Im Zeitraum von 1939 bis 45 wurden zusätzlich rund 2,3 Millionen Polen zur Zwangsarbeit ins ehemalige "Deutsche Reich" verschickt. Schätzungen gehen davon aus, dass rund 20 Prozent der polnischen Gesamtbevölkerung von der Vertreibung betroffen waren.
Am Rande von Swidniza dem ehemaligen Schweidnitz. steht die Neubau-Siedlung aus den siebziger Jahren. Hier wohnt die Familie Brozbar. "Internetcafe" steht mit blauer Farbe auf ihrem Garagentor. Vater Brozbar hat dieses Garagenkaffee vor einigen Jahren für seine Söhne eingerichtet. Aber inzwischen sitzt auch der 47 jährige Tadeus Brozbar oft vor dem Computer: Denn der Handtaschen-Fabrikant, hat ein zeitaufwendiges Hobby: Ahnenforschung!
"Augenblick mal, Moment – es ist alles im Computer" sagt Tadeuz Brozbar und zieht einen Stuhl vor den Schreibtisch. Dann schaltet er den Rechner ein. Er steckt nackt neben dem Bildschirm. Die Sessel in seinem Arbeitszimmer sind zerwühlt. An der Wand hängen Marienbilder. Mit fahriger Handbewegung fährt sich Broszbar durchs lichte, dunkle Haar. Schlägt seine langen Beine übereinander. Richtet seine blauen Augen konzentiert auf den Monitor.
Jetzt hat der Computer das Programm hochgeladen. Eine verzweigte Grafik baut sich auf. Unzählige kleine Kästchen mit Namen darin: Adalbert Brozbar, Schimon Btozbar, Wojchech Brozbar. Mit dem rechten Zeigefinger berührt Tadeuz den Bildschirm: "Hier - Das ist mein Vater und hier - das ist mein Großvater." 170 Jahre reichen die Wurzeln des Familienstammbaumes zurück. Die Verwandtschaftsverhältnisse von über 600 Vorfahren hat er recherchiert. Die Familie Brozbar stammt aus Galizien. Der heutigen Ukraine. Erst nach dem Krieg wurden die Grosseltern und die Eltern nach Swidnica umgesiedelt.
... wie weiter und was noch? Keiner wusste darüber Bescheid. Alles war im Dunkeln. Ich wusste nur, dass der Großvater mütterlicherseits 1943 von Ukrainern getötet worden war und auf dem Friedhof in Grzymalowo liegt, in der Ukraine liegt. Das wusste ich.
Die Vergangenheit im ehemaligen Ostpolen war ein Tabu. Auch bei der Familie Brozbar. "Über Kresy wusste ich null" sagt Tadeuz und macht ein entsprechendes Zeichen aus Daumen und Zeigefinger. Auch in der Schule erfuhr er nichts über "Kresy", das alte Grenzland. Gemeint sind damit alle ehemals polnischen Gebiete, die heute zu Litauen, Weißrussland und der Ukraine gehören. Tadeuz wendet sich wieder dem Computer zu. Fährt mit dem Maus-Zeiger hektisch über den Bildschirm. Klickt das Symbol "Karten" an
"Langsam, langsam" Auf dem Bildschirm erscheint eine alte Landkarte. "Gasz, Markowa, Przemysel" - alles ostpolnische Ortsnamen. Auf die historische Karte ist der Hobbyforscher im Internet gestossen. Hat sie kopiert und auf seine Homepage geladen. Auch seine eigenen Recherchen, z.B. die Ahnentabellen stellt er inzwischen ins Netz. Und bekommt jede Menge emails von anderen Ahnenforschern. Tadeuz klickt sein Postfach an. Es ist voll:
Oh Gott, schaun sie mal hier: Ich suche die Familie des Vaters Hipolm Lukasiewiecz in Janczary bei Wilna. Oder hier: ich suche alles über das Dorf Glincze bei Luwigpol. Von da kommt die Familie meiner Mutter. usw. usw. Die Leute glauben, dass ich alles weiß. Aber ich bin doch auch nur ein Amateur.
Immerhin hat der Kresy-Experte aus Ostpolen inzwischen über 2000 Bilder auf seiner Festplatte. Selbst fotografiert die meisten.. "Irgendwann musste ich einfach selber da hin" Tadeuz wendet sich vom Bildschirm ab. Die blauen Augen leuchten.
Ganz langsam! Also es war so: Ich bin zu meiner Schwiegermutter nach Nova Sol gefahren. Und da erfahre ich: es wird eine Pilgerfahrt nach Ostpolen geben. Na dann (reibt sich die Hände) Ganz günstig: Nur 350 Sloty. Ich sage Mama: da fahr ich mit. Alle sagen: Was?! Wo willst Du hin ? Da wirst Du doch umgebracht. Tadeuz, fahr da nicht hin. Die ermorden Dich!
Schließlich hätten die Ukrainer die Polen damals aus ihrer Heimat vertrieben, warnen alle älteren Bekannten und Verwandten in Swidnica. Aber Tadeuz lässt sich nicht mehr von seinen Reiseplänen abbringen. Mit dem Pilgerbus fährt er nach Lemberg. Und dann auf eigene Faust: Mit dem Taxi und per Anhalter. Immer weiter - Richtung Mazurowka - dem Dorf der Grosseltern. Tadeuz zeigt auf den Bildschirm. Man sieht ein kleines Lehmziegel-Haus. Mit einem Stapel gehackten Holz davor. Das Geburtshaus seiner Mutter.
Die Bewohner waren nicht da. Aber die Nachbarn sagten: Gehen Sie ruhig rein, keine Angst, sie können es ruhig anschauen. Ich habe es mir angeschaut habe Fotos gemacht. Und bin zurückgefahren. Per Anhalter. Das war meine erste Reise in die Ukraine. Als ich zurückgekommen bin habe ich auf meine Homepage geschrieben: "Keine Angst vor der Ukraine".
Aber nicht nur über die Ukrainer in seiner alten Familien-Heimat denke er jetzt anders, sagt Tadeuz. Auch über die Deutschen, die immer nach Swidnica kommen. Dem früheren Schweidnitz.
Früher, als ich hier die Deutschen gesehen habe, habe ich mir immer gedacht: Was sucht denn dieser "Schwabe" hier? Was guckt der hier so rum,verdammt noch mal. Aber als ich dann in die Ukraine gefahren bin, dachte ich plötzlich: Hier unten bin ich so ein Schwabe, der seine alte Heimat sucht. Jetzt sehe ich das anders.
Am Rande von Swidniza dem ehemaligen Schweidnitz. steht die Neubau-Siedlung aus den siebziger Jahren. Hier wohnt die Familie Brozbar. "Internetcafe" steht mit blauer Farbe auf ihrem Garagentor. Vater Brozbar hat dieses Garagenkaffee vor einigen Jahren für seine Söhne eingerichtet. Aber inzwischen sitzt auch der 47 jährige Tadeus Brozbar oft vor dem Computer: Denn der Handtaschen-Fabrikant, hat ein zeitaufwendiges Hobby: Ahnenforschung!
"Augenblick mal, Moment – es ist alles im Computer" sagt Tadeuz Brozbar und zieht einen Stuhl vor den Schreibtisch. Dann schaltet er den Rechner ein. Er steckt nackt neben dem Bildschirm. Die Sessel in seinem Arbeitszimmer sind zerwühlt. An der Wand hängen Marienbilder. Mit fahriger Handbewegung fährt sich Broszbar durchs lichte, dunkle Haar. Schlägt seine langen Beine übereinander. Richtet seine blauen Augen konzentiert auf den Monitor.
Jetzt hat der Computer das Programm hochgeladen. Eine verzweigte Grafik baut sich auf. Unzählige kleine Kästchen mit Namen darin: Adalbert Brozbar, Schimon Btozbar, Wojchech Brozbar. Mit dem rechten Zeigefinger berührt Tadeuz den Bildschirm: "Hier - Das ist mein Vater und hier - das ist mein Großvater." 170 Jahre reichen die Wurzeln des Familienstammbaumes zurück. Die Verwandtschaftsverhältnisse von über 600 Vorfahren hat er recherchiert. Die Familie Brozbar stammt aus Galizien. Der heutigen Ukraine. Erst nach dem Krieg wurden die Grosseltern und die Eltern nach Swidnica umgesiedelt.
... wie weiter und was noch? Keiner wusste darüber Bescheid. Alles war im Dunkeln. Ich wusste nur, dass der Großvater mütterlicherseits 1943 von Ukrainern getötet worden war und auf dem Friedhof in Grzymalowo liegt, in der Ukraine liegt. Das wusste ich.
Die Vergangenheit im ehemaligen Ostpolen war ein Tabu. Auch bei der Familie Brozbar. "Über Kresy wusste ich null" sagt Tadeuz und macht ein entsprechendes Zeichen aus Daumen und Zeigefinger. Auch in der Schule erfuhr er nichts über "Kresy", das alte Grenzland. Gemeint sind damit alle ehemals polnischen Gebiete, die heute zu Litauen, Weißrussland und der Ukraine gehören. Tadeuz wendet sich wieder dem Computer zu. Fährt mit dem Maus-Zeiger hektisch über den Bildschirm. Klickt das Symbol "Karten" an
"Langsam, langsam" Auf dem Bildschirm erscheint eine alte Landkarte. "Gasz, Markowa, Przemysel" - alles ostpolnische Ortsnamen. Auf die historische Karte ist der Hobbyforscher im Internet gestossen. Hat sie kopiert und auf seine Homepage geladen. Auch seine eigenen Recherchen, z.B. die Ahnentabellen stellt er inzwischen ins Netz. Und bekommt jede Menge emails von anderen Ahnenforschern. Tadeuz klickt sein Postfach an. Es ist voll:
Oh Gott, schaun sie mal hier: Ich suche die Familie des Vaters Hipolm Lukasiewiecz in Janczary bei Wilna. Oder hier: ich suche alles über das Dorf Glincze bei Luwigpol. Von da kommt die Familie meiner Mutter. usw. usw. Die Leute glauben, dass ich alles weiß. Aber ich bin doch auch nur ein Amateur.
Immerhin hat der Kresy-Experte aus Ostpolen inzwischen über 2000 Bilder auf seiner Festplatte. Selbst fotografiert die meisten.. "Irgendwann musste ich einfach selber da hin" Tadeuz wendet sich vom Bildschirm ab. Die blauen Augen leuchten.
Ganz langsam! Also es war so: Ich bin zu meiner Schwiegermutter nach Nova Sol gefahren. Und da erfahre ich: es wird eine Pilgerfahrt nach Ostpolen geben. Na dann (reibt sich die Hände) Ganz günstig: Nur 350 Sloty. Ich sage Mama: da fahr ich mit. Alle sagen: Was?! Wo willst Du hin ? Da wirst Du doch umgebracht. Tadeuz, fahr da nicht hin. Die ermorden Dich!
Schließlich hätten die Ukrainer die Polen damals aus ihrer Heimat vertrieben, warnen alle älteren Bekannten und Verwandten in Swidnica. Aber Tadeuz lässt sich nicht mehr von seinen Reiseplänen abbringen. Mit dem Pilgerbus fährt er nach Lemberg. Und dann auf eigene Faust: Mit dem Taxi und per Anhalter. Immer weiter - Richtung Mazurowka - dem Dorf der Grosseltern. Tadeuz zeigt auf den Bildschirm. Man sieht ein kleines Lehmziegel-Haus. Mit einem Stapel gehackten Holz davor. Das Geburtshaus seiner Mutter.
Die Bewohner waren nicht da. Aber die Nachbarn sagten: Gehen Sie ruhig rein, keine Angst, sie können es ruhig anschauen. Ich habe es mir angeschaut habe Fotos gemacht. Und bin zurückgefahren. Per Anhalter. Das war meine erste Reise in die Ukraine. Als ich zurückgekommen bin habe ich auf meine Homepage geschrieben: "Keine Angst vor der Ukraine".
Aber nicht nur über die Ukrainer in seiner alten Familien-Heimat denke er jetzt anders, sagt Tadeuz. Auch über die Deutschen, die immer nach Swidnica kommen. Dem früheren Schweidnitz.
Früher, als ich hier die Deutschen gesehen habe, habe ich mir immer gedacht: Was sucht denn dieser "Schwabe" hier? Was guckt der hier so rum,verdammt noch mal. Aber als ich dann in die Ukraine gefahren bin, dachte ich plötzlich: Hier unten bin ich so ein Schwabe, der seine alte Heimat sucht. Jetzt sehe ich das anders.