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Morawiecki gegen Tusk
Enges Rennen bei Parlamentswahl in Polen erwartet - parallel Referendum zu EU-Asylkompromiss

In Polen sind heute gut 29 Millionen Bürgerinnen und Bürger zur Wahl eines neuen Parlaments aufgerufen. Die seit 2015 regierende nationalkonservative Partei PiS führte zuletzt in den Umfragen. Die oppositionelle Bürgerplattform des pro-europäischen früheren Regierungschefs Tusk lag knapp dahinter. Parallel zur Parlamentswahl stimmen die Polen in einem Referendum über vier Fragen ab.

    Anhänger der amtierenden PiS-Partei schwenken rot-weiße polnische Fahnen.
    Wohin steuert Polen? Das Land ist gespalten. (picture alliance / AA / Omar Marques)
    Im Sejm sind 460 Sitze zu verteilen, die absolute Mehrheit liegt damit bei 231 Mandaten. Neben dem Unterhaus wird auch der Senat gewählt, hier sind 100 Mandate zu vergeben. Die Legislaturperiode dauert vier Jahre.
    Laut Umfragen dürfte die Partei Prawo i Sprawiedliwosc (PiS, deutsch "Recht und Gerechtigkeit") zwar stärkste Kraft bleiben, die absolute Mehrheit aber verfehlen. Ministerpräsident Morawiecki wäre dann zur Bildung einer Regierung auf die ultrarechte Konfederacja angewiesen. Zwar lehnte die Konfederacja im Wahlkampf eine Koalition mit der PiS ab. Viele Polen betrachten dies aber als taktischen Schritt und nehmen an, dass sich Abgeordnete der Konfederacja mit Regierungsposten ins Lager der PiS locken lassen - oder dass die Ultrarechten am Ende eine Minderheitsregierung der PiS tolerieren werden.

    Machtwechsel nicht ausgeschlossen

    Auch ein Machtwechsel ist nicht ausgeschlossen. Den Umfragen zufolge liegt die liberalkonservative Bürgerkoalition (KO) des früheren Regierungschefs Tusk an zweiter Stelle dicht hinter der PiS. Sie könnte im Falle eines Wahlsiegs mit dem Linksbündnis Lewica und dem christlich-konservativen Dritten Weg eine Koalition bilden. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass der Dritte Weg, der aus einem Zusammenschluss zweier Parteien besteht, die für solche Wahlbündnisse geltende Acht-Prozent-Hürde nimmt und ins Parlament einzieht. In Umfragen liegt das Bündnis bei gut zehn Prozent.
    Beobachter sprechen von einer Richtungswahl. Der Wahlkampf war geprägt vom Thema Migration und Attacken auf die Rolle der EU und Deutschlands.
    Mehr zur Wahl können Sie in diesem Beitrag aus der Sendung "Hintergrund" erfahren.

    Referendum über EU-Asylkompromiss

    Parallel zur Parlamentswahl stimmen die Polen in einem Referendum über vier Fragen ab. Eine davon befasst sich mit dem EU-Asylkompromiss. Dieser sieht vor, dass die Aufnahme von Flüchtlingen künftig nicht mehr freiwillig, sondern verpflichtend sein soll. Länder, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, würden zu Ausgleichszahlungen gezwungen. Die PiS-Regierung lehnt das ab.
    Die konkrete Frage beim polnischen Referendum lautet: "Unterstützen Sie die Aufnahme von Tausenden illegalen Einwanderern aus dem Nahen Osten und Afrika nach dem von der europäischen Bürokratie auferlegten Mechanismus der verpflichtenden Aufnahme?" Der Ausgang der Volksabstimmung hat keinen Einfluss auf den Entscheidungsprozess innerhalb der EU. Die Opposition boykottiert diese Abstimmung und kritisiert, die Regierung wolle damit vor allem ihre Wählerschaft mobilisieren.
    Die anderen Fragen befassen sich mit der Privatisierung staatlicher Unternehmen, dem Renteneintrittsalter und der Barriere an Polens Grenze zu Belarus.
    Erste Prognosen werden nach Schließung der Wahllokale um 21 Uhr erwartet. Hochrechnungen sind in Polen nicht üblich. Die Wahlkommission rechnet damit, dass das offizielle Endergebnis am Dienstag vorliegt.
    Diese Nachricht wurde am 15.10.2023 im Programm Deutschlandfunk gesendet.