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Enten auf Antivirus-Patrouille

Biologie. - Längst haben andere Schlagzeilen die Vogelgrippe aus dem Bewusstsein der Bevölkerung verdrängt. Dennoch kann das gefährliche Virus jederzeit wieder ausbrechen und droht ein Überspringen auf den Menschen. Das Projekt "Constance" will jetzt die Epidemiologie der Vogelgrippe aufklären.

Von Thomas Wagner |
    Idylle pur, so scheint es: 15 Stockenten flattern um einen Teich herum, irgendwo im Landkreis Konstanz am Bodensee. Dass sie nicht allzu hoch flattern, hat seinen Grund:

    "Wir werden denen die Schwungfedern zurückschneiden, so wie man das auch bei Hühnern im Hühnerhof macht. Das muss man einmal im Jahr machen. So lange braucht es, bis die neue Feder dann kommt. Das, zusammen mit einer guten Futterversorgung, sollte die Enten auch dazu bringen, dass sie wirklich bei uns bleiben."

    Das wäre überaus wichtig, so der Ornithologe Wolfgang Fiedler, Leiter der Vogelwarte Radolfzell, einer Außenstelle des Max-Planck-Institutes für Ornithologie in Seewiesen. Denn die 15 Stockenten sind so etwas wie "Pioniere der Wissenschaft". Sie sollen in dem Versuchsgehege Bekanntschaft machen mit möglichst vielen Zugvogelarten, die über Winter am Bodensee Station machen.

    "Dann rechnen wir spätestens im Oktober mit dem großen Einflug von nordöstlichen Enten, sprich Gäste bis aus Russland, Reiherenten und Tafelenten, und je nach dem wie schnell es dann kalt wird in Osteuropa, kommen dann noch weiter gereiste Arten mit dazu, vielleicht auch mal eine Pfeifente oder eine Spießente und ganz sicherlich auch Krickenten, die relativ gerne in Teichen dieser Art hier auftauchen."

    Dabei beobachten die Wissenschaftler genau, welche Wasservogelarten sich regelmäßig im Versuchsteich tummeln. Ebenso regelmäßig entnehmen sie den Versuchsenten mit den gestutzten Flügeln Blutproben und Rachenabstriche. So lässt sich ziemlich genau sagen, durch welche Vogelart aus welcher europäischen Region das Virus übertragen wird.

    "Wenn man mal ganz vorsichtig Rückschlüsse zieht aus dem, was wir im letzten Winter gesehen haben, dann, denke ich, wird es wirklich heiß erst dann werden, wenn wir die Situation vom letzten Februar haben, als diese Ausbrüche erstmals in großem Umfang da waren. Sprich: Sehr kaltes Wetter, viele Gewässer vereist – und in den letzten eisfreien Stellen haben sich Wasservögel zu Hunderten oder Tausenden versammelt. Und das hat vor allem in dem kalten Wetter, was dem Virus besonders gut gefällt, dazu geführt, dass Infektionen besonders leicht gingen. Und wenn wir in diesem Winter wieder diese Situation bekommen, nach Weihnachten eher, ist die Wahrscheinlichkeit der Infektion dann am größten."

    Kurzum: Die Ornithologen wollen klären, wie sich das Vogelgrippe-Virus generell verbreitet. Im Versuchsgehege beobachten sie deshalb, ob und wann es zur Virus-Übertragung von den angereisten Zugvögeln auf die Versuchsenten kommt. Dabei soll auch geklärt werden, von welchen Zugvogelarten genau das Virus übertragen wird. Daneben gehen die Forscher auch der Frage nach, ob das Virus möglicherweise von heimischen Wasservögeln kommt, die von dem Versuchsteich angezogen werden. Ebenso wollen sie erforschen, ob die Krankheit zeitnah nach der Infektion ausbricht oder erst Wochen und Monate später, beispielsweise dann, wenn eine der Versuchsenten ohnehin geschwächt oder erkrankt ist. Wolfgang Fiedler:

    "Und diese beiden Möglichkeiten zu unterscheiden, wäre natürlich ganz wichtig für die weitere Bekämpfung. Und ich denke, wenn wir mit dem Wildvogel-Monitoring sehr intensiv bei den freilebenden Vögeln nachschauen, ob das Virus da ist, ohne dass die augenscheinlich krank sind, und wir gleichzeitig mit unseren Wächterenten nachschauen, wie diese Transfers stattfinden, dann haben wir einen ganz entscheidenden Schritt zum Verständnis dieses Infektionsrisikos gemacht."

    Über zwei Jahre hinweg ist das Forschungsprojekt angelegt, an dem neben deutschen Ornithologen auch Experten aus der Schweiz und Österreich beteiligt sind. Wissenschaftlich begleitet wird der Versuch vom Friedrich-Löffler-Institut auf der Insel Riems. Dort soll ebenso ein vergleichbarer Ententeich angelegt werden, ein dritter entsteht an der Oder. Dass gerade der Bodensee als Standort für das erste Versuchsgehege gewählt wurde, hat mit dem Überwintern zahlreicher Zugvogelarten in dieser Region zu tun. Daraus leiten die Forscher ein erhöhtes Infektionsrisiko für die Versuchsenten und als Folge daraus besonders detaillierte Ergebnisse ab.