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Englische Wohltätigkeitsorganisation Sands
Fußball als Trauerarbeit

Beim englischen Fußball-Team Sands United spielen Väter, deren Babys gestorben sind. Der Sport soll ihnen helfen, den Verlust zu bewältigen. Psychologen loben das Projekt, vor allem wegen der gemeinsamen Verarbeitung der Trauer in einem Fußballteam.

Von Hendrik Buchheister | 28.09.2019
Greg Sobolewski-Foster vom Fußballteam Sands United mit seiner Frau Nichola
Greg Sobolewski-Foster vom Fußballteam Sands United mit seiner Frau Nichola: Fußball gegen die Trauer (Deutschlandradio / Hendrik Buchheister)
Ein Sonntagvormittag in einem Park in Stockport im Süden von Manchester. Was aussieht und klingt wie ein normales Fußballspiel zwischen Hobby-Mannschaften, ist in Wahrheit viel mehr. Es geht bei diesem Spiel um gemeinsame Trauer-Bewältigung.
Eine der beiden Mannschaften heißt Sands United. Sie besteht aus Vätern, deren Babys gestorben sind, während der Schwangerschaft ihrer Partnerinnen oder kurz nach der Geburt.
Greg Sobolewski-Foster ist einer von ihnen. Sein Sohn Sonny wurde nur wenige Tage alt.
"Bei so einem Verlust verliert man auch einen Teil von sich selbst. Fußball bringt Menschen zusammen. Durch Fußball bin ich wieder ein bisschen mehr wie ich vorher war. Wenn so etwas passiert, verändert dich das für dein ganzes Leben. Es ist schön, mit Leuten zusammen zu sein, die etwas Ähnliches erlebt haben. Und wir alle mögen Fußball. Deshalb ist es eine gute Sache."
Organisation hilft Paaren, die Kinder verloren haben
Die Wohltätigkeitsorganisation Sands besteht seit 1978 und bietet Paaren Hilfe, die ein Baby verloren haben. Außerdem sammelt sie Geld. Ein Teil davon geht in die Forschung. Sands möchte die Sterblichkeitsrate von Babys in Großbritannien bis 2020 um 20 Prozent senken. Im Moment stirbt nach Angaben der Organisation alle 90 Minuten eines. Ein Baby pro Fußballspiel.
Die erste Mannschaft von Sands United hat sich im Frühjahr 2018 in Northampton gegründet, auf halber Strecke zwischen London und Birmingham. Mittlerweile gibt es Mannschaften in ganz England und auch ein paar in Nordirland.
Gregs Frau Nichola ist auch da an diesem Sonntagvormittag im Park in Stockport.
"Leider wissen viele Freunde und Angehörige nicht, wie sie reagieren sollen, wenn dein Baby stirbt. Man wird isoliert. Ich habe durch Sands viele Frauen online getroffen. Greg wollte das zuerst nicht machen. Also haben wir nach Sands United gesucht. Das war in einer Zeit, in der er dringend Unterstützung brauchte. Hierher zu kommen, hat ihm geholfen, über unseren Jungen zu sprechen und sich mit anderen Vätern über ihre Erfahrungen auszutauschen."
Psychologe: "Trauma gemeinsam verarbeiten"
Marc Jones ist Psychologie-Professor an der Manchester Metropolitan University. Er hält das Konzept von Sands United für eine gute Sache.
"Teil einer Mannschaft zu sein, kann Identität stiften. Es kann uns das Gefühl geben, dazu zu gehören. Es kann unserem Leben Struktur und einen Sinn geben. Auch der Sport selbst hat eine ganze Reihe von Vorteilen für unsere psychologische Gesundheit."
Der Wissenschaftler ist überzeugt, dass es in doppelter Hinsicht gut ist, wenn Menschen versuchen, eine ähnliche traumatische Erfahrung gemeinsam zu verarbeiten. Einerseits bekommen sie seelische Unterstützung, anderseits spenden sie selbst welche.
Verlust für Männer gleich tragisch
Gregs Frau Nichola wünscht sich, dass durch Sands United das Bewusstsein dafür steigt, wie schlimm der Verlust eines Babys auch für Männer ist.
"Mehr Leute fragen mich, wie es mir geht - und nicht, wie es Greg geht. Und ihn fragen die Leute, wie es mir geht - und nicht, wie es ihm geht. Dabei haben wir den gleichen Verlust erlitten. Ok, ich habe die körperliche Seite durchgemacht. Aber am Ende ist Sonny unser Sohn. Wir haben ihn beide genau so geliebt. Ich hoffe, dass das Fußballteam Aufmerksamkeit schafft, dass Männer genauso trauern."
Joel Kelly, der Kapitän des Teams von Sands United in Stockport
Joel Kelly vom Sands United-Team: "Spielen um unsere Babys zu repräsentieren" (Deutschlandradio / Hendrik Buchheister)
Namen der Kinder auf den Trikots
Die Babys sind bei den Spielen von Sands United immer dabei. Ihre Namen sind auf dem Trikot eingestickt, unter dem Wappen des Teams. Joel Kelly, der Kapitän der Mannschaft in Stockport, spricht davon, dass der Fußball Ablenkung von der Trauer bringt - zumindest vorübergehend:
"Am Ende spielen wir alle, um unsere Babys zu repräsentieren. Wir wissen alle genau, warum wir hier sind, in jeder Minute des Spiels. Aber man konzentriert sich auch darauf, Fußball zu spielen. Man ist für 90 Minuten mit etwas anderem beschäftigt. Und dann ist man wieder da, wo man vorher war."