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Entlassen weil unproduktiv!

Von wegen Sommerpause: An der römischen La Sapienze ist die Hölle los. Studierende und Profs demonstrieren und beschimpfen den Rektor der größten italienischen Universität - nur ein Beispiel für die umstrittene Unireform der italienischen Regierung.

Von Thomas Migge |
    Rektor Luigi Frati hatte vor einigen Tagen erklärt, dass an seiner Hochschule im Durchschnitt zehn Prozent des Lehrpersonals "faul" sei. Sogenannte "fannuolini", Nichtstuer. Besonders die juristische Fakultät sei betroffen: Dort würden 30 Prozent aller Profs und Assistenten keine wissenschaftlichen Publikationen veröffentlichen. Und, so Frati, wer nachweislich faul und unproduktiv sei, der werde entlassen. Von rund 400 Personen ist bereits die Rede, die zum Semesteranfang im September rausgeworfen werden. Aber der Rektor hat es auf alle Fakultäten abgesehen, auf seiner Suche nach Faulpelzen, weiß Marco Merafina, vom Nationalkomitee italienischer Hochschulwissenschaftler:

    "Forschung gehört zur Lehre und insofern ist die Kritik Fratis vollkommen aus der Luft gegriffen. Die Unterstellungen des Rektors sind unerhört, passen aber perfekt in das Bild des neuen Regierungskurses gegen die Hochschulen, wobei die wahren Probleme dieser Bildungseinrichtungen außer Acht gelassen werden."

    Italiens Regierung fährt schon seit längerer Zeit einen rigiden Sparkurs. Betroffen sind vor allem die Hochschulen, die ohnehin nicht gerade im Geld schwimmen. Im Gegenteil, berichtet Emanuele Viziosi, Wissenschaftler an der biologischen Fakultät von La Sapienza:

    "Was unsere Qualität der Lehre und der Forschung angeht, nun, die versuchen wir mit allen Mitteln aufrecht zu halten. Die Bildungsministerin hat die Ausgaben für unsere Uni, wo rund 350.000 Studenten eingeschrieben sind, für die nächsten drei Jahre um die Hälfte gekürzt. Mit verheerenden Folgen, denn wir müssen radikal sparen. Wir mussten bestimmte Studiengänge bereits schließen."

    Wie es Italiens Universitäten mit der ohnehin schon geringen staatlichen Unterstützung überhaupt gelingt, so viel Forschung zu betreiben und Patente anzumelden, war vor zwei Jahren Thema einer Reportage der Wissenschaftszeitung "Nature". Darin nannte man den Wissenschafts-Output angesichts knapper Finanzmittel und oftmals baufälliger Forschungseinrichtungen "impressive positiv". Unter den aktuellen Arbeitsbedingungen sind die meisten Hochschulen inzwischen wohl nicht mehr in der Lage, solche Komplimente zu erzielen.

    Sit-ins mit heftigen Diskussionen über zu planenden Aktionen. Demos und Debatten mit Rektoren und Professoren. Szenen wie diese häufen sich seit Monaten in Italien. Aus verständlichen Gründen, denn die Regierung scheint wirklich nichts zu unterlassen, um die Situation an den Hochschulen zu destabilisieren.

    Vittoria Cruscinetti studiert Literaturwissenschaften an La Sapienza und meint:

    "Unsere Fakultät muss mit immer weniger Räumen auskommen, weil viele Aulen renoviert werden müssen. Es gibt an fast allen Universitäten diese Probleme. Bildungsministerin Mariastella Gelmini kürzt die Ausgaben für die Hochschulen, zwingt Rektoren ganze Fakultäten abzuschaffen oder zusammenzulegen, um zu sparen, und führt Produktivitätskriterien ein, von denen die staatlichen Überweisungen abhängen. So sieht das aus."

    Während die Regierung staatliche Unis finanziell austrocknet und reglementiert, lässt die politische Nomenklatura ihre Kinder in privaten Bildungseinrichtungen oder aber im Ausland studieren. Besser können sie ihre mangelnde Zuversicht in ihre eigene Unireform nicht zum Ausdruck bringen.