtung und Fremdbestimmung in den Menschen hinterlassen, und wie unausweichlich die Gewalt sein kann. Deshalb spielt Petra Morzé die Mutter sehr präzise und nüchtern als, auch von ihrem Mann, ziemlich hoffnungslos desillusionierte Frau.
    Inszenierung erreicht nicht die Kraft des Romans
    Kraftfeld der Inszenierung aber ist die wunderbare Elisabeth Orth in der Rolle der Großmutter. Wenn sie die Enkelin belehrt, wenn sie die Religion und ihren von Aberglauben nicht freien Glauben erklärt und wenn sie nach und nach von ihrem Lageraufenthalt erzählt, dann zeigt sie einen Menschen, der sich gegen Fremdbestimmung und Gewalt zu behaupten sucht. Leider erreicht die pausenlose zweistündige Inszenierung trotz eines starken Ensembles und mancher schöner Szenen insgesamt nicht die Kraft des Romans.Beachtlich aber ist , dass mit der Volkstheater-Premiere von Gerhard Fritschs "Fasching" und mit Maja Haderlaps "Engel des Vergessens" am Akademietheater gleich zwei Romanbearbeitungen zu Beginn der neuen Spielzeit in Wien herausgekommen sind, die sich kritisch mit den Tabus und Verdrängungen beschäftigen, die noch immer beim Thema "Österreich im Faschismus" herrschen.