Eine Lesung aus Briefen des Hauptmanns Dreyfus und dessen Frau Lucie sowie eine kleine Ausstellung mit antisemitischen Karikaturen aus dem späten 19. Jahrhunderts rahmten die Züricher Halévy-Premiere. Die Uniformen und Kostüme von Marie-Jeanne Lecca erinnerten an die zweite französische Republik - und David Pountneys Inszenierung zeigte beiläufig ein Massaker an Juden. Konsequent, aber zunächst mit sichtlicher und hörbarer Willkür, wurde die Geschichte vom spätmittelalterlichen Konstanz und Thurgau nach Paris um 1895 verlegt und umgepolt von Antijudaismus auf den modernen Antisemitismus.
Robert Israel stellte Pountney ein Mehrzweckgebäude zu Verfügung, das immer wieder gedreht und gewendet wird: Von vorn mutet es an wie die Vorhalle einer Kirche, in der die Symbiose von Thron und Altar Spalier stehen lässt und sich selbst beweihräuchert. Von hinten dient der Häuserblock dem Goldschmied Eleazar als Werkstatt und Wohnung, in der unter strengen Sicherheitsvorkehrungen das Passah-Fest gefeiert wird. Aber um realistische Nachgestaltung von religiösen Bräuchen und Missständen, gar historischen Ereignissen kann es Pountney nicht gegangen sein. Da geht bei ihm vieles recht krude und theaterbunt durcheinander. Und so bewirkt die Entkronkretisierung der Handlung zunächst deren Entschärfung und Verbannung ins Ungereimte. Um 1895 gab es in Paris eben keinen Kaiser mehr, und dort wurden auch etwas später nicht - "Au lac, au lac" - Juden in den See getrieben, sondern muslimische Algerier in die Seine.
Indem sich die Handlung aber auf den Showdown zwischen Eleazar und Kardinal de Brogni zuspitzt, spielen Pountneys grobe Übersetzungsfehler keine Rolle mehr. Die virtuose Stimmführung, der Neil Shicoff als "der Jude" und Alf red Muff als kirchlicher Würdenträger zunächst viel schuldig bleiben, gewinnt mit dem Terzett am Ende des zweiten Akts Schwung und Wucht. Erst recht, wenn die beiden Männer sich in Hass und einer gewissen Bemühung um Konfliktbewältigung, in Verbitterung und angesichts der jeweiligen Zuneigung zu Rachel ineinander verbeißen. Doch insbesondere auch die Auftritte von Angeles Blancas als Rachel und Malin Hartelius als Eudoxie bescheren der Züricher Produktion Glanz. Umschwirrt von Ballettratten, die einem Gemälde von Edgar Degas entstiegen sein könnten, entfaltet die Prinzessin große Koloraturen-Eleganz mit beglückender Leichtigkeit. Und sie ziert sich dabei, als wäre sie Marie-Antoinette.
David Pountneys Inszenierung operiert wiederholt mit antisemitischen französischen Karikaturen aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. Sie setzt damit einen anderen rezeptionsgeschichtlichen Akzent als die vorangegangenen Produktionen in verschiedenen deutschen Städten oder auch in Tel Aviv, die aus naheliegenden Gründen auf die Reichspogromnacht 1938 anspielten. Wie in Wien, New York und Paris war nun aber auch in Zürich mit Neil Shicoff wieder ein Protagonist am Werk, der den Eleazar nicht nur mit synogogalem Einschlag singt, sondern diesen im doppelten Sinn Verschlagen mit allen Fasern verkörpert. Der Ergriffenheitseffekt ist überwältigend, und die Ovationen nach der "Rachel"-Kavatine dauern Minuten.
Die Ermordung von Rachel und Eleazar zeigt Pountney in Zürich mit einer technischen Vorrichtung des 20. Jahrhunderts. Die Juden werden nicht, wie von Scribe und Halévy vorgesehen, in einem Arbeitsgang zwangsgetauft und getötet, indem sie die Henker in Kessel mit siedendem Wasser werfen, sondern hinter Metallrahmen und Mattglasscheiben erstickt. Ob all diese "Übersetzungen" die ohnedies auf denkwürdige Weise aktuelle alte Geschichte näher bringen und kathartische Wirkungen befördern, darf in Abrede gestellt werden. Denn in erster Linie sind die Accessoires der Übertragung ja parfümiert kunstschön oder sogar ausgesprochen operettenhaft. Beides braucht "La Juive" weder nach korrekt historischem noch nach modernem Verständnis. Diese Zutaten machen das Werk trivialer, als es ist, und nehmen ihm entscheidende Wirkungen.
Robert Israel stellte Pountney ein Mehrzweckgebäude zu Verfügung, das immer wieder gedreht und gewendet wird: Von vorn mutet es an wie die Vorhalle einer Kirche, in der die Symbiose von Thron und Altar Spalier stehen lässt und sich selbst beweihräuchert. Von hinten dient der Häuserblock dem Goldschmied Eleazar als Werkstatt und Wohnung, in der unter strengen Sicherheitsvorkehrungen das Passah-Fest gefeiert wird. Aber um realistische Nachgestaltung von religiösen Bräuchen und Missständen, gar historischen Ereignissen kann es Pountney nicht gegangen sein. Da geht bei ihm vieles recht krude und theaterbunt durcheinander. Und so bewirkt die Entkronkretisierung der Handlung zunächst deren Entschärfung und Verbannung ins Ungereimte. Um 1895 gab es in Paris eben keinen Kaiser mehr, und dort wurden auch etwas später nicht - "Au lac, au lac" - Juden in den See getrieben, sondern muslimische Algerier in die Seine.
Indem sich die Handlung aber auf den Showdown zwischen Eleazar und Kardinal de Brogni zuspitzt, spielen Pountneys grobe Übersetzungsfehler keine Rolle mehr. Die virtuose Stimmführung, der Neil Shicoff als "der Jude" und Alf red Muff als kirchlicher Würdenträger zunächst viel schuldig bleiben, gewinnt mit dem Terzett am Ende des zweiten Akts Schwung und Wucht. Erst recht, wenn die beiden Männer sich in Hass und einer gewissen Bemühung um Konfliktbewältigung, in Verbitterung und angesichts der jeweiligen Zuneigung zu Rachel ineinander verbeißen. Doch insbesondere auch die Auftritte von Angeles Blancas als Rachel und Malin Hartelius als Eudoxie bescheren der Züricher Produktion Glanz. Umschwirrt von Ballettratten, die einem Gemälde von Edgar Degas entstiegen sein könnten, entfaltet die Prinzessin große Koloraturen-Eleganz mit beglückender Leichtigkeit. Und sie ziert sich dabei, als wäre sie Marie-Antoinette.
David Pountneys Inszenierung operiert wiederholt mit antisemitischen französischen Karikaturen aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. Sie setzt damit einen anderen rezeptionsgeschichtlichen Akzent als die vorangegangenen Produktionen in verschiedenen deutschen Städten oder auch in Tel Aviv, die aus naheliegenden Gründen auf die Reichspogromnacht 1938 anspielten. Wie in Wien, New York und Paris war nun aber auch in Zürich mit Neil Shicoff wieder ein Protagonist am Werk, der den Eleazar nicht nur mit synogogalem Einschlag singt, sondern diesen im doppelten Sinn Verschlagen mit allen Fasern verkörpert. Der Ergriffenheitseffekt ist überwältigend, und die Ovationen nach der "Rachel"-Kavatine dauern Minuten.
Die Ermordung von Rachel und Eleazar zeigt Pountney in Zürich mit einer technischen Vorrichtung des 20. Jahrhunderts. Die Juden werden nicht, wie von Scribe und Halévy vorgesehen, in einem Arbeitsgang zwangsgetauft und getötet, indem sie die Henker in Kessel mit siedendem Wasser werfen, sondern hinter Metallrahmen und Mattglasscheiben erstickt. Ob all diese "Übersetzungen" die ohnedies auf denkwürdige Weise aktuelle alte Geschichte näher bringen und kathartische Wirkungen befördern, darf in Abrede gestellt werden. Denn in erster Linie sind die Accessoires der Übertragung ja parfümiert kunstschön oder sogar ausgesprochen operettenhaft. Beides braucht "La Juive" weder nach korrekt historischem noch nach modernem Verständnis. Diese Zutaten machen das Werk trivialer, als es ist, und nehmen ihm entscheidende Wirkungen.